Wie belastbar ist Deutschlands Solidarität mit Israel? Mit Melanie Amann und Shimon Stein

Shownotes

In dieser Folge diskutieren Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin des SPIEGEL, und Anne Will über die Frage: Wie belastbar ist Deutschlands Solidarität mit Israel?

Die Meldung schlägt hohe Wellen: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs Karim A.A. Khan hat Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Israels Verteidigungsminister Joav Galant beantragt - und zwar zeitgleich mit Haftbefehlen gegen drei führende Hamas-Terroristen. Anne Will und Melanie Amann analysieren, welche Vorwürfe dem Antrag zu Grunde liegen, und diskutieren über die empörten Reaktionen. Sie denken gemeinsam darüber nach, in welches Dilemma ein möglicher Haftbefehl gegen Netanjahu die deutsche Politik bringen würde und was das für die sogenannte deutsche Staatsräson gegenüber Israel bedeutet.

Über die Reaktionen in Israel und Deutschlands Rolle im Nahen Osten spricht Anne Will im Interview mit einem großen Kenner der deutsch-israelischen Beziehungen: Shimon Stein war von 2001 bis 2007 Botschafter Israels in Deutschland und forscht jetzt am Institut für nationale Sicherheitsstudien an der Tel-Aviv Universität. Zwei Ausschnitte aus dem Interview (TC 00:19:14 und 00:49:02) besprechen Melanie Amann und Anne Will in dieser Folge.

Sie diskutieren außerdem über die massive Zunahme von antisemitischen Straftaten in Deutschland, über Antisemitismus bei Uni-Protesten und Anfeindungen gegen die israelische Künstlerin Eden Golan beim ESC - und darüber, wo die Grenze zwischen Israel-Kritik und Antisemitismus verläuft.

Das vollständige Interview mit Shimon Stein erscheint am 25.05.2024 als Bonusfolge.

Redaktionsschluss für diese Folge war am Mittwoch, dem 22. Mai 2024, um 18 Uhr.

WERBUNG UND RABATTE: https://linktr.ee/werbungannewill

WICHTIGE QUELLEN:

Internationaler Strafgerichtshof: Statement des Chefanklägers Karim A.A. Khan zu den Anträgen auf Haftbefehle, 20.05.2024 https://www.icc-cpi.int/news/statement-icc-prosecutor-karim-aa-khan-kc-applications-arrest-warrants-situation-state

Auswärtiges Amt: Auswärtiges Amt zur Beantragung von Haftbefehlen am Internationalen Strafgerichtshof, Pressemitteilung, 20.05.2024 https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/-/2657616

Jüdische Allgemeine: Netanjahu: Chefankläger ist “einer der großen Antisemiten der Moderne”, 21.05.2024 https://www.juedische-allgemeine.de/israel/netanjahu-chefanklaeger-ist-einer-der-grossen-antisemiten-der-moderne/

Bundeskriminalamt: Politisch motivierte Kriminalität in Deutschland erreicht neuen Höchststand, 21.05.2024 https://www.bka.de/DE/Presse/ListenseitePressemitteilungen/2024/Presse2024/240521PMFallzahlenPMK2023.html

Deutschlandfunk: Judenfeindliche Vorfälle - Wie Hochschulen mit Antisemitismus umgehen, 11.02.2024 https://www.deutschlandfunk.de/antisemitismus-hochschulen-100.html

Der SPIEGEL: Amal Clooney empfahl Haftbefehle gegen Netanyahu und Hamas-Führer, 21.05.2024 https://www.spiegel.de/ausland/israel-gaza-krieg-amal-clooney-empfahl-haftbefehle-gegen-hamas-fuehrer-und-netanyahu-a-db6eff07-a6b1-42f8-ba6a-a38b7d8f1440

ARD: Protest gegen Israel beim ESC - “Gängiges antisemitisches Muster”, 12.05.2024 https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/esc-bilanz-israel-100.html

EMPFEHLUNGEN:

Shimon Stein: Israel, Deutschland und der Nahe Osten - Beziehungen zwischen Einzigartigkeit und Normalität. Wallstein Verlag, 2011

https://www.wallstein-verlag.de/9783835308725-israel-deutschland-und-der-nahe-osten.html

Impressum:

Redaktion: Jana Merkel und Marie Steffens

Executive Producerin: Marie Schiller

Audio Producer: Maximilian Frisch, Lukas Hambach, Patrick Zahn

Sounddesign: Hannes Husten

Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH

Eine Produktion der Will Media GmbH

Transkript anzeigen

00:00:00: Kannst du dir vorstellen, dass deutsche Polizistinnen oder deutsche Polizisten

00:00:04: in israelischen Ministerpräsidenten verhaften und zwar auf deutschem Boden?

