Wie hängen Politik und Angst zusammen? Mit Michael Roth
Shownotes
Michael Roth war fast 27 Jahre lang SPD-Abgeordneter, Staatsminister für Europa und zuletzt Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Dann fasste er den Entschluss, aus der Politik auszuscheiden. Die Politik hatte ihn ausgebrannt.
Über seine Zeit in der Politik und seine psychische Erkrankung hat er nun ein Buch geschrieben: „Zonen der Angst“. Darin spricht er offen über Selbstzweifel, psychische Krisen und den Umgang mit Angst in der Politik. Im Gespräch mit Anne Will erzählt Roth, warum ihn gerade die Auseinandersetzung um die richtige Ukraine-Politik in seiner Partei isolierte – und wie die Kritik aus den eigenen Reihen seine Krankheit verschärfte. Gemeinsam diskutieren sie, welche Rolle Angst in internationalen Krisen spielt: Wie reagiert die NATO auf russische Provokationen im Luftraum? Wie kann die Politik auf die Angst vieler Menschen vor einem Dritten Weltkrieg eingehen, ohne Putins Drohkulissen nachzugeben? Kann man Putins Machtpolitik überhaupt ohne Angst begegnen? Und wie sehr bestimmt Angst heute – in Moskau, Washington, Berlin – die Handlungsfähigkeit von Demokratien?
Der Redaktionsschluss für diese Folge war Dienstag, der 23. September 2025 um 16 Uhr.
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1.10. Köln 8.10. Hamburg 13.10. Berlin 12.11. Leipzig
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WICHTIGE QUELLEN:
ZEIT, Einfach abschießen?, 21.09.25
ZEIT, Sie sind nicht mehr auf Trump angewiesen, 22.09.25
SZ, Die Angst regiert mit, 05.09.25
Süddeutsche Zeitung, Im Kühlschrank der Macht, 21.09.25
ZEIT, Alle kämpfen gegen alle – wir zwei nicht mehr, 18.09.25
Buch: Roth, Michael - Zonen der Angst. Über Leben und Leidenschaft in der Politik. C.H. Beck-Verlag
IMPRESSUM Redaktion: Florian Barnikel Executive Producerin: Marie Schiller Producer: Lukas Hambach, Patrick Zahn Sounddesign: Hannes Husten Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH Eine Produktion der Will Media GmbH
Transkript anzeigen
00:00:00: Wie sehr vermissen Sie den Espresso von der Kaffeebar im Paul-Löber-Haus?
00:00:05: Das ist eines der Bundestagsgebäude.
00:00:08: Den vermisse ich nicht.
00:00:09: Es gibt glücklicherweise in dieser Matcha- und Lattewelt noch ein paar Cafés, wo man sehr guten Espresso bekommt.
00:00:18: Und mein eigenes auch nicht schlecht.
00:00:20: Also das vermissen Sie jedenfalls nicht.
00:00:23: Ob Sie was anderes vermissen, das will ich gleich noch wissen.
00:00:32: Politik mit Anne Will.
00:00:46: Ihr hört oder seht schon wieder die nächste neue Folge unseres schönen Podcasts.
00:00:50: Freu mich sehr, dass ihr dabei seid.
00:00:52: Macht das bitte genauso weiter und kommt auch unbedingt gerne zu unseren Live-Shows.
00:00:57: Das will ich auch noch mal sagen.
00:00:59: Wir sind am ersten Oktober in Köln, am achten Oktober im Schauspielhaus in Hamburg, am dreizehnten Oktober in Berlin und am zwölften November in Leipzig.
00:01:08: Das wird super.
00:01:09: Wir planen wie Blöde und freuen uns total.
00:01:12: Aber jetzt fehlt ihr noch.
00:01:15: Guckt mal in die Show Notes, da steht, wie das alles geht, wo, wann, wie genau.
00:01:19: Das schafft ja easy, aber ich würde mich richtig, richtig freuen, wenn ihr kennt.
00:01:24: Diesmal begrüße ich euch zu einer Folge, die vielleicht ein bisschen anders gestaltet ist als sonst, denn es soll da um ein Buch gehen, ein gutes, ein wichtiges Buch, wie ich finde.
00:01:36: Michael Roth, Außenpolitiker der SPD, entschiedener und hoch engagierter Kämpfer, zum Beispiel für die Unterstützung der Ukraine, hat es geschrieben.
00:01:46: Ein Buch über sein Leben in der Politik und darüber, dass er dieses Leben dann irgendwann nicht mehr wollte, dass er auch nicht mehr konnte, dass er keine Kraft mehr hatte, um so zu funktionieren, wie man in der Politik ganz augenscheinlich funktionieren muss.
00:02:02: Herzlich willkommen, Michael Roth.
00:02:04: Vielen Dank für die Einladung, Frau Will.
00:02:06: Nein, ich freue mich total, dass Sie da sind, dass Sie das Buch nicht zuletzt hier bei uns vorstellen.
00:02:11: Und ich habe nach dem Espresso ganz am Anfang gefragt, weil Sie den ganz am Schluss Ihres Tages im Bundestag trinken, so erzählen Sie das im Buch, nachdem Sie da nochmal durch die Gänge des Reichstagsgebäudes gegangen sind, dem Kantinenpersonal, auch den Partnerinnen und Fördner und Tschüss gesagt haben, nochmal kurz im Andachtsraum gesessen haben.
00:02:33: Sie ganz am Schluss diesen Espresso in der Hand.
00:02:36: und ich wüsste gern, was haben Sie gedacht?
00:02:38: Wissen Sie es noch?
00:02:41: Dass es jetzt gut ist und dass ich keinen Abschiedschmerz habe.
00:02:46: Ich hatte schon ein bisschen Bammel davor, denn wenn man sieben, zwanzig Jahre im Bundestag sitzt, politisch arbeitet, engagiert ist, ein ganz wichtiger Teil des eigenen Lebens ist und damit jetzt abschließt, dann weiß man ja noch nicht so ganz genau, was kommt.
00:03:04: Aber der Kaffee hat mir geholfen.
00:03:07: Der Kaffee war gut, aber es gibt auch andernorts guten Kaffee.
00:03:12: Wie
00:03:13: Sie eben schon gesagt haben.
00:03:14: Ja, und das ist die Brücke dann auch in das andere Leben.
00:03:18: Aber ich wollte es auch mit etwas abschließen, was mir auch immer wichtig war.
00:03:24: Kaffee war für mich immer auch so einem bemühen Menschen zusammenzubringen, aber genauso auch alleine zu sein.
00:03:29: Ich bin oft geflüchtet.
00:03:31: Dann immer gesagt, ich muss jetzt mal raus.
00:03:33: Und dann habe ich meistens irgendwo, wenn es früh war, in Cappuccino und jetzt etwas später war, noch ein Espresso getrunken.
00:03:40: Also da auch das war, dieses Szene spielt im März dieses Jahres.
00:03:45: Nach fast siebenundzwanzig Jahren, wie Sie es gesagt haben, die Sie Bundestagsabgeordneter für die SPD waren, jeweils immer direkt gewählt, was was Besonderes ist, wofür man auch viel arbeiten muss.
00:03:57: All das erfahren wir auch in diesem Buch.
00:03:59: Acht Jahre von dieser Zeit waren Sie Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt und zuletzt wären der Ampelzeitvorsitzender des wichtigen Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.
00:04:12: Weil die Ampel-Regierung dann aber ja vorzeitig platzt und die Bundestagswahl nicht etwa im September wie geplant stattfinden wird, sondern schon Ende Februar, April, April und April, platzt auch all das, was sie sich feiner als Abschied geplant hatten, Fahrradtour durch den Wahlkampf, überall nochmal vorbeischauen.
00:04:30: Das war doof, oder?
00:04:32: Ganz doof.
00:04:34: Ganz doof, weil ich auch eine Reihe von Versprechen nicht einhalten konnte.
00:04:38: Ich hatte noch ein paar Reisen geplant.
00:04:41: Und mir waren die Menschen in meinem Wahlkreis auch immer sehr wichtig.
00:04:45: Und ich habe denen gesagt, Leute, macht euch keine Sorgen.
00:04:49: Wir gucken uns alle nochmal in die Augen und wir können alle nochmal gemeinsam ein Stück Kuchen essen und nochmal über dieses und jenes reden.
00:04:56: Ich mache mich nicht einfach so vom Acker.
00:04:58: Das ist mir echt schwer gefallen.
00:04:59: Nach den vielen Jahren möglicherweise den Eindruck zu hinterlassen, da macht sich jemand aus dem Staub.
00:05:06: Diesen Eindruck wollte ich um jeden Preis verhindern.
00:05:10: Aber dass nun die Ampel scheitert und das hat mir auch wehgetan.
00:05:15: Dafür konnte ich vermutlich wenig, sehr wenig.
00:05:20: Und damit noch nicht mal genug, dass die Ampel scheitert.
00:05:22: Die neue Bundesregierung, schwarz-rote Koalition trommelt ja, wie wir alle wissen, den alten Bundestag noch mal zusammen.
00:05:30: Heißt für Sie, Sie müssen da auch noch mal hin, um per Grundgesetzänderung die gigantischen Schuldenparte für Sicherheit und Verteidigung und für Klimaschutz und Infrastruktur und Klimaschutz umgekehrt, pflegt man zu sagen, zu verabschieden.
00:05:46: Und sie schreiben dann, das fand ich eine interessante Stelle im Buch, darüber.
00:05:51: politisch war es geboten, aber emotional kam ich überhaupt nicht damit klar, noch einmal in die parlamentarischen Abläufe eintauchen zu müssen.
00:06:02: Weiter heißt es dann, Ich kam mir vor wie ein Zombie, ein Untoter, der noch einmal zum Leben erweckt wurde, noch einmal Sitzungen von Fraktion auswärtigem Ausschuss und Plenum.
00:06:14: Ich fühlte mich deplatziert wie in einem schlechten
00:06:17: Film.".
00:06:19: Finde ich unheimlich enorm, habe ich da gedacht, als ich das las wie ernüchtert, wie desillusioniert.
00:06:26: Ja, vielleicht war nicht sicher, ob das das richtige Wort ist, aber wie vielleicht angeekelt, beinahe angeekelt sie auf den Politikbetrieb.
00:06:34: Da schauen in diesem Moment, das lässt einen fast staunen, dass sie überhaupt noch so lange drin geblieben sind.
00:06:41: Wenn Sie es so verstanden haben, wäre es ein, aus meiner persönlichen Sicht, falscher Eindruck.
00:06:47: Ich wollte eher schildern, dass ich mit dieser Verlängerung des Spiels nicht klar kam, weil ich für mich alles schon geordnet, abgeheftet, abgelegt hatte.
00:06:59: Das Büro war leergeräumt.
00:07:02: Ich hatte mich auch, was mir sehr schwer, viel von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verabschiedet.
00:07:07: Und nun kam noch mal etwas ... Auf den Tisch, was für mich persönlich ja sehr wichtig war, denn ich habe ja jahrelang dafür gekämpft, dass wir uns nicht von der Haushaltslage abhängig machen, wenn es um die Verteidigung unserer liberalen Demokratie geht, wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht.
00:07:24: Und ich habe auch immer gesagt, Leute, lasst uns die Fragen von Infrastrukturbildung nicht ausspielen gegen die notwendigen Investitionen in die Verteidigung unseres Landes, der NATO, unserer Partner und Partnerinnen.
00:07:40: Deswegen war ich eigentlich froh, aber ich habe diese Freude gar nicht mehr verspürt, weil ich ja wusste, das ist jetzt etwas für die nächste Legislaturperiode.
00:07:49: Es wurde ja eher aus legalen, aber taktischen Gründen, weil man eben keine Zweidrittelmehrheit mehr im neu gewählten Parlament hatte, jetzt nochmal beschließen.
00:07:59: Das ist regelkonform, aber es hatte natürlich schon so ein bisschen ein Geschmäckler.
00:08:06: Also ich habe das unterstützt, aber ich fühlte mich irgendwie nicht mehr so ganz zugehörig.
00:08:13: Zombie und Untoter, da habe ich aufgemerkt.
00:08:16: Es
00:08:17: sind harte Worte, ja.
00:08:20: Und vielleicht drücken diese Worte dann auch aus, dass ich das Abschied nehmen, nicht nochmal verlängern wollte.
00:08:28: Es war dann gut.
00:08:30: Ich ärgerte mich.
00:08:31: Aber noch einmal, soweit bin ich dem protestantischen Arbeitsethos auch verpflichtet.
00:08:36: Ich leg ja da nicht die Beine hoch und sag, mach doch euren Mist alleine.
00:08:39: Ich bin raus.
00:08:40: Nee, ich hab dann natürlich noch meine Arbeit gemacht.
00:08:42: Aber es passte mir nicht so richtig ins Konzept.
00:08:46: Ich hatte im Wahlkreis Abschied genommen mit einer schönen, wunderbaren Veranstaltung.
00:08:51: Mein Torten und Kuchen und Kaffee.
00:08:55: Den Leuten Adieu gesagt und jetzt geht das wieder los.
00:08:59: Vielleicht war es auch ein bisschen selbstzüchtig, aber war es vielleicht ein bisschen zu sehr aus der eigenen Brille heraus betrachtet.
00:09:07: Das Buch heißt Zonen der Angst.
00:09:10: Im Untertitel Überleben und Leidenschaft in der Politik.