00:00:09: Ich kann mir dieses Bild nicht in den Kopf bringen.

00:00:15: Oder ich kann es mir nicht bildlich vorstellen.

00:00:18: Ich fände es auch eine schlimme Vorstellung, muss ich sagen.

00:00:23: Und zugleich wäre es wahrscheinlich die Vorstellung eines richtigen

00:00:27: oder gerechten Vorgangs.

00:00:29: Politik mit Anne Will.

00:00:38: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts.

00:00:54: Den gibt es jede Woche, Donnerstag um 12 Uhr Mittags und das Format geht so.

00:00:59: Es gibt immer ein Thema, einen Gast ein politisches Interview.

00:01:03: Thema ist diesmal, wie belastbar ist Deutschland Solidarität mit Israel.

00:01:08: Auch jetzt, da der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs

00:01:13: Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsident Netan Yao

00:01:17: und gegen Verteidigungsminister Galant beantragt hat.

00:01:20: Das Interview dazu habe ich mit dem früheren Botschafter Israel in Deutschland

00:01:25: mit Schimon Stein geführt, Ausschnitte daraus hören wir gleich.

00:01:28: Und das ganze Interview mit ihm veröffentlichen wir am Samstagmorgen.

00:01:33: Und zu Gast ist diesmal wieder eine unserer regelmäßigen Gäste,

00:01:38: die stellvertretende Chefredakteurin des Spiegel

00:01:41: und davon werden wir heute sicherlich profitieren,

00:01:44: die promovierte Juristin Melanie Armann.

00:01:47: Ich freue mich sehr, dass du wieder da bist.

00:01:50: Ich freue mich auch. Endlich wurde mir schon richtig lang.

00:01:53: Aber du hast uns gehört wahrscheinlich in der Zündung.

00:01:56: Ich habe dich gestern gefragt, Melanie,

00:01:59: womit du dich im Rahmen deines Juhastudiums am allerliebsten beschäftigt hattest?

00:02:04: Und dann hast du mir geantwortet mit Verwaltungsrecht.

00:02:07: Ich schlief fast ein, aber du hast gesagt, das war interessant.

00:02:11: Das war einfach für die grauen Mäuse im Studium.

00:02:14: Besonderes Verwaltungsrecht heißt es auch noch.

00:02:18: Das sind alle Regeln, die im erweiterten Sinne

00:02:20: das Verhältnis vom Bürger zum Staat betreffen.

00:02:23: Deswegen finde ich es auch so spannend.

00:02:25: Aber das hat dann furchtbar langweilige Namen,

00:02:28: wie ich weiß noch, ich musste lernen, Abfallrecht, Baurecht,

00:02:31: Beamtenrecht.

00:02:33: Wenn zum Beispiel ein Beamter eine Beförderung haben will

00:02:36: und jemand anderes hat die gekriegt und kann er dann klagen.

00:02:39: Und was bedeutet das?

00:02:40: Wie kann ich mich wehren, wenn mein Nachbar eine Schweinezucht aufmachen will

00:02:44: und solche Sachen und die Behörde hat das erlaubt?

00:02:47: Ja, es sind die Dramen unseres Zusammenlebens.

00:02:49: Und es ist auch so, zum Beispiel so Bürger gegen den Staat.

00:02:52: Also ich will gerne eine Gewerbeerlaubnis haben

00:02:56: oder der Staat will mir meinen Gewerbe verbieten

00:02:59: und ich will dann auch eine Gewerbeerlaubnis haben.

00:03:01: Und ich will dann auch eine Gewerbeerlaubnis haben.

00:03:04: Und ich will dann auch eine Gewerbeerlaubnis haben.

00:03:07: Und ich will dann auch eine Gewerbe verbieten.

00:03:10: Und was kann ich dann tun?

00:03:12: Zu unserem Thema hätte ich jetzt ehrlich gesagt besser gepasst,

00:03:15: wenn du mir geantwortet hättest, ist Völkerrecht.

00:03:17: Das war mein Schlagzeigebiet.

00:03:19: Internationale Strafrecht hat mich immer kolossal interessiert.

00:03:23: Interessiert dich aber doch, oder?

00:03:24: Ist interessiert mich, auch wenn ich nicht wie Frau Baerbock aus dem Völkerrecht komme.

00:03:28: Das im Studium waren die Völker- und Europarechtler immer so ein bisschen so die coolen.

00:03:33: Das waren die, die auch so international wirkten,

00:03:35: konnten weiß nicht nur grieche sprechen oder portugiesisch

00:03:39: und hatten Praktikum gemacht beim Verfassungsgericht in Uruguay oder so.

00:03:43: Und irgendwie waren die Professoren auch cooler,

00:03:46: die so Völkerrecht oder Europarecht gemacht haben.

00:03:49: Und klar, unsere Verwaltungsrechtler waren immer so ein bisschen wirkt,

00:03:53: so ein bisschen, muss man sagen, bleistiftmäßiger.

00:03:56: Aber mich hat es zwar immer interessiert, aber es war mir teilweise dann auch.

00:04:02: Und das ist, glaube ich, für unser Thema ganz interessant,

00:04:04: oft ein bisschen zu wage, weil es sind eben dann doch im klassischen Verwaltungsrecht,

00:04:09: dass du diese Paragrafen und im Völkerrecht hast du dann Abkommen

00:04:12: oder Prinzipien des internationalen Rechts, die sich über Jahrzehnte entwickelt haben

00:04:18: und die dann anerkannt sind oder vielleicht sich mit der Zeit abnutzen,

00:04:21: wo dann immer die Frage im Raum steht, gelten die noch, gelten die vielleicht anders?

00:04:26: Wie muss ich dieses Abkommen auslegen?

00:04:28: Wie muss ich dieses oder jenes Statut auslegen?

00:04:30: Wie politisch darf es sein, muss es sein?

00:04:34: Welche Erwägungen sind sachlich oder sachwidrig?

00:04:38: Also das war mir dann oft so ein bisschen zu, wie soll ich sagen, so zu schwaflich.

00:04:44: Obwohl das natürlich hochpolitische Vorgänge sind, das macht es ja schon interessant auch.

00:04:48: Find ich auch. Auch der Fall, den wir uns anschauen wollen, ist wirklich interessant.

00:04:53: Ist komplex, ist ganz schwer zu deuten.

00:04:56: Am Montag hat der Chefankläger des internationalen Strafgerichts Hofs in Den Haag,

00:05:02: Karim Kahn, heißt der Mann, bekanntgegeben, dass er gleich fünf Haftbefehle beantragt hat

00:05:07: und zwar gleichzeitig sowohl gegen drei Terroristen aus der Führungsriege der Hamas

00:05:12: als auch gegen den israelischen Ministerpräsidenten und gegen den israelischen Verteidigungsminister.

00:05:18: Kahn erhebt, muss man sagen, massive Anschuldigungen beschuldigt,

00:05:23: den Ministerpräsidenten und den Verteidigungsminister Verantwortung zu tragen für Verbrechen gegen die Menschlichkeit

00:05:31: und für Kriegsverbrechen, speziell nennt er da das Prinzip oder den Vorgang des Aushungerns

00:05:38: und vorsätzliche Angriffe gegen die palästinensische Zivilbevölkerung.

00:05:43: Kahn konzentriert sich also nicht auf Angehörige der israelischen Armee, das finde ich interessant,

00:05:48: sondern auf die politischen Verantwortungsträger hier

00:05:51: und will damit zum Mutmaßlich dann ersten Mal in der Geschichte des Internationalen Strafgerichtshofs

00:05:59: Regierungsvertreter einer westlichen Demokratie mit einem internationalen Haftbefehl belegen.