00:09:15: Und ich habe mich an manchen Stellen gefragt, wo noch deutlich härtere Zusammenhänge aufgemacht werden und beschrieben werden, als wir das jetzt vielleicht gerade kurz angesprochen haben, ob als Untertitel in Wahrheit auch gut gepasst hätte Überleben in der Politik, also in einem Wort geschrieben.
00:09:31: Genau, das sollte es sein.
00:09:33: Danke.
00:09:33: Frau Willse, sind die Erste, der das auffällt.
00:09:37: Das habe ich so durchgesetzt.
00:09:39: Ansonsten geht der Titel im Großen und Ganzen auf das Konto des Verlags und meines Lektors Matthias Hansel.
00:09:49: Aber das wollte ich so in dieser Doppeldeutigkeit weil dieses Buch natürlich auch phasenweise nicht mehr das pralle Leben, sondern das Überleben in einem System darstellte, was Micha traurig und auch krank gemacht hat.
00:10:07: Darüber wollen wir sprechen.
00:10:08: Das ist, glaube ich, auch das, was ganz viele von unserer Hörerinnen und Hörern schon wissen.
00:10:14: Ich würde glauben, die meisten, wenn nicht alle, dass sie an irgendeinem Punkt gesagt haben, sie können nicht mehr, die Kraft reicht nicht mehr.
00:10:21: Sie können jedenfalls das nicht erfüllen, was dieser Betrieb, der Politik betrieb.
00:10:27: verlangt an Funktionalität und beschäftigen sich dann daraufhin auch mit sich, um zu fragen, was liegt hier eigentlich alles im Argen?
00:10:36: Das will ich mit Ihnen gemeinsam alles anschauen.
00:10:40: Ich habe mir überlegt, ich würde gerne unsere Folge unter die Frage packen, wie hängen Politik und Angst?
00:10:47: zusammen.
00:10:48: Darüber würde ich gerne mit Ihnen sprechen, denn das finde ich auch nicht zuletzt mit dem, was uns im Moment alles beschäftigt, mit dem aktuellen Blick auf Putins muss man ja sagen immer aggressiveres Austesten, auch der NATO-Staaten hochinteressant.
00:11:04: Das finde ich auch mit dem Blick darauf, was sich in den USA im Moment an immer autoritärerem Machtmissbrauch zeigt.
00:11:12: und davon Handelt.
00:11:14: halt Ihr Buch, deshalb heißt es auch so, die Zonen der Angst von dem Zusammenhang zwischen Politik und Angst.
00:11:23: Ich hoffe, das habe ich richtig gelesen.
00:11:25: Politik ohne Angst, so habe ich sie verstanden, kann es in Ihrem Verständnis gar nicht geben, oder?
00:11:33: Wenn man Mensch ist, gibt es Situationen, da weiß man nicht mehr ein und aus und das macht einem auch Angst und Sorgen.
00:11:43: Der nächste Tag.
00:11:44: Die nächste schwierige Entscheidung.
00:11:47: Auch das, was ich derzeit so in der aktuellen Politik vermisse, das Bewusstsein, dass wir alle in Widersprüchen und in Dilemmata stecken.
00:11:55: Und das ist ein richtig und falsch, bis weil es nicht gibt, sondern nur ein weniger falsch oder ein weniger richtig.
00:12:02: Und dass wir uns immer auch mit Fragen von Schuld auseinanderzusetzen haben.
00:12:06: Und das macht natürlich etwas mit einem.
00:12:09: Aber die Angst darf einen nicht lähmen.
00:12:13: die Angst darf einen nicht kleiner machen, als man wirklich ist.
00:12:16: Insofern wissen wir ja, dass Unterdrückungsregime alle mit der Angst arbeiten, indem sie Menschen kleiner machen, indem sie Menschen ihre Grenzen aufzeigen, indem sie Menschen gefügig machen wollen.
00:12:28: Und Putin arbeitet natürlich auch als Diktator mit der Angst, indem er immer wieder so droht, dass die Menschen fragen, ist denn unsere Solidarität?
00:12:40: für die Ukraine oder auch für andere Angegriffene attackierte so wichtig, wenn unser eigenes Leben möglicherweise auch in Gefahr gerät.
00:12:49: Und Politikerinnen und Politiker, vor allem diejenigen, die dem völkischen Autoritarismus verpflichtet sind, spielen natürlich auch mit der Angst, der Angst vom Fremden, der Angst vor Migrantinnen und Migranten, der Angst vor einer komischen Sprache, der Angst, dass der Mensch der hier seit Jahrzehnten lebt und geboren wurde, mit seinen Traditionen weggewischt, zerstört wird.
00:13:17: Diese Ängste sind ein ganz wichtiger Teil der Demokratie.
00:13:21: Aber vor allem auch ein ganz wichtiger Teil von Diktatoren, Autogitarismus.
00:13:26: Und ein Teil der Politik ganz augenscheinlich, denn das schreiben Sie auch in Ihrem Prolog gleich.
00:13:32: Sie machen da verschiedene Zonen der Angst beispielhaft schon mal auf, in die sich begibt, wer Politik als Beruf betreibt.
00:13:40: Die Angst zum Beispiel, ich habe mir das mal alles rausgeschrieben, im innerparteilichen Machtkampf zu verlieren, aber auch zu gewinnen.
00:13:47: Dann die Angst, durch einen unbedachten Tweet oder eine unsaubere Formulierung in einen Shitstorm zu geraten.
00:13:54: Die Angst, in der Politik permanent in einem unsicheren Umfeld zu entscheiden, ungewollte Wirkungen von Entscheidungen nicht zu überblicken, nicht all ihre Tiefe durchdringen zu können.
00:14:06: Die Angst, sich in einem hoch arbeitsteiligen Parlament auf die Expertise anderer verlassen zu müssen, ihnen zu vertrauen, die Angst der Flut an Terminen, Anfragen, Wünschen und Begehrlichkeiten nicht gerecht werden zu können.
00:14:20: Und hinzu kommt dann eben noch, was wir gerade schon kurz haben, aufscheinen lassen, das Zitat falsches Spiel mit den gesellschaftlichen Ängsten, den bewussten Schüren von Ängsten in der Bevölkerung, sei es vor der russischen Atombombe oder dem Verlust von Arbeitsplätzen, günstiger Energie und billigen Produkten, wenn wir uns nicht unterwürfig gegenüber autoritären Regimen verhalten, Zitat Ende.
00:14:46: Als ich das last dachte, manches davon gucke ich mir überhaupt gar nicht an.
00:14:50: Also ich achte gar nicht darauf, wie sehr es auch Angst machen kann, sich zum Beispiel auf die Expertise anderer zu verlassen in einem Moment, in dem man vor Kameras vor Mikrofonen muss und dann das gar nicht mehr genau, weil man schnell reagieren soll, wo ist jetzt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses?
00:15:08: Man sagt dann endlich was, weil man das dann in der Schnelle der Zeit vielleicht gar nicht für sich genau geordnet durchdringen und sonst was kann.
00:15:16: Diese Angst hätte ich zum Beispiel gar nicht gesehen, aber was mir auffällt an ihrer Aufzählung ist, dass sie in all dem Gründe und auch Anlässe für Angst sehen und schauen damit auf das Ängstigende und Beängstigende daran wären.
00:15:33: Manch anderer stelle ich mir vorsagen würde, ja, das ist doch der Kick, das ist das Aufregende, das ist das Tolle, das Geile an der Politik, was man in dem Bereich findet, wie vielleicht in keinem anderen.
00:15:46: Deshalb ist es ja auch ein sehr persönliches Buch.
00:15:48: Und ich spürte ganz am Anfang, als ich noch mit mir rang, ihr könnt ja ein solches Buch aussehen, das war ja nicht meine Idee, es war ja die Idee des Beckverlags.
00:15:58: Ihr könnt ein solches Buch aussehen.
00:16:00: Das kann kein Agenda-Buch werden, wo ich irgendwie abstrakt über die Ängste oder bei die Bewährungsproben oder Herausforderungen in der Politik schreibe, das ist mein persönliches.
00:16:11: Angst und Scham waren meine lebenslang Begleiterin.
00:16:16: Sie haben völlig recht, deswegen haben ja auch viele völlig entgeistert auf mich geschaut und gesagt, was willst du eigentlich?
00:16:24: Du hast die Show.
00:16:26: Du hast die Öffentlichkeit.
00:16:28: Du tingelst von einer Talkshow zum nächsten Podcast.
00:16:31: Du wirst medial wahrgenommen.
00:16:33: Das ist doch die Währung, die bei uns zählt.
00:16:36: Und du nimm doch die blöde Kritik nicht so persönlich.
00:16:39: Das ist doch der Kick.
00:16:41: So war ich aber nicht.
00:16:42: Ich hab dann sehr gezweifelt und als ich dann auch spürte, dass es in meiner eigenen Peer Group immer kälter wurde und ich dann auch von außen.
00:16:52: Über Journalisten und Journalisten, aber teilweise auch durch O-Töne in den Medien mitbekam, wie man auf mich schaute, dass ich der Quellgeist war, dass ich nerfe, dass ich illojal sei, dass ich dem Kanzler permanent an die Beine pinke, etc.
00:17:04: pp, dass ich etwas mache, was in einem Ego-Egotrip ähnelt.
00:17:09: Dann hat mir das schon sehr zu schaffen gemacht, weil ich nicht so selbstbewusst so spielerisch an Politik herangehe, wie viele, die damit sicherlich auch sehr erfolgreich gewesen sind und noch erfolgreich sind.
00:17:21: geben Sie auch zu dem Buch, dass Sie das Scheinwerb verlicht suchen, dass Sie manchmal daraus Bestätigung für sich gezogen haben, dass das schon auch schön war, dass Sie diese Bestätigung auch brauchten, oder nicht?
00:17:32: Wenn man kein Selbstbewusstsein hat, dann hofft man auf den Applaus der anderen.
00:17:37: Dann genießt man das.
00:17:39: Man ist dann auch schnell leer, wenn es keinen Applaus gibt und wenn der Beifall erlischt.
00:17:43: Nun wusste ich natürlich auch, ich kann nicht alles.
00:17:47: Aber so ein Saal in Wallung bringen, ihn für eine Sache einzunehmen.
00:17:53: Das hat mir Freude gemacht.
00:17:54: Das habe ich gerne gemacht.
00:17:55: Ich musste gar nicht geprügelt werden in irgendwelche Talkshows, in irgendwelche Veranstaltungen.
00:18:00: Also ich habe das gerne gemacht.
00:18:01: Aber es hat mir dann schon Probleme bereitet.
00:18:04: wenn ich spürte, du bist jetzt hier auf so einem ganz dünnen Seil und du musst aufpassen, dass du nicht abstürzt.
00:18:13: Ich war das ja nicht mein erstes Sinn und Trachten war, anzuecken oder mich mit der eigenen Partei oder mit der eigenen Peergroup anzulegen, sondern ich wollte ja in der Sache was erreichen.
00:18:25: Aber es geht eben nicht immer nur um die Sache und das musste ich erkennen und da war ich manchmal vielleicht auch ein Ticken zu naiv.
00:18:32: Zu ungestümmen auch manchmal, glaube ich, so beschreiben Sie das, oder?
00:18:36: Ich habe es anderen auch sehr schwer gemacht, mich zu mögen.
00:18:40: Meine Unsicherheit habe ich am Anfang dadurch kaschiert, dass ich ein miserabler Schauspieler war.
00:18:45: Alle, die ich nicht so leiden konnte oder die ich als Labasecke ansah, die mich nervten, die habe ich das ein bisschen spüren lassen und einen Freund... der sich in der Politik auch gut auskennt, sagte dann mal zu mir, Michel, nun sei doch einmal so, wie du bei uns bist.
00:19:02: Dann lass doch mal deinen Scham spielen, du bist doch gar nicht so, schottet dich doch nicht so ab.
00:19:08: Das habe ich dann auch im Laufe der Zeit zu lernen versucht, aber diese Fehler hingen mir lange nach.
00:19:15: Warum kennen Sie sich so gut mit Ängsten aus?
00:19:19: Weil ich eine Therapie gemacht habe.
00:19:22: Das geht mir jetzt alles, Frau Will, so leicht von der Zunge und ich kann darüber reden.
00:19:27: Dieses Buch ist ja vor allem für meine Familie, für meine Freundinnen und Freunde eine Zumutung, weil ich nie darüber reden konnte.
00:19:35: Da stehen Dinge drin, die kennt mein Mann nicht, die kennen meine engsten Freundinnen und Freunde nicht, meine älteste Freundin, die kennt mich seit fünfzig Jahren, mit der habe ich schon im Kindergarten, im Sandkasten gespielt, die werden da teilweise schockiert sein über das, was da drin steht, weil ich es ihnen nicht offenbart und weil ich es mit ihnen nicht geteilt habe.
00:19:55: Und jetzt darüber zu reden.
00:19:58: Das tue ich nicht, weil ich jetzt irgendwie Wojuristinnen und Wojuristen befriedigen möchte, sondern das tue ich, weil nur wenn man das weiß, man versteht, woher diese Ängste kommen und warum ich in der Politik dann bisweilen auch so gehandelt habe, wie ich das getan habe.
00:20:15: Ja, meine Partei und die Politik hat vieles an meiner Erkrankung beschleunigt und verstärkt, aber die eigentlichen Wurzeln, Die Ursachen, die liegen ganz tief in mir drin.
00:20:30: Und das auszusprechen zum allerersten Mal in meinem Leben, das habe ich einer Therapie zu verdanken und einer Therapeutin.
00:20:41: Haben Sie sich das auch selber nie ausgesprochen?
00:20:45: Nein.
00:20:47: Nein, das habe ich nicht.
00:20:48: Ich wollte das einfach abhaken.
00:20:51: Und immer, wenn ich mit der Vergangenheit konfrontiert wurde, Ich hab das auch im Buch beschrieben, wenn dann auf einmal in einem Gespräch bei einer Veranstaltung in meinem Wahlkreis der Name meines Vaters fiel, bist du etwa der Sohn von?
00:21:04: Dann brach sofort der Angstschweiß aus, weil ich dachte, um Gottes Willen, was kommt denn jetzt?
00:21:08: Wäre ich da wieder für irgendwas in Haftung genommen?
00:21:11: Ist da wieder was schiefgegangen?
00:21:13: Das hat mich ganz, ganz lange begleitet.
00:21:15: Und ich dachte mit seinem Tod, ist es dann vorbei?
00:21:19: Und es war immer noch nicht vorbei.
00:21:21: Es holte mich immer wieder ein.
00:21:25: Die ist mir auch aufgefallen, die Stelle.
00:21:27: Und ich dachte dann, das ist eine Besonderheit, glaube ich, die Sie da für sich erlebt haben, dass der Angstschweiß, und Sie nennen das ja so den Angstschweiß, dass der ausbricht, wenn die Rede auf Ihren Vater kommt.
00:21:44: Ob schon sie da längst dieser erfolgreiche SPD-Direktkandidat sind, solange im Bundestag sitzen, nehme ich an.
00:21:54: Und sich ja über die Zeit auch längst wahrscheinlich von ihrem Elternhaus auch ihrem Vater haben abgrenzen können, wie das jeder dann irgendwann im Zuge des Älterwerdens erwachsen werdens ja macht.
00:22:09: Ich bin ganz früh von zu Hause ausgezogen mit ... Ich bin dann erst zu meinen einen Großeltern, dann zu meiner Großmutter.
00:22:18: Ich war da draußen, aber es hing trotzdem wie ein Müllstein an mir, weil ich damit auch nie abgeschlossen hatte.
00:22:25: Wenn man damit nicht abschließt und wenn man es einfach notiv in sich verkräbt, dann bedarf es manchmal nur eines Wortes, eines Namens und dann kommt es wieder nach oben.
00:22:34: Das hat mich manchmal sehr unsouverän werden lassen genauso.
00:22:39: wie ich heute noch, wenn Männer zu viel trinken, das in meiner Gegenwart und übergriffig werden und ihre Hände und ihre Worte nicht mehr unter Kontrolle haben, ich panisch reagiere und ich dann einfach nur den Raum, den Saal, den Ort verlasse.
00:22:58: Sie wussten immer, wie sie aufgewachsen sind, als ältester Sohn eines alkoholkranken, aggressiven Vaters, den sie, und da sind sie ja erst sechs, regelmäßig aus der Kneipe holen müssen, dessen sie sich aber schämen, auch da schon.
00:23:14: Er und ihre Mutter, so beschreiben sie, sind jungen Eltern geworden.
00:23:18: Es war keine Liebesheirat, Zuwendung und Aufmerksamkeit bekommen sie, wenn ich es richtig verstanden habe, allein bei ihrer Großmutter, bei der sie dann Zeit weil ich leben, dann sollen sie da wieder weg dürfen.
00:23:30: Irgendwann wieder hin sind dieses Kind, so habe ich den Eindruck, ohne Halt, kaum bis wenig geliebt, dann ein junger Mann bald, der bemerkt, dass er auf Männer steht und seine Homosexualität aber zu verleugnen versucht, weil das in diesem Umfeld nicht gewünscht ist, Homophob aufgestellt.
00:23:50: Das können wir uns alles vorstellen, spießt sich, gnadenlos.
00:23:54: Und ich staunte dann, Aber Sie haben es jetzt erklärt, dass Sie das weder Ihrem Mann noch Ihren engen Freundinnen und Freunden auch sich selbst dann ja offensichtlich nie groß erzählt haben, wie schwer das war und wie sehr das mutmaßlich auf Ihr Selbstwertgefühl eingezahlt hat, sich darauf ausgewirkt hat.
00:24:15: Wie wohl Sie ja dann eine Person sind, die das Sprechen zum Beruf macht?
00:24:20: Das habe ich gelernt.
00:24:22: Und nochmal, es gibt dieses Dreigestirn, was mich... etwas überhöht formuliert gerettet hat.
00:24:28: Das Dreigestern ist Oma, Schule und Politik.
00:24:32: In der Schule konnte ich mich ausprobieren.
00:24:35: Eine wunderbare Theaterlehrerin, Hallo Malis, wenn du zuhören solltest, die ich heute noch liebe.
00:24:42: Die hat aus dem zögerlichen und zaudernen und verängstigten und introvertierten Jungen jemanden gemacht, der dann auf der Bühne auf einmal, ja, brillieren konnte, sich austoben konnte.
00:24:59: Und in der Politik habe ich dann auf einmal gelernt, dass man es schaffen kann, drei zusammenhängende Sätze zu formulieren und sogar Menschen davon zu überzeugen, dass das, was man sagt, nicht so schlecht ist.
00:25:10: Das war alles Schwerstarbeit.
00:25:12: Aber ich hatte die Chance.
00:25:13: Und das war so wunderbar für mich.
00:25:16: Aber ich wollte mich dann auch mit allem anderen nicht mehr beschäftigen, sondern ich wollte ein anderer werden.
00:25:20: Ein anderer werden.
00:25:21: Und das heißt, ich habe das getan.
00:25:24: wo ich meinte, dass es mich bürgerlicher macht.
00:25:27: Also wir haben ja viele immer im linkssozialistischen Bereich bei den Justus und der SPD zu erklären versucht, wie man den Arbeiter emanzipieren kann.
00:25:37: Ich sagte ihr Profisoren, Sönchen, ihr wisst doch gar nicht, wie eine Arbeiterfamilie tickt.
00:25:41: Ich weiß das aber.
00:25:43: Und ich habe versucht... Also ich war überhaupt nicht stolz darauf, sondern ich hab mich geschämt und ich wollte ein anderer werden und hab schon mit sechzehn angefangen, weiß auch nicht warum, unbedingt den Böll zu lesen.
00:25:55: Ich hab dann Shakespeare gelesen, ich hab mich damit Thomas Bernhard beschäftigt.
00:25:59: Ich bin, als ich in Frankfurt studierte, von einem Theater ins nächste.
00:26:03: Ich hab Wissen in mich aufgesogen, ich hab grampfhaft versucht, mir ... die Hochdeutsche Sprache anzugewinnen, überhaupt nicht in den Verdacht zu geraten, ein Dorfkind zu sein.
00:26:14: Heute bin ich stolz darauf, heute bekenne ich mich dazu, aber damals war das schwer.
00:26:19: Was wir mitbekommen haben, ich habe es eben schon mal gesagt, ist, dass Sie irgendwann öffentlich sagen, dass es Ihnen nicht gut geht, dass Sie eine Auszeit nehmen müssen.
00:26:29: Das mussten Sie insofern auch sagen als das... Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss ist in einer außenpolitisch so aufgeladenen Zeit wie der derzeitigen und auch der damaligen.
00:26:41: Das wäre aufgefallen, wenn sie nicht mehr da gewesen wären.
00:26:44: Aber ich glaube, es bedeutete Ihnen auf was zu sagen.
00:26:47: Moment mal gerade, ich ziehe mich raus.
00:26:50: Was wir da noch nicht wussten, das schreiben Sie in dem Buch ist, dass Sie den ersten echten Zusammenbruch Ende zwanzig, einundzwanzig hatten.
00:26:59: Sie sind da.
00:27:00: Über den Jahreswechsel, zwanzig, einundzwanzig auf zweiundzwanzig auf Mallorca mit ihrem Mann und engen Freund und ihn fehlt die Kraft überhaupt noch irgendetwas zu machen.
00:27:11: Etwa zum Beispiel, wie versprochen, das Sylvestermenü zu kochen, das schaffen sie dann nicht mehr.
00:27:17: stattdessen alternativ sollen sie dann wenigstens den tisch reservieren für die feiergemeinde und auch das kriegen sie nicht mehr hin.
00:27:26: kriegen.
00:27:26: streit mit ihrem mann der das erst mal alles gar nicht versteht und der wahrscheinlich sie auch darauf stroßen will so so unterstelle ich mal sich damit zu beschäftigen was eigentlich mit ihnen los ist und am nächsten morgen dann sagen sie dass sie professionelle Hilfe brauchen.
00:27:45: Was lernen Sie in dieser Therapie nun über sich, was Sie zuvor dann alles verdrängt hatte?
00:27:52: Paar Anhaltspunkte haben wir ja schon gewonnen.
00:27:56: Diesen Satz zu sagen, viel mehr wahnsinnig schwer.
00:27:58: Ich habe das immer von mir her geschoben.
00:28:00: Das stand ja immer wieder im Raum.
00:28:02: Ich wollte das nicht und habe das auch, wenn man das mal in den Raum stellte, brisk, sehr aggressiv abgelehnt.
00:28:09: Deswegen war er auch an dem Silvesterabend so wütend, so aggressiv, so zornig und sagt halt auch, er hätte jetzt die Schnauze voll, so geht das nicht mehr weiter.
00:28:18: Und ich merkte ja auch, so geht es wirklich nicht mehr weiter.
00:28:21: Ich bin jetzt an einem Punkt angelangt, wo ich nicht mehr kann.
00:28:25: Und ich bin dann sehr privilegiert gewesen im Gegensatz zu vielen anderen, weil ich sehr schnell auch eine geeignete Therapeuten fand, die mit mir dann einfach begann, das alles mal auseinanderzunehmen.
00:28:41: Und mir war ja schon klar, ich hatte auch vor Jahren mal eine Therapie abgebrochen, als es dann ums Eingemachte ging.
00:28:48: Der wollte mit mir nämlich auch dann über meine Wurzeln reden, über die Familie und das wollte ich nicht, dann bin ich nicht mehr hingegangen.
00:28:54: Und das war mir klar, das kommt jetzt.
00:28:57: Das gehört dir auch dazu.
00:28:58: Ich muss darüber reden, damit man, warum bin ich so ein... Fluchttier.
00:29:02: Warum steig ich manchmal in jeden Boxring?
00:29:07: Warum komme ich mit Konflikten, die Systememannienzen, die Teil des politischen Geschäfts sind?
00:29:13: So wenig klar.
00:29:14: Und warum verdammt nochmal brauche ich diese Anerkennung, wo ich doch weiß, dass es richtig ist, was ich mache.
00:29:21: Denn wenige Wochen, Monate später wurde genau das, was ich früher einforderte, ja zur Politik der Bundesregierung erkohren.
00:29:28: Also ich hätte da mit ein bisschen mehr Selbstbewusstsein eigentlich Keck und freudig durch die politische Manege reiten können, ging aber nicht.
00:29:37: So, und dann folgte das.
00:29:39: Das war Schwerstarbeit.
00:29:41: Schwerstarbeit, sich dem zu stellen?
00:29:43: Ja,
00:29:44: also wirklich.
00:29:45: Ich bin dann auch... Ich habe alle Tricks angewendet.
00:29:50: Dann bin ich mal nicht hin, hab mich krank gemeldet und hab gesagt, ich möchte aber jetzt darüber nicht reden.
00:29:55: Aber sie ist da behaulich bei der Sache geblieben und hat mich auf den Topf gesetzt und dann ging es auch.
00:30:02: Und jetzt bin ich in der Lage, darüber zu sprechen, nicht beschämt, auch nicht verängstigt, sondern ich... weiß, dass es auch anderen Menschen so geht und dass insbesondere Männer ein massives Problem haben, da Gefühle auch zu zeigen.
00:30:20: Und dass sie sich mit einem noch dickeren Pelz schützen, zu schützen versuchen, aber kein Pelz, kein Fell ist so dick, als dass es dir hilft, das vor dir selber und vor anderen zu verbergen.
00:30:35: Das macht dich nur zu einem schlechten und falschen Menschen.
00:30:40: Ende.
00:30:41: Zwanzig.
00:30:41: Einundzwanzig.
00:30:42: Zweiundzwanzig sind wir also gerade.
00:30:44: Die SPD hat zur Überraschung aller, außer wahrscheinlich zur Überraschung von Olaf Scholz die Wahl gewonnen.
00:30:50: Sie stellt den Kanzler.
00:30:51: Sie sind, obwohl sie darauf gehofft haben, kein Minister geworden.
00:30:55: Aber sie werden Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und sind das auch als Putin.
00:31:01: dann kurz drauf, am vierundzwanzigsten Februar, zweiundzwanzig, sein vollumfänglichen Krieg auf die Ukraine beginnt.
00:31:10: Ein Krieg auf europäischem Boden.
00:31:13: Ein Wahnsinn, ein Zivilisationsbruch.
00:31:16: Die deutsche Außenpolitik ist gefordert, wie selten vielleicht nie zuvor.
00:31:20: Der Kanzler hält seine Zeitenwänderede.