00:06:05: Das muss aber erstmal gelingen.

00:06:07: Die Reaktionen folgten prompt.

00:06:09: Netanyahu selber, auch Galant, andere Mitglieder des israelischen Kabinetts,

00:06:14: der Präsident Israels, die Abgeordneten der Knesset,

00:06:18: haben sich durch die Bank absolut empört gezeigt.

00:06:23: Ist es in deinem Verständnis empörend, was der Chefankläger da macht?

00:06:29: Nein, also ich finde, wenn man jetzt mal den Aspekt beiseite lässt,

00:06:33: dass er auch das Herr Hamas und Israels Vertreter gleichzeitig da in den Antrag gepackt hat,

00:06:39: wenn man das mal beiseite lässt, finde ich es völlig richtig zu sagen,

00:06:42: es ist die Aufgabe dieses Internationalen Strafgerichtshofs, sich im Rahmen seiner Zuständigkeit anzuschauen,

00:06:49: gibt es Hinweise dafür, dass diese Verbrechen begangen wurden,

00:06:54: von politischer Seite beauftragt, geduldet, gedeckt, verantwortet wurden.

00:07:01: Und wenn alles dafür spricht, dann ist aus die Zwingekonsequenz auch draus,

00:07:07: dass diese Schritte ergriffen werden.

00:07:08: Sonst wäre das ja auch irgendwie eine Bankrott-Erklärung dieses Gerichts und dieser Institutionen.

00:07:13: Und wenn man sie ernst nimmt, dann kann sie eben nicht nur,

00:07:18: man sagt, gegen Schurken starten und in, weiß nicht, Entwicklungsländern tätig sein,

00:07:24: sondern dann muss man gerade in einer entwickelten Demokratie vielleicht genau hinschauen.

00:07:29: Was ja interessant ist, ist, dass eben eigentlich Israele nicht Mitglied ist.

00:07:33: Keiner der Vertragsstaaten dieses Gerichtshofs ist.

00:07:37: Ja, genau.

00:07:38: Also da könnte man sagen, was mischt ihr euch da ein?

00:07:40: Und es gibt ja auch dieses, habe ich jetzt noch wieder aus meinem Studium,

00:07:44: mir wieder rausgekramt, das Prinzip der Komplementarität.

00:07:48: Also dass der Strafgerichtshof eigentlich nicht tätig werden soll,

00:07:53: wenn es gegen Staaten geht, bei denen man davon ausgehen kann,

00:07:56: dass sie eine Justiz haben, die willig und fähig ist,

00:07:59: diese Verbrechen selber zu untersuchen und das auch tut.

00:08:03: So, und jetzt ist es so, dass Israel hat ein funktionierendes Rechtssystem,

00:08:07: auch wenn die Regierung, die gerade im Amt ist, immer zuletzt versucht hat,

00:08:11: da ein bisschen herumzusäbeln, irgendwie.

00:08:15: Aber generell gibt es dieses System, die Armee geht auch, Kriegsverbrechen nach,

00:08:20: die von Soldaten begangen werden, aber es gibt eben keinen Fall dieser Art,

00:08:25: wo gegen die politisch Verantwortlichen verfolgt wird, also entmittelt wird.

00:08:30: Ganz genau.

00:08:31: Insofern passt das schon ganz gut.

00:08:34: Und dann ist noch die Frage, warum sind die eigentlich für Mutmaßliche Verbrechen

00:08:39: in den palästinensischen Gebieten zuständig?

00:08:42: Ist ja auch so eine Kuriosität des Völkerrechts, dass wir da ein Gebiet haben,

00:08:47: das nicht als Staat im völkerrechtlich juristischen Sinne besteht,

00:08:52: das zwar von gut 140 Staaten der Welt anerkannt ist,

00:08:56: aber diese Anerkennung allein bringt die juristisch erst mal nichts.

00:09:00: Eigentlich nach der herrschenden Lehre ist ein Staat nur,

00:09:02: wenn du ein Staat vollkast, ein Staat gebiit hast und vor allem eine Staatsgewalt,

00:09:06: die beides zusammenhält, verteidigt, vertreten kann.