00:31:23: Sie sind beeindruckt.
00:31:24: Sie erwarten Großes.
00:31:26: Allein es zeigt sich bald, dass Sie und Ihre Haltung, nämlich die Ukraine, mit möglichst vielen Waffen und Material zu unterstützen, dass das bei Leiben nicht die Haltung aller in Ihrer Partei und Ihrer Fraktion ist.
00:31:41: Das Ergebnis ist, sie isolieren sich immer mehr, was auf ihrem psychischen Zustand, ihrer Erkrankung, so schreiben sie, wie ein brandbeschleuniger einzahlt.
00:31:52: Was meinen Sie damit?
00:31:55: Ich weiß noch, als ich gewählt wurde zum Ausschussvorsitzenden, sagt ich meinen Team, jetzt müssen wir richtig büffeln.
00:32:04: Ich bin Experte in Europa, Osteuropa, transatlantische Beziehung.
00:32:08: Ich bin so sehr westlich orientiert.
00:32:11: jetzt von den Werten her, aber Lateinamerika, der asiatische Bereich mit Ausnahme China, Afrika, da muss ich ganz viel büffeln.
00:32:20: Da fehlt es mir.
00:32:21: Und dann brach der Krieg aus.
00:32:23: Und das war natürlich das Thema, was mich ja seit Jahren umtrieb, weil ich mich immer fragte, wie weit geht der russische Imperialismus?
00:32:30: Was tut er noch?
00:32:32: Und ich hab das immer für möglich gehalten, weil ich ihn, wo ich ihn noch mal ernst genommen habe, dass er zur Mittel des Kriegs greift, zu einem großen, brutalen, verheerenden, vernichtenden Krieg.
00:32:42: Und das ist ja dann auch geschehen.
00:32:43: Das hat mich dann vielleicht weniger überrascht als andere.
00:32:48: Ja, und ...
00:32:49: Der Brandbeschleuniger?
00:32:51: Der Brandbeschleuniger war es, weil ich merkte, dass das, was ich für richtig hielt, auf harten Widerstand stehe.
00:33:03: Und noch einmal, Widerstände in der Politik und das Normalste in der Welt.
00:33:08: Ich war es gewohnt, mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten, die immer wieder auch mal was fordern, was nicht im Mainz zu Mainz brücht.
00:33:15: Bürgergeld erhöhen.
00:33:18: noch mehr Drogen legalisieren, beim Klimaschutz ambitionierter werden.
00:33:23: Und da wurde das auch immer mehr oder weniger gedeckt und unterstützt.
00:33:29: Ja, das ist eine Einzelstimme, aber das ist in Ordnung.
00:33:32: Das ist auch sozialdemokratisch.
00:33:33: Und bei mir hatte ich von Anfang an den Eindruck, dass das Menschen Triggert, dass es sie wütend macht, dass sie sich in ihrer eigenen Integrität und in ihren eigenen politischen Überzeugungen attackiert fühlen.
00:33:47: von mir.
00:33:48: Und ich wollte es nie zu einer persönlichen Angelegenheit machen.
00:33:52: Deswegen habe ich ja auch manchmal mit meiner Freundin Marie Agnes Strackzimmermann oder mit Toni Hofreiter gehadert, weil sie natürlich den Kanzler Und ich habe gesagt, ich bin hart in der Sache.
00:34:04: Aber ich will das nicht alles im Kanzleramt abladen, weil unser Feind, der sitzt nicht im Kanzleramt, der sitzt im Kreml.
00:34:10: Und um den geht es ja.
00:34:12: Da hatten wir auch manchmal schon so unseren Klinsch.
00:34:14: Aber es wurde dann doch zu einer sehr stark persönlichen Sache, weil damals die Haltung der SPD war, wer sich kritisch gegenüber der Position des Kanzlers äußert, ist e-loyal.
00:34:25: Und das wurde mir sehr deutlich gemacht.
00:34:27: und dass ich eigentlich nur so ein Profilneurotiker bin, der sich jetzt mit dem Thema russischer Vernichtungskrieg gegen die Ukraine profilieren möchte.
00:34:36: Das hatte ich wirklich nicht nötig.
00:34:37: Ich war davon überzeugt, das Richtige zu tun und ich sah mich dann so als Antreiber.
00:34:41: Aber das Gefühl einigen so überhaupt nicht.
00:34:45: Und das war der Brandbeschleuniger.
00:34:48: Ich war auf eine Grund-Solidarität meiner Piergruppe, meiner Fraktion meiner Partei angewiesen.
00:34:56: Und das Schlimmste waren eigentlich die sogenannten Kantinenfreundinnen und Freunde, die in der Kantine auf den Fluren auf mich zukamen und dann Michael, gut, dass du das sagst, wir sehen das ähnlich.
00:35:09: Und ich habe mich dann immer verwundert, umgedreht und gesagt, dann sagt es doch auch mal, weil ja führende Leute in der Fraktion behaupteten, der Rot ist komplett isoliert.
00:35:19: Also man hat mich im Prinzip zu einem politischen Außenseite abgestempelt, der ich aber nie war.
00:35:25: Ich habe ja auch viele positive Rückmeldungen bekommen und nicht nur den Vorwurf, ich sei ein erbärmlicher Kriegstreiber.
00:35:30: In der SPD gab es vor allem viele Jüngere, die gesagt haben, gut, dass du da bist, gut, dass du das machst.
00:35:35: Und am Ende, wie gesagt, sind die Entscheidungen ja auch getroffen worden, teilweise sehr, sehr spät, aber sie sind getroffen worden.
00:35:41: Und ich konnte ja dann auch dankbar sagen, Mensch, hat ein bisschen gedauert, aber jetzt wird es gemacht.
00:35:49: Was wir alle mitbekommen haben, und da geht es los, so glaube ich, dass sie im April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April, April.
00:36:16: Das alles nimmt Sie schon mit.
00:36:18: Beschreiben Sie im Buch.
00:36:19: Wir erinnern uns gerade, Sie haben diesen Moment gehabt, in dem Sie zusammengebrochen sind, um den Jahreswechsel.
00:36:26: Sie begeben sich in Therapie.
00:36:28: Sie können eigentlich nicht mehr.
00:36:29: Nun muten Sie sich das noch zu.
00:36:32: oder schauen Sie sich das an, was ja jeden, glaube ich, beeindruckt, der da einmal war.
00:36:38: Sie machen ... Lernen kennen Kriegsversehrte, die sie in einem Krankenhaus besuchen.
00:36:43: Das macht was mit ihnen Angehörige.
00:36:46: Nehmen sie in den Arm.
00:36:47: Aber was sie unvorbereitet trifft, bei diesem Besuch ist wie Rolf Mütz nicht.
00:36:54: Der Fraktionsvorsitzende der SPD reagiert.
00:36:57: Und man muss dazu sagen, dass sie ... Rolf Mütze nicht, genauso wenig wie ihren Mann.
00:37:04: Sie hatten ihn nicht informiert.
00:37:05: Sie reisten aber auch nicht im Auftrag der Fraktion.
00:37:09: Sie mussten den nicht zwingend informieren, ihren Mann.
00:37:11: Darüber hätten wir streiten können.
00:37:13: Das holen sie aber nach.
00:37:14: Und was auch nicht klar sein konnte, logisch, weil das passiert zeitgleich.
00:37:19: Sie konnten nicht wissen, dass, als sie schon auf der Reise sind, bekannt wird, dass der Bundespräsident, Frank-Walter Steinmeier, wegen seiner Russland-Politik in der Ukraine jetzt nicht erwünscht ist.
00:37:32: All das passiert also zeitgleich, derweil sie da unterwegs sind.
00:37:36: Und ich würde jetzt gerne eine Stelle aus dem Buch mal vorlesen, weil man da sehr, sehr gut, glaube ich, noch mal versteht, was hier unter Brandbeschleuniger meint und weil man ganz viel erfährt darüber, was in einem deutschen Parlament so los sein kann.
00:37:51: Nicht zuletzt, in dem Fall in der Fraktion der SPD, also zitiere ich.
00:37:55: Noch während wir in Leville die Wunden des Krieges berührten, formierte sich im Berlin bereits der politische Gegenwind.
00:38:02: Die schärfste Attacke kam ausgerechnet von jener Seite, von der ich eigentlich Rückendeckung erwartet hätte.
00:38:09: SPD-Fraktion Chef Rolf Mützenich.
00:38:12: Damit hatte ich nicht gerechnet, zumal ich vorab nicht nur das Bundespräsidialamt und das Auswärtige Amt, sondern auch den SPD-Vorsitzenden Lars Klingball informiert hatte.
00:38:22: Die Reise war erst am Freitag zuvor vom Bundestag Präsidium genehmigt worden.
00:38:26: Ich reiste für den Deutschen Bundestag und nicht im Auftrag meiner Fraktion.
00:38:31: Dennoch war es ein Fehler, Mützen nicht vorab informiert zu haben.
00:38:35: In deutlichen Worten warf er mehr in einer SMS vor, mich gegenüber dem ausgeladenen Bundespräsidenten illoyal verhalten zu haben.
00:38:44: Da ist es wieder.
00:38:46: Ich war fort.
00:38:47: Er sah meine Reise gleich in doppelter Hinsicht als schädlich an.
00:38:51: Vermutlich meinte er damit, dass sich nicht nur dem Bundespräsidenten, sondern auch dem Bundeskanzler und meiner SPD in den Rücken gefallen sei.
00:38:59: Angeblich seien die SPD-Abgeordneten außer sich über meinen vermeintlichen Ego-Trip in die Ukraine.
00:39:06: Die Vorwürfe liefen darauf hinaus, ich würde Kriegstourismus betreiben und sei profilierungssüchtig.
00:39:11: Damit kam ich noch klar, was ich hingegen nicht mehr hinzunehmen bereit war, war die bösartige Unterstellung, wir seien zu emotionalem Umgang mit der Ukraine.
00:39:22: Emotionalität wurde dabei ganz bewusst in einen Gegensatz zu viel gepriesenen Besonnenheit des Kanzlers gestellt.
00:39:30: Wann, wenn nicht bei Fragen von Krieg und Frieden, sind Emotionen gefragt?
00:39:34: Die Bekundung von Empathie und Solidarität schaltet ja nicht die Hirnfunktionen und den Verstand aus.
00:39:40: Der Vorwurf der Emotionalität von der eigenen Fraktionsspitze traf mich auch deshalb so hart, weil man dort wusste, dass ich wegen meiner psychischen Erkrankung in Behandlung war.
00:39:52: Ich fühlte mich an Frauen erinnert, die von Männern der Hysterie geziehen werden, wenn sie es wagen, deutlich Kritik zu üben.
00:39:58: Die Reise nahm ich sehr mit, ich hatte mein Limit überschritten.
00:40:02: Ich fühlte mich in einem permanenten Rechtsfertigungsmodus.
00:40:06: Das kostete mich sehr viel Kraft, die ich aber gar nicht mehr hatte.
00:40:10: Völlig übernächtigt und erschöpft kehrte ich nach Berlin zurück und badlas Klingbeilum ein Gespräch.
00:40:16: Ich berichtete ihm von der Reaktion Mützenichs.
00:40:20: und bot ihm an, um des lieben Friedens willen, meine Mitgliedschaft im Präsidium der SPD und den Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses niederzulegen.
00:40:29: Ich wollte meiner Partei nicht zur Last fallen, aber auch keine Konzessionen machen, die ich mit meiner persönlichen Überzeugung nicht in über einen Stimmung bringen könnte.
00:40:39: Klingbein meinte, ich solle nichts überstürzen und nochmal drüber schlafen.
00:40:44: Solidarität sah für mich anders aus, aber vermutlich erwartete ich schlicht zu viel.
00:40:49: Zitateende.
00:40:51: Sie schreiben dann nicht, was das drüber Schlafen gebracht hat.
00:40:54: Tatsache ist aber, sie bleiben Vorsitzender.
00:40:58: Warum?
00:41:03: Ich gebe zu, dass ich mir damals so einen gewissen Zuspruch gewünscht hätte.
00:41:12: Das war gut, dass du das gemacht hast.
00:41:15: Das können derzeit noch nicht alle so sehen.
00:41:19: Aber ich kann das gut verstehen und mach dir nichts draus.
00:41:25: Nimm es nicht persönlich.
00:41:26: Das war naiv, das zu erwarten, weil ich ahnte damals vielleicht nicht genug, wie stark auch die Abhängigkeiten eines Parteivorsitzenden sind von einem Fraktionsvorsitzenden, der dafür zu sorgen hat, dass die Mehrheiten stehen, auch gegenüber dem Kanzler, in einer so schwierigen Frage.
00:41:49: Ach Frau Will, ich habe es da nicht gemacht.
00:41:55: weil ich in meinem Umfeld niemanden traf, der mir zurieht es zu tun.
00:42:00: Es war eigentlich nur, das war so eine Reaktion aus einer unendlichen Lehrer- und Müdigkeit heraus.
00:42:06: Ich wollte meine Ruhe haben.
00:42:09: Ich wollte für die Ukraine kämpfen.
00:42:12: Und ich wollte mit Menschen, die sich ernsthaft... und legitimerweise Sorgen machen über diesen Krieg.
00:42:18: Auch in Deutschland.
00:42:18: Mit denen wollte ich reden, aber ich wollte meine Zeit nicht permanent vergeuden.
00:42:23: Mit Menschen, die es doch eigentlich wissen müssten, die doch auch so wie ich Profis sind.
00:42:27: Das hat mich einfach ... Das hat mich zu viel Energie gekostet.
00:42:32: Und das war so eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So
00:42:42: eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... So eine ... Ehrlich gesagt, aber warum sollten sie das auch tun?
00:42:47: Ich finde auch die Reaktion vielleicht ist sie wohl meinen von Lars Klingbeier, dass er sagt, schlafe erst mal drüber, weil man genau nie aus der Erregung eines Moments solche Entscheidungen treffen sollten, die eine große Tragweite auch für das eigene Leben, die politisch Karriere und alles haben.
00:43:07: Gleichwohl... hätte Klingbal, der ja dabei war, die SPD und deren Russlandpolitik neu aufzustellen, hätte auch die Chance sehen können, die es bedeutete, dass der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses mit der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses mit.
00:43:24: Also das war ja alles tip top aufgegleist in die Ukraine fährt auf Einladung des ukrainischen Parlaments und sich kundig macht, sich reinfindet.
00:43:34: Und klar, dann kam der Umstand hinzu, dass der Bundespräsident gerade ausgeladen wurde.
00:43:39: Aber Klingbein wusste doch und musste auch da schon wissen, dass auch Steinmeier seine Russlandpolitik überdenken muss.
00:43:47: Das konnte er jetzt alles nicht so bleiben.
00:43:49: Der Kanzler hatte gesagt, wir erleben eine Zeitenwende, sprich, dann kann nachher nicht alles sein wie vorher.
00:43:55: Da lag ja auch eine Chance, und ich verstehe Ihre Enttäuschung, ich finde den Umgang unsäglich, ehrlich gesagt, der Ihnen da widerfährt.
00:44:03: Und man denkt, das sind ja eigentlich Parteifreundinnen und Freunde, aber nichts davon spürt
00:44:08: man.
00:44:09: Ich kann mir schon vorstellen, dass einige Hörerinnen und Hörer sie sagen, das ist mir jetzt zu viel rot und zu wenig geht es hier um die Sache.
00:44:17: Ja.
00:44:20: Das mag so sein.
00:44:22: Aber ich brauchte ja zumindest einen gewissen Rückhalt für mein Handeln.
00:44:27: Und dann habe ich mir überlegt, ob man mal Sympathie hin, Sympathie her und mal losgelöst von dem Mensch, dem Politiker, dem Kollegen Michael Roth nicht einfach auch mal taktisch und strategisch daran gehen könnte.
00:44:45: Und sagen könnte, wir sind eine linke Fox-Partei.
00:44:48: Wir ringen um den richtigen Weg.
00:44:49: Wir haben einen Kanzler, der mit seiner Zeitenwende rede, viele mutige Schritte aufgezeigt hat.
00:44:56: Wir haben Menschen, die da sehr zurückhalten sind, die werden von Rolf Mützenich repräsentiert.
00:45:04: Der gibt denen eine Stimme und er gibt den Orientierung.
00:45:09: Es gibt aber auch andere in der SPD, genauso wie in unserer Bevölkerung, und die werden vielleicht auch von Michael Roth und von anderen in der SPD vertreten.
00:45:18: Und auch die brauchen wir ja in der SPD, zumal es ja viele Jüngere waren.
00:45:23: Und diesen taktisch-strategischen Ansatz, Roth, wir finden deiner Art nicht unbedingt gut, aber es ist gut, dass wir dich in der SPD haben.
00:45:33: Das hätte ich zumindest erwartet, aber offenkundig war das alles so überlagert von Enttäuschung und von Verwirrtheit, dass man so sachlich, taktisch, strategisch gar nicht mehr auf diese Fragen zu blicken vermochte.
00:45:51: Und das hat mich geärgert, ja.
00:45:53: Ich finde es auch schwach von den anderen Kolleginnen und Kollegen, die sie da genannt haben, jetzt ja nicht namentlich anders als Mützen nicht, denen sie namentlich auch nennen und dafür Ja, verantwortlich machen, wie er sich da verhält.
00:46:07: Er grüßt sie dann bald nicht mehr, ob schon Räufmütze nicht dafür bekannt ist, dass er alle grüßt.
00:46:14: So, das wird immer eisiger, die Stimmung in der Fraktion.
00:46:17: Ich verstehe das nicht.
00:46:18: Das sind ja ausgewachsene Abgeordnete.
00:46:20: Die müssten ja eine Haltung in der Frage haben und die könnte genauso sein, wie sie es beschreiben.
00:46:25: Das traf ja auch viele Bundesbürgerinnen und Bundesbürger, dass man sich ein neues Bild von der von dem aggressiven imperialistischen Tun dieses Vladimir Putin machte.
00:46:38: Und man nach und nach es verstand, wir sind da nach Chimera aufgesessen.
00:46:45: Ganz lange hat man immer noch gedacht, wir können billigste Energie aus Russland beziehen.
00:46:51: Das geht sich dann gut aus.
00:46:53: Da hat man eine Art von Friedensdividende.
00:46:56: Wandel durch Handel, Wandel durch Verflechtung, wie es Steinmeier nannte.
00:47:00: Das wird schon irgendwie funktionieren.
00:47:02: So, das ist ja alles zulässig, dass sich eine ganze Nation vertreten durch ihre Repräsentanten im Bundestag und sei es in der SPD-Fraktion Gedanken macht.
00:47:12: Zumal wir ja alle uns von Gewissheiten verabschieden konnten.
00:47:17: Auch ich habe das nicht alles so vorher gesehen.
00:47:20: Auch ich war ... über einen längeren Zeitraum noch davon überzeugt, dass Nord Stream II eigentlich was Gutes sein konnte.
00:47:28: Ich bin aber erst dann auf einen anderen Trichter gekommen, als meine von mir sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen nicht nur in Mittel-Osteuropa mir aufzeigten, was es eigentlich für sie bedeutete.
00:47:39: Und ich fand diesen deutschen Egotrip schrecklich, weil wir hatten ja schon während der Finanzkrise in Europa vor allem gegenüber den mediterranen Ländern Griechenland, Spanien, viel Vertrauen zerstört, Italien.
00:47:51: Und jetzt legten wir uns auch noch mit den mittelosteuropäischen Ländern an, weil die sagten, jetzt habt ihr wieder einen Egotrip.
00:47:58: Und es geht euch nur um euer eurer eigene Industrie, um eure eigenen Wirtschaftsinteressen.
00:48:03: Denkt doch auch mal unsere Interessen mit.
00:48:06: Das bekam ich von denen.
00:48:08: sehr sehr klar und dick und fett aufs butterbrot geschmiert.
00:48:11: das habe ich natürlich mit nach hause gebracht aber in berlin wollte das niemand so richtig hören.
00:48:16: da sind sie noch staatsminister im auswärtigen amt und haben diese handlichen sprechzettel glaube ich dabei mit denen sie dann besonders gut verteidigen sollen, wie es sein kann, dass Deutschland nach der Annexion der Krim und des Donbass auf die Idee kommt, auch noch eine zweite Ostsee-Pipeline, nämlich Nordstream II, zu bauen.
00:48:39: Sie spüren da eine Unkultur der Angst im auswertigen Amt, auch irgendwann, nachdem sie da eine Weile gehadert, aber auch liebt, die Sprechzettel erst mal vorgetragen haben, dann hören Sie damit auf.
00:48:52: Ich hab das dann nicht mehr gemacht.
00:48:54: weil ich halt den anderen zugehört habe und die lieferten mir Argumente, die mich überzeugten.
00:49:00: Und ich bin dann wieder nach Berlin und habe dann gegenüber den Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Amtes, vor allem aber auch in der SPD, auch gegenüber dem Kanzleramt deutlich gemacht.
00:49:12: Leute, wir schlittern hier in eine Situation, die uns nicht gut tut.
00:49:18: Da braut sich etwas zusammen, weil der Fanclub Nord Stream II besteht eigentlich nur aus Deutschland und Österreich.
00:49:26: Das ist nicht genug.
00:49:29: Und
00:49:29: die Stimmung wird zusehends schlechter.
00:49:34: Aber da habe ich mich nicht durchsetzen können.
00:49:36: Ich war auch nicht in der Position, weil es da ausnahmsweise mal eine ganz enge Übereinstimmung gab zwischen Merkel, Kanzleramt, Wirtschaftsministerium, dem auswertigen Amt.
00:49:49: Vor allem auch die Energiepolitiker fanden das alle wichtig, also von Jürgen Trittin bis zu den Energiepolitikern der SPD, weil sie alle sagen, wir brauchen verdammt noch mal für diese Anbieter der Energiewende eine Übergangsenergie.
00:50:02: Und das ist das Gas und das ist das preisgünstige, leicht zulieferende russische Gas.
00:50:08: Das brauchen wir dringend, sonst kriegen wir das hier mit der Energiewende und mit dem Meer an Klimaschutz nicht hin.
00:50:13: Das sind ja auch, muss man sagen, die alten Gewissheiten, von denen Sie da in dem Text-Teil schreiben, den ich eben vorgelesen habe, die alten Gewissheiten, die wir alle hatten und die wir alle nur zögerlich in Frage gestellt haben.
00:50:29: Da habe ich mich auch ein bisschen ertappt gefühlt bei, die uns über Russland auch denken lassen, als hätten wir die alte Sowjetunion vor uns und vergessen darüber, dass wahrscheinlich die Ukraine eines, dass sie eine Eigenstaatlichkeit längst behauptet hat, dass wir uns damit mal mehr auseinandersetzen sollte.
00:50:51: Das ist alles gar nicht so geschehen und war auch, weiß ich auch aus meiner Talkschutzzeit, muss ich sagen, auch nicht das, was üblicherweise in den deutschen Medien so erzählt.
00:51:04: ja, problematisiert worden ist.
00:51:06: Das müssen wir alle vor uns zugeben, dass wir es nicht richtig eingeschätzt haben.
00:51:10: Wir haben diesen Staaten, die um ihre Freiheit und ihre Selbstbestimmung gekämpft haben im östlichen Europa, nur eine eingeschränkte Souveränität zugewiesen.
00:51:20: Ja, sie sind Souveräen, solange sie nicht gegen die russischen Interessen verstoßen.
00:51:25: Und irgendwann passt er das nicht mehr, weil Russland auf dem Weg in eine Diktatur war, Und die anderen Staaten auf dem Weg waren zu liberalen Demokratien, zu Rechtsstaaten.
00:51:37: All den damit einhergehenden Geburtsschmerzen und Problemen und Schwierigkeiten auch rückschritten.
00:51:43: Das passte nicht mehr.
00:51:45: Aber die herrschende Auffassung in Deutschland war, das ist die Einflusssphäre von Herrn Putin und da haben wir uns nur begrenzt einzumischen.
00:51:51: Und es ist im Übrigen ja heute noch eine herrschende Auffassung, wenn ich mir mal das vor Augen führe, was Leute aus der AfD, BSW, auch Teile der Linken sagen.
00:52:01: Das ist aber nicht meine Vorstellung von Demokratie und von Partnerschaft gegenüber Ländern, die nun mal souverän sind.
00:52:08: Das sind nicht die Anhängse Russlands.
00:52:11: Wir hängen Politik und Angst zusammen.
00:52:13: Darüber will ich ja in dieser Folge mit Ihnen nachdenken und will deshalb noch mal einmal schauen darauf, was auch in dem Ausschnitt vorkommt, den ich vorgelesen habe, dass man Ihnen vorwirft, zu emotional zu sein.
00:52:26: Passt es dann also doch nicht in den Politikbetrieb, wenn man Ängste zugibt?
00:52:33: Ich finde das sehr, sehr menschlich, wenn man sagt, ja, auch ich habe Angst vor Atombomben.
00:52:40: Ich habe Angst davor, dass wir irgendwann in einen furchtbaren Krieg dessen Ende wir nicht sehen hinein gezogen werden.
00:52:51: Aber diese Angst, die darf nicht dazu führen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das, was wir, wovor wir uns Sorgen machen, wovor wir Angst haben, eintritt, wahrscheinlicher wird.
00:53:03: Also müssen wir jetzt das Richtige tun und das heißt uns gegenüber dieser uns Angstmachenden Macht zu wappnen.
00:53:13: Wir müssen die Ukraine ertüchtigen, wir müssen uns selber wehhafter machen und wir dürfen nicht ständig diesen Angstschweiß ausströmen, der natürlich im Kreml dazu führt, dass die sich in die Hände reiben und sich freuen.
00:53:29: Weil ein schwacher, gespaltener Westen ist ja genau das, was ihrem Narrativ entspricht, die liberale Demokratie aus deren Sicht.
00:53:38: ist nicht Krisenbewert.
00:53:39: Sie ist nicht in der Lage, den Bewährungsproben des XXI.
00:53:43: Jahrhunderts gerecht zu werden.
00:53:44: Das sind alles dekadente, deformierte Entwicklungen, schwache Personen, schwache Strukturen.
00:53:53: Und deswegen ist nur der Weg hin zu mehr völkischem Denken, Autoritarismus, einer der den Menschen Sicherheit, Ordnung und auch einen gewissen Wohlstand zu sichern vermag.
00:54:03: Wie schauen Sie mit all dem, was wir jetzt schon von Ihnen wissen und jetzt nochmal neu und auch genauer verstanden haben, jetzt auf das, was sich gerade außenpolitisch tut?