00:09:09: Und dafür ist dieses Gebiet zu zersplittert.

00:09:12: Deshalb hat man eben nicht zum Beispiel das Staatsgebiet,

00:09:15: was offensichtlich ein Großkriterium ist, einer funktionierenden und zu betrachtenen Staatlichkeit,

00:09:22: aber dieser internationale Strafgerichtshof hat einen Weg gefunden,

00:09:26: über verschiedene Verfahren klarzumachen, dass Palästina sehr wohl,

00:09:32: wie wohl nicht als Staat existent, Vertragsstaat werden kann.

00:09:38: Auch crazy.

00:09:40: Dafür braucht man uns Juristen für so was.

00:09:42: Aber nicht die Verwaltung. Das könnt nur wir.

00:09:45: Ich wette, irgendwo war ein Verwaltungsrechtler beteiligt,

00:09:48: der sagt, da habt ihr schon Spiegelstriche so und so und so viel dieser Kater noch mal angeschaut.

00:09:54: Ich habe dich gefragt, findest du, das empört das Vorgehen?

00:09:59: Man muss sagen, die israelische Regierung, auch US-Präsident Biden,

00:10:03: auch die Bundesregierung reiben sich gar nicht mal so sehr an der Substanz im Moment noch nicht,

00:10:10: das kommt vielleicht noch, sondern an dem Vorgehen,

00:10:13: nämlich an der vermeintlichen Gleichsetzung des israelischen Regierungschefs,

00:10:17: des israelischen Verteidigungsministers mit Führungsleuten einer Terrororganisation,

00:10:24: die der Chefankleger ja gleichzeitig anklagen will.

00:10:29: Diskreditiert der Chefankleger damit auf eine Art sein eigenes Vorhaben?

00:10:35: Das war mein erster Gedanke, als ich davon gehört habe.

00:10:38: Da dachte ich, wie kommt das eigentlich, dass die nicht einfach zwei separate Anträge machen?

00:10:44: Warum können die nicht erst mal sich die Hamas vorknöpfen

00:10:47: und in ein paar Wochen nehmen sie sich dann die Israelis vor?

00:10:49: Also warum sind die dann auch noch im selben, werden die unter diesem Stichwort,

00:10:54: ich glaube palästinensische Angelegenheit oder irgendwie...

00:10:57: Situationen, Palästina.

00:10:59: Also warum wird das so in so ein Kuddelmuddel gepackt?

00:11:02: Aber als ich mich dann mehr damit befasse, habe ich mir gedacht, es ist eigentlich genau richtig,

00:11:06: weil es betont, dass da eine Kausalität ist zwischen dem, was die Hamas gemacht hat

00:11:12: und dann was jetzt die Israelis tun.

00:11:15: Denn wenn man das separat betrachtet, dann würde Israel wahrscheinlich sagen,

00:11:19: ja, Moment mal, wir machen das ja nur, weil die Hamas diesen Terrorangriff gegen uns gemacht hat.

00:11:23: Stimmt doch auch.

00:11:24: Ja, stimmt ja auch.

00:11:25: Aber dadurch, dass das jetzt sozusagen am Block abgehandelt wird, finde ich,

00:11:29: zeigt eigentlich der Gerichtshof, dass er eben diese Greultaten der Hamas schon auch sozusagen

00:11:35: als den Ausgangspunkt nimmt.

00:11:36: Also wir befassen sich ja erst jetzt mit der Hamas.

00:11:38: Was hat die Hamas alles Schlimmes gemacht?

00:11:39: Und dann kommt der Krieg, der für mich dann auch ein bisschen in diesen Kontext gestellt wird.

00:11:44: Es war eine Reaktion, aber es war aus völkerrechtlicher Sicht

00:11:48: vielleicht mutmaßlich eine Reaktion, die mit Kriegsverbrechen einherging.

00:11:52: Und insofern finde ich es mittlerweile, also hätte ich glaube ich,

00:11:56: kann ich mich diesem Statement da nicht anschließen, dass das jetzt so skandalös ist,

00:11:59: dass das beides im selben Kontext abgehakt wird.