00:54:12: Wir zeichnen am Nachmittag des XXIII.
00:54:14: September auf die NATO-Ringd, um eine Haltung gegenüber den Verletzungen zunächst des polnischen Luftraums durch neunzehn russische Drohnen, die da über sechs Stunden rumfliegen und es irgendwann abgedrängt werden können.
00:54:28: Zehn Tage später sind drei bemannte russische Kampfjets zwölf Minuten lang in den estnischen Luftraum eingedrungen.
00:54:37: Und man fragt sich, wie lange schaut sich die NATO das eigentlich noch an?
00:54:40: Heute hat der NATO-Rat nun in einer Stellungnahme klargemacht, die NATO werde, Zitat, alle notwendigen militärischen und nicht militärischen Mittel einsetzen, um uns zu verteidigen und alle Bedrohungen aus allen Richtungen abzuwehren.
00:54:56: Zitat Ende.
00:54:57: Das heißt, Künftig könnten nicht nur drohen, sondern eben auch russische Flugzeuge abgeschossen werden, um eine Bedrohung des Bündnisgebietes auszuschließen.
00:55:06: Das heißt aber eben auch, und da waren wir gerade, in Folge könnte es zu einer direkten militärischen Konfrontation zwischen der NATO und Russland kommen.
00:55:17: Das macht sehr vielen Menschen Angst.
00:55:20: Ist es dennoch eine gute Entscheidung aus ihrer Sicht, die der NATO-Rater trifft und sagt, im Zweifel auch abschießen?
00:55:28: Es ist so frustrierend, immer wieder zu erleben, dass es Menschen gibt, die an das Gute in Putin und an das Gute im russischen Regime glauben, mit dem sie meinen, das könnte doch wirklich ein Versehen gewesen sein oder ein technischer Defekt.
00:55:44: Sagt Donald Trump auch?
00:55:46: Nein, das ist eine ganz bewusste Provokation, um zu testen, wie die NATO, wie Europa mit solchen in akzeptablen Grenzüberschreitungen umgeht.
00:56:01: Wie sind wir überhaupt gerüstet?
00:56:02: Da muss man ganz offen sagen, wir in Deutschland sind für solche... Fälle überhaupt nicht gerüstet, zumal wir gar keine eigenen Drohnen haben, die wir kurzfristig einsetzen könnten.
00:56:13: Wir können ja nicht mit den großen Flugzeugen jetzt da versuchen, die Drohnen da abzuschießen.
00:56:17: Die Ukrainerinnen und Ukrainer lachen uns ja aus, weil sie das ja nun seit Jahren tun müssen, um ihre Städte, um Menschenleben zu schützen, die ja fast täglich attackiert werden von diesen Drohnen.
00:56:28: Das ist ja die neue Form des Kriegs, der ja auch so viele Opfer erfordert.
00:56:34: Aber sie können sich eben schützen, wir könnten das nicht.
00:56:38: Und diese Debatte, diese lange kontroverse Debatte, was dürfen wir, sollen wir eskalieren, ist ja genau das, was Putin will.
00:56:48: Putin will den Westen als schwach darstellen, als uneins darstellen.
00:56:53: Wir können doch nicht allen Ernstes ausschließen, dass natürlich auch wir alle Mittel anwenden.
00:57:00: die uns zur Verfügung stehen.
00:57:01: Und das muss dann auch in letzter Konsequenz heißen können, dass wir Flugzeuge abschießen.
00:57:08: Und noch einmal, ich bin ja nicht jemand, der für Bewaffnung eintritt, für Wehrhaftigkeit eintritt und für allen möglichen Abschuss eintritt, weil ich das gut finde, ganz im Gegenteil.
00:57:19: Diese Drohungen sollen aber dazu führen, dass Putin sein Handeln verändert.
00:57:25: Da sagt, ich höre jetzt auf mit diesen Bedrohungen, weil der politische Preis, den ich zu zahlen habe, dann möglicherweise zu hoch ist.
00:57:34: Er hat das ja auch mit anderen Staaten getan.
00:57:36: Wird ja immer wieder auch das Beispiel herangeführt, dass Erdogan dann einfach ein Flugzeug abgeschossen hat, dann passierte das nie wieder.
00:57:42: Es passierte
00:57:43: nie wieder.
00:57:43: Das finde ich auch so interessant daran, ja.
00:57:46: Ich bin kein Heißsporn.
00:57:48: Ich will nur, dass wir ganz cool ... Putin sagen, das machst du nicht nochmal.
00:57:56: Und wir wollen hier keine Eskalation.
00:57:58: Aber wenn du derart Regeln, auf die wir uns alle verständigt haben, brichst, dann musst du dann auch mit den Konsequenzen leben und dann kannst du nicht dann anschließend dich möglicherweise auch vor dem UN-Sicherheitsrat beschweren.
00:58:12: Der Westen, NATO-Länder hätten zu einer Eskalation beigetragen.
00:58:16: Nein, der Einzige, der hier eskaliert, ist Putin.
00:58:20: Und natürlich weiß ich, dass Menschen sich Angst, dass Menschen Sorgen haben, sich Angst machen.
00:58:24: Aber deshalb ist es ja umso wichtiger, dass wir als Politikerinnen und Politiker auch an einer Kommunikation arbeiten, die die Ängste ernst nimmt, aber die daraus nicht Ängste verstärkt, sondern die Ängste dann auch in konstruktive Bahnen lenkt und sagt, ja, das ist eine ganz, ganz gefährliche Situation.
00:58:43: Aber ihr könnt euch darauf verlassen, dass wir richtig reagieren und das am Ende.
00:58:48: Putin weiß, diesen Rubikon, den darf er nicht überschreiten, er darf uns nicht angreifen, denn das wäre aus seiner Sicht mit unkalkulierbaren Risiken verbunden.
00:59:01: Wie kommuniziert man das aber so?
00:59:04: Und der Versuch, der jetzt seit Langem gemacht, wir sprechen von dem vollumfänglichen Angriffskrieg, der auch schon dreieinhalb Jahre dauert, immer wieder waren wir in diesen Situationen, dass man überlegt hat, oh Gott, oh Gott, wie reagiert Putin jetzt, wenn das und das Waffensystem geliefert wird?
00:59:20: Es ist bislang immer so ausgegangen.
00:59:22: dass nicht wir Opfer geworden sind, aber die Ukraine weiterhin unter einem dann auch immer weiteranwachsenden Beschuss blieb.
00:59:32: Also wie kann man denn als Politikerin, als Politiker eine derartige Situation, die an Irrationalität ja eigentlich gar nicht zu überbieten ist, so kommunizieren, dass sie nicht noch zusätzliche Angst macht zu dem, was daran per se schon ängstigend ist?
00:59:51: Also nicht die Fehler auch des Bundestagswahlkampfes wiederholen, wo ja der Bundeskanzler damals Olaf Scholz und die SPD einen Wahlkampf geführt haben, das nur sie mit ihrer besonnenen Art dazu beitragen, den Frieden zu sichern.
01:00:07: Also das habe ich für falsch gehalten, weil am Ende... Es geht die Kriegsgefahr nicht von der CDU oder von den Grünen aus oder von der FDP aus, sie geht von Putin aus.
01:00:20: Und da brauchen wir auch ein hohes Maß an Geschlossenheit.
01:00:24: Inzwischen wissen wir auch, dass der neue Bundeskanzler März nicht allen Worten Taten folgen lässt, denn er wollte ja unbedingt auch den Taurus als weitreichende Waffe einsetzen, damit die Ukraine nicht irgendwelche Drohnen abschießt, sondern schon dafür sorgen kann, dass die Drohnen gar nicht produziert werden, indem die... Fabriken zerstört werden, indem die Flugzeuge zerstört werden, die diese Drohnen oder auch Raketen irgendwo hin transportieren.
01:00:52: Das ist ja bislang immer noch nicht der Fall, weil auch jetzt der Bundeskanzler genauso wie sein Vorgänger das ablehnt.
01:00:58: Das Wichtigste scheint mir erst einmal zu sein, dass wir den Menschen deutlich machen, wir befinden uns hier in einem ganz schweren Dilemma.
01:01:14: Aber Das werfe ich mir auch selber vor, dass ich das nicht gut genug gemacht habe.
01:01:18: Wir haben hier keinen Gegensatz von Friedensfreunden und Freunden und Kriegstreiberinnen und Treibern.
01:01:25: Wir alle wollen einen Frieden.
01:01:27: Wir wollen aber einen gerechten Frieden, der am Ende der Ukraine die Selbstbestimmung lässt.
01:01:31: Wir wollen einen Frieden, der dafür sorgt, dass wir nicht wieder Angst haben müssen, weil möglicherweise, nachdem die Ukraine erobert wurde, ein anderes Land, was mal zur Sowjetunion gehörte, von Russland erobert wird, attackiert wird.
01:01:44: Wir wollen also einen dauerhaften Frieden.
01:01:46: Das hätten wir am Anfang deutlicher machen müssen.
01:01:48: Dann wäre es auch nicht zu diesem Gegensatz gekommen, die den Frieden wollen, gegen diejenigen, die den Krieg antreiben wollen, zu denen ja leider dann auch offenkundig ich gehören sollte.
01:01:58: Das ist das eine.
01:01:59: Das zweite ist, nicht in diese Angstpropaganda von Putin einzusteigen, der immer wieder droht mit den Atomwaffen und mit diesen und mit jenem.
01:02:12: Putin versteht nur eine Sprache und das ist die Sprache, das ist die Sprache der Härte.
01:02:18: Und die Sprache der Abschreckung.
01:02:21: Wenn ich das so sage, als Neunundachtziger, der mal den Kriegstienst an der Waffe verweigert hat, auch weil er sagte, wir brauchen in absehbarer Zeit keine Armeen mehr, weil wir in Europa alle zusammenwachsen und möglicherweise auch mit Russland und den ehemaligen Staaten der Sowjetunion, nur wir haben halt die Rechnung ohne die autoritären, diktatorischen Wirten und Wirte gemacht, die gibt's halt und die wollen Krieg.
01:02:42: Also müssen wir jetzt auch uns ändern.
01:02:45: Auch wenn das uns allen mir inklusive Schwerfallen mag.
01:02:48: Also diese Kommunikation ist wichtig und ich finde, das ist das aller aller Schwierigste auch deutlich auf die Tube drücken, denn derzeit wird unsere Sicherheit nach wie vor durch die USA gewährleistet.
01:03:05: Und uns fehlen kurzfristig die Mittel, das zu kompensieren, was Trump möglicherweise nicht mehr zur Verfügung stellen kann.
01:03:12: Also müssen wir schneller, als wir uns das jemals vorstellten.
01:03:15: Das ist nur eine finanzielle Aufgabe.
01:03:17: Das ist auch eine organisatorische, logistische Meisterleistung, die da gefordert ist.
01:03:22: Müssen wir uns selbst in die Lage versetzen, uns besser zu schützen.
01:03:26: Da wollte ich schon die ganze Zeit jetzt einhaken, nämlich, weil sie ... Ja, mehrfach und durchgängig gesprochen haben von wir müssen da klar sein.
01:03:35: Das setzt ja eine Einigkeit, sagen wir das Westens voraus.
01:03:40: Und dann fängt man natürlich sofort danach zu denken, oh, wie kann das gelingen, wenn sich aber auch der Westen, insbesondere mit der Schutzmacht USA, gar nicht einig ist.
01:03:52: Darin, wie man diesem Putin nun das Handwerk legen könnte.
01:03:56: Wir haben es ja eben kurz schon mal angesprochen.
01:03:59: Donald Trump ist dann eben einer derjenigen, der zunächst mal sagt, ähm, könnte ja sein, dass sich die Drohnen versehentlich verirrt haben in den polnischen Luftraum.
01:04:07: Der steht dann nicht sofort wie eine Eins und das vermissen wir an anderen Stellen auch.
01:04:13: Jetzt hat sich... Die US-amerikanische Regierung so weit eingelassen, dass man schon den Andruck hat, sie stünden da, um gemeinsam mit der NATO, die jetzt da, was ich eben zitiert habe, neue Maxime zu verfechten, dass wenn ein Luftraum verletzt wird, dass man dann eben auch reagiert, hoffen wir mal drauf.
01:04:34: Die USA, da möchte ich mit Ihnen weiter draufschauen.
01:04:37: Wir sind ja bei dem großen Thema, wir hängen Politik und Angst zusammen.
01:04:40: Und ich habe den Eindruck, das macht politisch motivierte Spiel mit der Angst, nimmt weltweit zu.
01:04:47: Ich hab gerade die jüngste Folge unseres Podcasts gemacht mit dem auspolitischen Korrespondenten der Zeit, mit Jörg Lau.
01:04:54: Und da haben wir jetzt dann aktuell darüber gesprochen, wie denn der Mord an Charlie Kirk, die USA verändern wird und zwar noch weiter verändern wird in Richtung eines autoritären System noch weiter als Trump und seine Leute es bislang ja schon gemacht haben.
01:05:10: Und auch da zeigt sich ja, es geht darum, Angst zu machen.
01:05:14: Andersdenkende einzuschüchtern, ein Klima der Angst, der Dauereinschüchterung zu schaffen, indem man dann schon im vorauseilenden Gehorsern im Sinne Trumps und seiner Mega-Bewegung handelt.
01:05:29: Kann man dem was entgegensetzen?
01:05:35: Wir sind es ja traditionell gewohnt, einen politischen Kampf auszufechten zwischen, ich vergröbare das jetzt mal sehr, zwischen links.
01:05:47: und rechts.
01:05:50: Jetzt ist aber noch ein anderes Kampffeld hinzugekommen, nämlich zwischen denen, die den Fakten verpflichtet sind, die respektvoll miteinander umgehen wollen, unabhängig, ob sie sich liberal, konservativ oder progressiv schimpfen.
01:06:05: Das spielt erst mal gar keine Rolle.
01:06:08: Und den anderen, die mit der Lüge, mit der Angst, mit dem Autoritarismus Politik betreiben, was sie eigentlich diese liberale Demokratie beseitigen überwinden wollen.
01:06:20: Und das alles hängt miteinander zusammen.
01:06:25: Es geht oberflächlich um eine konservative Agenda, nämlich Familienwerte, Glauben, Liebe zum Heimat.
01:06:36: Skepsis gegenüber dem Fremden, eine homogene Gesellschaftsvorstellung, die zu dieser bunten, vielfältigen Welt, auch zu unserem Land, zu Europa, auch nicht zu den USA passt.
01:06:46: Aber das ist die Ideologie, die genährt wird.
01:06:49: Leider muss ich sagen, dieses Klima der Aggression breitet sich auch in linken, progressiven Kreisen aus.
01:06:57: Das leben wir ja auch in der öffentlichen Debatte, die immer aufgeheizter wird.
01:07:01: Und wir können leider nicht nur den autoritären Kräften, den... den Trumpisten, den Magaläuten vorwerfen, immer aggressiver Wüten dazu werden.
01:07:11: Ich erlebe das auch teilweise in meinem eigenen Familie, wenn ich jetzt mal an die Auseinandersetzung nun Ostensee, der Umgang mit Israel, mit dem Konflikt Antisemitismus etc.
01:07:23: Das erschüttert mich auch in meiner eigenen Familie.
01:07:25: Aber darüber will ich jetzt gar nicht reden.
01:07:28: Aber am Ende des Tages haben wir nur eine Chance, wenn wir selbstbewusst Diese liberale Demokratie, wie es sie gibt, verteidigen.
01:07:43: Und wenn wir am Ende uns darüber im Klaren sind, dass wir die Mittel, die Trump anwendet, die Lüge, Hass, die Provokation und die Drohung eben... zur Zerstörung der Vereinigten Staaten von Amerika führen werden, wie wir sie kennen.
01:08:01: Wir dürfen uns davon nicht anstecken lassen.
01:08:05: Manches muss man sicherlich auch verstehen.
01:08:08: Und viele haben die USA bis heute nicht verstanden.
01:08:12: Also, dass beispielsweise die evangelikale Bewegung in den USA schon immer eine wichtige, eine wirkmächtige, auch eine einflussreiche Rolle spielte.
01:08:21: Diese Gruppierungen des Evangelikalismus gibt es so in Deutschland.
01:08:26: Weitenteilen Europas nicht in dem Maße, wie es sie eben in Europa gibt.
01:08:29: Und es ist historisch begründet, weil die eben alle Europa verlassen mussten, vertrieben wurden, sich eine neue Heimat zu suchen.
01:08:36: Und das war dann eben die USA.
01:08:38: Deswegen gibt es die dort so stark.
01:08:39: Und sie sind eben heute einer der ganz wichtigen Partner des Präsidenten und seiner Bewegung genauso wie die russisch-orthodoxe Kirche oder die serbisch-orthodoxe Kirche, einer der wichtigsten Verteidiger der putinischen Ideologie.
01:08:56: oder der wutschischen Ideologie in Serbien geworden ist.
01:08:59: Also es gibt leider religiöse Gemeinschaften, die verbinden sich mit einer politischen Bewegung, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.
01:09:09: Hochinteressant fand ich, weil man das genau das ja gesehen hat jetzt bei der Gedenkfeier zum Tode von Charlie Kirk.
01:09:18: Das war ja am Sonntag, wir treffen uns hier am Dienstag, das ist halt so noch ganz frisch.
01:09:22: Wenn man sich das anschaut, dann staunt man Bauchlötze, dass genau da noch eine religiöse, spirituelle Aufladung der Ideologie hinzukommt.
01:09:35: Passt jetzt zu einer Gedenke und Trauerveranstaltung, finde ich, aber dennoch hat es Formen angenommen bei denen.
01:09:43: Also ich jedenfalls staunender vorstehe und denke, wow, das ist krass.
01:09:49: Würde Ihnen gerne einen Ton daraus vorspielen, nämlich aus der Rede von Steven Miller, dem stellvertretenden Stabschef, einem der zweifellos einflussreichsten Berater des amerikanischen Präsidenten.
01:10:02: Und der sagt, da ich übersetzt das vorher mal.
01:10:05: Und später muss man sich Stephen Miller vorstellen, dass er mit unbewegtem Gesicht eigentlich spricht, er zuckt dann immer so leicht, sodass ich mir eingebildet habe irgendwie.
01:10:17: Hält er selber gar nicht richtig aus, aber er sagt, Zitat, ihr könnt uns nicht besiegen, ihr könnt uns nicht zurückhalten, ihr könnt uns nicht abschrecken.
01:10:26: Wir werden Charlie und Erika für immer in unseren Herzen tragen und so viel härter kämpfen, weil ihr uns das angetan habt.
01:10:35: Ihr habt keine Ahnung, welchen Drachen ihr geweckt habt.
01:10:39: Ihr habt keine Ahnung, wie entschlossen wir sein werden, diese Zivilisation zu retten.
01:10:46: den Westen zu retten, diese Republik zu retten.
01:10:51: Und im Original klingt es dann so.
01:11:23: Man würde sich ja gerne davon distanzieren und sagen, das nimmt man jetzt einfach mal nicht ernst.
01:11:28: Da redet der Herr Miller, was er will.
01:11:31: Aber man muss es ja ernst nehmen.
01:11:33: Ja, man muss es ernst nehmen.
01:11:35: Ich will es etwas abschichten, also nicht nur sie.
01:11:39: Behaupte mal, neunundneunzig Prozent der Deutschen schauen natürlich einigermaßen fassungslos auf solche inszenierten Trauerfeiern.
01:11:47: Das ist für uns alles zu viel Pathos und natürlich hier auch viel zu viel Aggression.
01:11:52: Was hat das eigentlich auf einer Trauerfeier zu suchen?
01:11:55: Es ist ja auch dann auch ein großer Kontrast zu der Ankündigung der Witwe dem mutmaßlichen Täter dann auch zu vergeben.
01:12:04: Da führt sie uns ja nochmal auf die Ursprünge des Christentums zurück, also vergibt einen Feinden, liebe deinen Feind, das macht sie, das finde ich sehr eindrücklich und ich will auch nicht so weit gehen, dass das irgendwie ein abgekatertes Spiel dieser Bewegung ist, aber natürlich wird das jetzt politisch in einer Art und Weise aufgeladen, wie ich es aus Russland kenne.
01:12:27: Hier treffen sich die unterschiedlichen autoritären Regime, weil man sich immer derselben Instrumente bedient.
01:12:34: Es geht eigentlich um einen lebensuntüchtigen, dekadenten, verweichlichten Westen, der mit einer sexueller Dekadenz, da geht es gegen die queere Bewegung, der mit einer Zerstörung der Familienwerte, der mit einer Zerstörung von Kirche und glaube, diese Gesellschaft so schwach gemacht hat, dass sie am Ende nichts überleben vermag.
01:13:03: Auch Putin behauptet ja nicht, christliche Werte zu zerstören.
01:13:08: Er sagt, ich bin der Retter der europäischen Werte, die ja auf dem Boden Jesu Christi aufgebaut sind.
01:13:14: Also, hier wird etwas, was man politisch nicht hinkriegt, religiös aufgeladen.
01:13:21: Das ist natürlich in einer säkularisierten Gesellschaft wie Deutschland eine Zunutung.
01:13:27: Aber davor habe ich schon vor Jahren gewarnt.
01:13:29: Ich sage, die einen wissen nicht mehr, warum wir eigentlich Pfingsten und Ostern feiern.
01:13:34: Die Menschen treten aus, Kirche wird sehr stark in den privaten Bereich zurückgedrängt und wir erleben gleichzeitig eine Gesellschaft, in der es Menschen gibt, die bereit sind, im Namen ihres Gottes andere Menschen umzubringen oder die bereit sind, im Namen ihres Gottes eine Gesellschaft umzupflügen, zu zerstören.
01:13:56: Das zeigt sich jetzt auch in den USA.
01:13:59: Es hat das immer gegeben.
01:14:02: Wie gesagt, diese evangelikale Bewegung war wirkmächtig, aber sie hat sich jetzt zu einem offiziellen Bündnis zusammengebracht zwischen Politik und einem wichtigen Teil der Politik.
01:14:15: Einigen Kirchenleuten, also dieser Bewegung, was mich mehr sorgt.
01:14:21: Das ist etwas, was ich in anderen Ländern so nicht wahrnehme, ist, dass der Neo-Biedermeier in den USA so vorangeschritten ist.
01:14:30: Was meine ich damit?
01:14:31: Es gibt ja die Sensiblen, die Liberalen, die Wachsamen.
01:14:36: die engagierten, diejenigen, die sich der Vielfalt verpflichtet fühlen, die auf Wahrhaftigkeit auch ihr Leben und ihr Handeln aufbauen, aber die ziehen sich ins Private zurück.
01:14:46: Was mich eigentlich im zweiten Term Trump am meisten entsetzt hat, ist, dass diese uns vielleicht etwas näher stehenden Menschen in den USA, die es ja nach wie vor gibt, nicht mehr sichtbar sind auf den Straßen, in den Hörseelen, auch in den Medien, weil sie alle eingeschüchtert sind oder einfach müde geworden sind.
01:15:09: Und das erlebe ich ja leider auch in Deutschland.
01:15:12: Diejenigen, die sich dieser Argumentation des Hasses nicht mehr anschließen wollen, die ziehen sich in den Garten zurück, die fangen an zu grillen, die bauen sich eine neue Terrasse, die treffen sich nur noch mit Freunden, mit Gleichgesinnten, die ziehen sich raus aus dem öffentlichen Raum.
01:15:27: Das ist aber der Anfang vom Ende der liberalen Demokratie.
01:15:31: So, jetzt denke ich, manche Zuhörerinnen und mancher Zuhörer, ja und Michael Roth, zieht sich auch ins Private zurück.
01:15:38: Nein, das tue ich nicht.
01:15:39: Ich habe, ehrlich gesagt, ein paar Monate gebraucht, um meine eigene Rolle zu finden, meine neue Rolle zu finden.
01:15:46: Ich habe dann entschieden und es ist ein Balanceankt.
01:15:50: Ich wollte nicht so auftreten wie Sigma Gabo und andere, die einfach, wo man spürt, die sind mit... mit dieser Demütigung, die die Partei ihnen auch zuteil werden, das nie klargekommen.
01:16:01: Und jetzt kriegt die SPD jede Woche dreimal eins drauf.
01:16:06: Also das möchte ich nicht.
01:16:07: Ich möchte natürlich in der Sache auch Kritik üben.
01:16:09: Aber ich gebe zu, der Weg vom Politiker-Rot zum Bürger-Rot ist kein einfacher.
01:16:14: Aber ich werde weiterhin meinen Mund aufmachen.
01:16:16: Ich werde mich weiter mit den bescheidenen Möglichkeiten, die ich haben werde, äußern.
01:16:22: Ich werde meine Expertise einzubringen versuchen.
01:16:24: Das ist natürlich jetzt alles schwieriger und ich will anderen Mut machen.
01:16:28: Mach den Mund auf, bringt euch ein.
01:16:30: Wir brauchen euch alle.
01:16:32: Der Biedermeier ist nicht das Ende des Elends, sondern der Anfang vom Ende einer neuen Unordnung und einer neuen Unterdrückung, die wir nicht wollen.
01:16:45: Ich war noch nie so skeptisch.
01:16:46: Ich habe mich noch nie so fremd im eigenen Land gefühlt und gleichzeitig sage ich, es lohnt sich.
01:16:50: hier nicht aufzugeben.
01:16:54: Wie kann man unter den Bedingungen Außenpolitik machen?
01:16:57: oder anders gefragt, sind Sie ganz froh, dass Sie jetzt nicht etwa Außenminister sind?
01:17:05: Am einfachsten ist es nochmal, wenn man diese Widersprüche zulässt.
01:17:11: Ich habe den Eindruck, dass es in der Politik leider auch in der progressiven Politik diese Sehnsucht nach den einfachen Antworten gibt.
01:17:19: Das ist der Unterschied zwischen Politik und Aktivismus.
01:17:22: Ein Aktivist, der hat ein Thema für das Brennt er.
01:17:26: Und ich kann doch nicht allen Ernstes einer Klimaschutzaktivistin vorwerfen, dass sie sich für einen radikaleren Klimaschutz einsetzt und dann vielleicht auch vernachlässigt, was für ökonomische und soziale Folgen das hat.
01:17:40: Das ist doch gar nicht ihre Aufgabe.
01:17:42: Aber von der Politik muss ich erwarten können, dass sie das einbezieht.