00:12:01: Ich finde es richtig, weil es ist ja auch sozusagen erst kam der grausliche Terroranschlag

00:12:06: und dann kam die Reaktion, die immer mehr in ihren Ausmaßen oder Nebenwirkungen

00:12:12: absichtlich oder unabsichtlich diese grauenhaften Konsequenzen für die Zivilbefuerkungen hat.

00:12:17: Man kann es auch so verstehen.

00:12:18: Ich glaube, Herr Kahn wollte gerne auch so verstanden werden,

00:12:21: dass er mit der Gleichzeitigkeit darlegen will, dass gleiches Recht für alle gilt.

00:12:28: Also dass das Völkerrecht hier greift mit seinen Konzepten von

00:12:32: ab wann begeht man ein Kriegsverbrechen, wann konstatiert man einen Verbrechen gegen die Menschlichkeit,

00:12:39: wann verhält man sich unverhältnismäßig gegenüber dem humanitären Völkerrecht.

00:12:44: Das hat er angeführt.

00:12:46: Die Bundesregierung aber, muss man sagen, hat sich sehr zurückhalten, bislang geäußert.

00:12:50: Es gab ja am Montag eine Erklärung dann gleich des Auswärtigen Amtes, in der eben auch,

00:12:56: wir haben darüber gesprochen, die Gleichzeitigkeit der Anträge problematisiert wird,

00:13:00: damit sei der unzutreffende Eindruck einer Gleichsetzung entstanden, schreiben die da.

00:13:05: Der Bundeskanzler hat bis jetzt, wir treffen uns Mittwochabend, 18, 19 Uhr, hat nichts gesagt.

00:13:12: Ein Sprecher der Bundesregierung hat gestern gesagt, Zitat,

00:13:15: die Bundesregierung weise jeden Anschein von Vergleichbarkeit auf das entschiedenste zurück.

00:13:21: Also wieder dieser Punkt.

00:13:23: Israel habe das Recht, sich gegen die Zitat "mörderischen Angriffe der Hamas zu verteidigen".

00:13:29: Und vor diesem Hintergrund, sagt der Sprecher dann weiter,

00:13:33: wiegen die Vorwürfe des Chefanklägers schwer und müssen belegt werden.

00:13:38: Deutschland gehe davon aus, dass dabei maßgeblich berücksichtigt werde, dass Israel ein demokratischer Rechtsstaat

00:13:46: mit einer starken unabhängigen Justiz sei, Zitat, Ende.

00:13:50: Das war der Hinweis darauf, was du eben schon angesprochen hast,

00:13:54: dass der Internationale Strafgerichtshof nicht tätig werden müsste, wenn es die israelische Justiz täte.

00:14:01: Das ist aber, glaube ich, nicht zu erwarten, dass sie gegen Netanyahu und gegen Galant vorging, oder?

00:14:08: Er nicht.

00:14:09: Also es gibt bisher jetzt keine Anhaltspunkte dafür.

00:14:11: Die Vorwürfe, die international erhoben werden, sind ja bekannt und werden auch in Israel, in den Medien diskutiert.

00:14:18: Und wenn dann noch keine Behörde da etwas unternommen hat, dann wird da auch nichts mehr daraus folgen, denke ich.

00:14:24: Ohnehin hat er schon Prozesse gegen sich erkannt.

00:14:27: Also dass die israelische Justiz jetzt Angst hat vor ihm oder sich sozusagen da aus politischen Gründen ging, wenn ihn zurückhalten würde.

00:14:31: Dafür gab es bisher keine Anhaltspunkte.

00:14:33: Das heißt, die scheinen auch juristisch nicht davon überzeugt zu sein, dass dieser Vorwurf begründet ist.

00:14:38: Und ich finde, bei dem Internationalen Strafgerichtshof muss man auch sagen,

00:14:42: ich finde diesen Vorwurf wirklich, wenn man sich den Antrag anschaut, inhaltlich auch nicht gerechtfertigt,

00:14:47: weil Hamas und Israel werden ja nicht derselben Delikte bezichtigt.