01:17:46: Und genauso auch in der Außenpolitik.
01:17:47: Nehmen wir jetzt mal auch unser Verhältnis.
01:17:52: zu Israel.
01:17:53: Wenn Israel überleben soll, als nicht nur als Heimat der Jüdinnen und Juden, sondern auch als Heimstätte der Demokratie und des Rechtsstaates, muss der Terror beseitigt werden.
01:18:05: Aber das führt eben auch dazu, dass Menschen getötet werden und dass das furchtbare Folgen hat.
01:18:12: und die muss man auch in den Blick nehmen und damit muss man sich auseinandersetzen.
01:18:16: Da gibt es keine einfachen Lösungen.
01:18:18: Und ich weiß doch, als jemand der für Waffendieferung eingetreten ist, dass diese Waffen töten, dass ich mich damit schuldig mache.
01:18:24: Ich gehe mit dieser Schuld ins Bett und ich stehe mit dieser Schuld auf.
01:18:28: Ich weiß aber auch, dass ich mich vermutlich noch schuldiger machen würde, wenn ich am Ende des Tages die Ukraine allein lasse oder wenn ich sage, Israel wird allein gelassen.
01:18:39: Das kann nicht die Lösung sein.
01:18:41: Und ich glaube, dass Politik außen Politik diese Widersprüche erklären muss und aushalten muss.
01:18:47: Wenn sie das nicht mehr tut und aktivistischer wird, dann werden wir an unseren eigenen Ansprüchen zugrunde gehen, weil wir sie nicht mehr zu erfüllen vermögen.
01:18:59: Finden Sie es richtig, dass viele Staaten Frankreich heute den Palästinenserstaat anerkennen?
01:19:06: Nein, das finde ich nicht richtig.
01:19:07: Ich kann aber gut verstehen, warum das so ist.
01:19:10: Wir haben momentan den Eindruck, nichts bewegt sich.
01:19:15: Und ich weiß, wie das ein sehr menschlicher Ruf.
01:19:18: nun tut doch endlich etwas.
01:19:20: Wir alle, Sie vielleicht auch, wissen aber, dass wir damit dem Ende des Kriegs und einer zwei Staatenlösung kein Millimeter näher kommen werden.
01:19:31: Aus der Hoffnung genähert wahrscheinlich, dass jetzt irgendwie eine neue Dynamik da eintritt.
01:19:35: Aber es wird keine neue Dynamik gehen, außer dass der Hamas Terroristen sich möglicherweise dadurch auch noch bestärkt fühlen.
01:19:43: Ich finde, es ist eine Pseudo-Agenda.
01:19:45: Wichtiger wäre für mich, dass wir eine Agenda fahren, die auch realistisch umsetzbar ist.
01:19:51: dass die verbleibenden Geiseln befreit werden, dass Gaza von Hammers befreit wird, dass es eine humanitäre Verbesserung der Lage für die Menschen in Gaza gibt, dass es zu einem Waffenstillstand kommt, dass wir endlich intensiver mit den sogenannten moderaten arabischen Staaten reden, die zufrieden und versündung mit Israel bereit sind, weil sie vielleicht auch der Stabilitätsanker in Palästina sein können, um einer zwei Staatenlösung näherzukommen.
01:20:17: Das fehlt mir ein wenig.
01:20:19: Aber das ist jetzt sehr leicht.
01:20:20: Wir erleichtern unser Gewiss, indem wir sagen, wir haben doch jetzt was getan.
01:20:24: Aber am Ende des Tages kommen wir einem Frieden so, das ist meine Befürchtung, nicht näher.
01:20:30: Und das muss man ja auch mal böse sagen.
01:20:34: Diese Politikerinnen und Politiker wie Macron stehen unter einem wahnsinnigen Druck.
01:20:40: Der Israel-Hass auch in ihren Gesellschaften ist sehr groß.
01:20:43: Die Verachtung, es gibt rabische, migrantische Milieus, die sind mit diesem Hass auf Israel groß geworden.
01:20:50: Konnte das nicht glauben und ich hoffe auch, dass es nicht stimmt.
01:20:54: Ich las das mal, wenn dann gesagt wird, ein französischer Präsident kann nicht an einer Demonstration gegen den Antisemitismus in Frankreich teilnehmen, weil es dann, weil dann die Borneuses brennen würden.
01:21:05: Das macht ja deutlich wieder Druckgewachsen ist.
01:21:07: Das gilt nicht nur für Frankreich, für Großbritannien, für die Niederlande, für andere Staaten, auch für Belgien.
01:21:13: Und es gilt ja auch für Teile von Deutschland.
01:21:15: Auch bei uns brennt es, weil die Wut so wächst.
01:21:20: Und weil wir als diejenigen wahrgenommen werden, die einseitig auf der Seite Israels stehen.
01:21:26: und das tun wir nicht, aber wir sehen die Freundschaft zu Israels eine Verpflichtung.
01:21:31: Und ich sage immer, ich bin halt von Hannah Arendt geprägt, die sagte, das ist ein Zivilisationsbruch, der niemals wieder zur Normalität führen wird zwischen Deutschland und Israel und Menschen, die hier leben und Jüdinnen und Juden.
01:21:44: Und dem fühle ich mich irgendwie verpflichtet.
01:21:47: Noch mal gefragt, wenn ich Ihnen zuhöre, juckt es Sie nicht doch, wieder in die Außenpolitik zu gehen?
01:21:54: Nicht als Politiker.
01:21:54: Die Entscheidung ist getroffen.
01:21:56: Ich bin fünfundfünfzig.
01:21:57: Ich möchte meinem Leben noch mal was anderes machen.
01:22:00: Ich kann das journalistisch.
01:22:01: Ich kann das als Berater, als Sinktänker.
01:22:04: Ich kann für Organisationen arbeiten.
01:22:07: Ich habe das Privileg.
01:22:09: Sie haben mich ja auch eingeladen, dass ich immer noch ... Gehört werde und auch Anlass bin zur Kontroverse und zum Streit.
01:22:17: Das finde ich wunderbar, wenn er respektvoll ausgetragen wird und wenn ich nicht als Zionazi bezeichnet werde.
01:22:26: Das macht mir auch zu schaffen.
01:22:27: Aber ich will ja auch weiterhin meinen Beitrag leisten, aber nicht als Politiker.
01:22:34: Das ist vorbei.
01:22:37: Was aber hoffen Sie sich für Reaktionen auf das Buch?
01:22:40: Sie schreiben da an einer Stelle auch, dieses Buch ist keine Abrechnung mit der Politik, gleichwohl, was man da liest und darauf fährt über parlamentarischen Betriebe, über innerparteiliche Macht, ja auch Missbräuche, ehrlich gesagt, ist hart mitunter.
01:23:02: Ich habe mich gefragt, wenn Rolf Mütze nicht das Buch liest, was wird er Ihnen sagen?
01:23:07: Ich fürchte, dass er mir nichts sagen wird, weil in den anderen Gesprächen, die wir führten, und ich habe immer wieder das Gespräch mit ihm gesucht, hat er mir auch nicht gesagt, was ihn konkret an mir stört und was ich anders zu machen hätte.
01:23:21: Die Gespräche waren dann immer dann auch sehr schnell vorbei, aber es geht mir doch überhaupt nicht im Räufmütze nicht.
01:23:27: Nochmal, ich bin in dieser Hinsicht kein Missionar.
01:23:30: Ich habe auch niemals angestrebt.
01:23:35: über psychische Erkrankungen anders zu reden, weiß aber, dass das meine Pflicht ist, weil ich ein Privileg hatte und ich weiß, dass viele Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht so frei darüber reden können.
01:23:46: Sie nicht auf diese therapeutische Infrastruktur zurückgreifen konnten.
01:23:51: Die ist mir leichter gemacht hat, wieder Anschluss zu finden in ein ganz normales Leben.
01:23:58: Und ich wünsche mir natürlich auch, genauso wie wir das bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, vor allem für junge Frauen, geschafft haben, dass wir das heute viel kritischer, auch selbstkritischer reflektieren, dass wir einmal auch psychische Erkrankungen aus der Politik nicht vertreiben und dass wir vielleicht sogar versuchen, menschlicher miteinander umzugehen und dass vor allem auch, dass eine Hommage ist an die Sensiblen, nicht an die Rabauken und die mit dem dicken Fell, sondern an die Sensiblen, die Klugen, diejenigen, die sich einbringen wollen und die sich eben nicht abgeschreckt fühlen sollen.
01:24:32: Das ist meine Hoffnung, dass das Buch vielleicht in homöopathischen Dosen einen Beitrag zu einer Veränderung leisten kann.
01:24:41: Ehrlich gesagt gibt es ja eine wirklich deutlich gewachsene Offenheit gegenüber psychischen Erkrankungen.
01:24:51: Deshalb habe ich sie am Anfang unserer Folge auch so erstaunt gefragt, warum sie sich gar nicht mitgeteilt haben.
01:24:56: Sie haben das sehr, sehr gut erklärt und ich maß mich da ja natürlich überhaupt gar nichts an.
01:25:02: Wir wollten ja von Ihnen wissen, warum Sie wie gesprochen oder auch nicht gesprochen haben.
01:25:07: Aber was ja schon da ist und das finde ich und dazu jede, jede dieser Geschichten so wichtig.
01:25:15: Ich glaube, es ist eine große Bereitschaft und auch eine Lässigkeit entstand, dass man sagt, ich gestehe das zu, dass jemand Probleme hat, dass er sich in Phasen seines Lebens Das haben wir ja fast alle gemacht, ich auch.
01:25:29: Hilfesucht, wenn er das im Zweifel mal braucht.
01:25:34: Ich bin ein Fan davon, dass man Profis aufsucht.
01:25:39: Und genau wenn man das Privileg hat, dass man das entweder billig bekommt oder bezahlen kann, ist man natürlich gesegnet.
01:25:48: Das muss ich sagen, weil es einfach viel zu wenige Therapeuten und Therapeuten dann oftmals gibt.
01:25:54: Die müssten ja sofort da sein, das muss dann passen.
01:25:58: Das ist alles gar nicht so einfach.
01:26:00: Kolleginnen und Kollegen des ehemalige Kolleginnen und Kollegen des Bundestages, Herr Bundesinnenminister, da hätte ich dann doch mal einen Wunsch, falls jemand zuhören sollte, könnt ihr nicht mal dafür sorgen, dass Menschen beamtet werden, auch wenn sie mal in psychischer Behandlung waren?
01:26:15: Denn das dürfen sie nicht, weil man diese Menschen abspricht, gute Beamte oder Beamten werden zu können.
01:26:20: Das ist ein Skandal aus meiner Sicht.
01:26:23: Und das wäre zum Beispiel mal ein Beitrag.
01:26:25: Also dazu ein Anstoß geliefert zu haben, das würde mich freuen.
01:26:30: Michael Roth, vielen Dank.
01:26:32: Wir hören unsere Folgen immer damit auf, das kennen Sie schon, weil Sie schon mal zu Gast waren, dass wir noch mal die Folgen Frage nehmen.
01:26:38: In dem Fall war das, wir hängen Politik und Angst zusammen und fragen dann, wo stehen wir da in einem Jahr?
01:26:44: Das passt bei der Frage nicht so tip top.
01:26:46: Aber wie weit will ich fragen, ist die Angst, die die Politik zunehmend beeilen, flost?
01:26:51: Wir haben es ja ausgeführt, in einem Jahr dann vorgedrungen, mutmaßlich.
01:26:58: Ich bin mir nicht sicher, wie es in den USA weitergeht.
01:27:02: Ich hoffe sehr, dass wir es schaffen, durch eine stabilere, große Koalition, die auch Erfolge zeitigt und die sich nicht permanent zerstreitet, den AfD-Land und den völkisch-nationalistischen das Wasser ein bisschen abzugraben.
01:27:18: Ich hoffe, dass es gelingt, dass es keinen AfD-Ministerpräsidenten in Sachsen-Anhalt gibt.
01:27:26: Ich hoffe, dass diese Koalition hält und ich hoffe, dass die Europäische Union jetzt wirklich mit Hochdruck dafür sorgt, dass wir uns von Amerika unabhängiger machen.
01:27:37: Und das sollte doch eigentlich diese vielen Anti-Americanisten, die es ja nicht nur bei Konservor allem auch in den linken Kreisen gibt, doch ermutigen, jetzt zu sagen, das geht eben nicht nur kulturell, das ist vor allem auch eine Wehrhafte Frage, eine Frage von Verteidigung, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit.
01:27:58: Ich bedanke mich herzlich.
01:27:59: Wir haben über Ihr Buch Zonen der Angst gesprochen, das mir wirklich gut gefallen hat und wir haben davon ausgehend darauf geschaut, wie sich die Welt aus dem Blick eines gewieften und erfahrenen Außenpolitikers verändert hat und mutmaßlich noch verändern wird.
01:28:24: Redaktionsschluss für diese Folge war der, der, der, der, Und die Redaktion haben gemacht Florian Barnickel und Marie Schiller, technischer Support Lukas Hambach und Patrick Zahn.
01:28:39: Die Vermarktung macht für uns die Mitvergnügen des Sounddesign, macht Hannes Husten und das Ganze ist eine Produktion der Wilmedia.
01:28:46: Vielen Dank,
01:28:46: Herr Roth.
01:28:47: Ich danke Ihnen, Frau Will.