00:14:51: Also die Vorwürfe sind sehr unterschiedlich und sie sind schon im Fall der Hamas auch gravierend.

00:14:56: Und da wird sehr klar darauf eingegangen, was dort für Kräueltaten begangen wurden.

00:15:02: Also nur weil die jetzt im selben Antrag stehen, das ist fast ein bisschen formalistisch.

00:15:06: Und das soll eben auch, wie du schon gesagt hast, ohne Ansehung der Person, sozusagen jemand oder das Image der Person oder was es sonst so für politische Propaganda von sich gibt,

00:15:16: juristisch bewertet werden, was sie tatsächlich tut.

00:15:19: Im Moment beraten drei Richterinnen des Internationalen Strafgerichtshofs in der sogenannten Vorverfahrenskammer.

00:15:27: Ob denn die Beweise, die der Chefankleger zusammengetragen hat, stichhaltig und belastbar sind, Beweise nennt er es.

00:15:36: Und wenn ja, dann würde tatsächlich der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl erlassen.

00:15:42: So geht also das ganze Verfahren.

00:15:44: Netternjau und Verteidigungsminister galant müssten dann in jedem der 124 Vertragsstaaten, die dem Internationalen Strafgerichtshof beigetreten sind, verhaftet

00:15:55: und sofort nach den Haaren überstellt werden.

00:15:58: Das müsste Deutschland dann auch tun.

00:16:01: Dazu hat der Regierungsprecher Hebestreit heute dann auch tatsächlich gesagt, ja, das würde Deutschland so tun bzw. er hat gesagt, Deutschland hält sich ein Recht und Gesetz

00:16:11: und wollte damit ausdrücklich normativ antworten.

00:16:15: Aber das ist genau das, was du dir am Anfang als Bild nicht vorstellen konntest.

00:16:20: Das wäre dann so.

00:16:21: Wir werden es wahrscheinlich auch nie sehen.

00:16:24: Also es ist gerade weil es passieren kann.

00:16:27: Netternjau käme dann nicht.

00:16:28: Genau.

00:16:29: Also gerade weil es passieren kann und die Bundesregierung jetzt klargestellt hat, es würde passieren.

00:16:34: Denn das ist ja die Aussage.

00:16:35: Also wenn die sagen, wir halten unseren Recht und Gesetz, dann halten sie sich auch an ihre Pflicht aus dem Gerichtsstatut, diesen Haftbefehlen Folge zu leisten.

00:16:42: Also es wäre ein Völkerrechtsverstoß, das zu ignorieren und Netternjahu als Gast zu empfangen und dann wieder winkend sich im Flughafen BER,

00:16:50: ihn auf die Reisen in die Heimat zu schicken, ohne ihn festzusetzen.

00:16:54: Deswegen wird das einfach nicht geschehen.

00:16:56: Er wird einfach nicht kommen.

00:16:57: Er wird, das ist womöglich, war dann sein Besuch.

00:17:00: Wann war das letzte Mal da im Frühjahr letzten Jahres, glaube ich?

00:17:03: Kann sein, ja, weiß nicht mehr genau.

00:17:04: Wäre dann sein letzter Besuch in Deutschland?

00:17:07: Deutschland, so hat man erst...

00:17:09: Für immer.

00:17:10: Deutschland hat man gestern noch gedacht, bevor Hebestreit sich geäußert hat, Gerät hier tatsächlich ja, muss man sagen, in ein Dilemma,

00:17:20: denn es betont immer wieder die Wichtigkeit, die Integrität und Unabhängigkeit des internationalen Strafgerichtshofs,

00:17:28: ist auch zweitgrößter Beitragszahler, müsste dann aber diesem etwaigen Haftbefehl vorgeleisten, wie wohl es sich anderer Seite fest an der Seite Israels sieht.

00:17:38: Wie kriegt man das eigentlich alles zusammen?

00:17:41: Wahrscheinlich liegt der Schlüssel darin, sich zu fragen, wer oder was Israel in dem Fall ist.

00:17:46: Also ist es der Staat, das Staatsgebiet, ist es die Person, die die Regierung anführt und damit ja auch,

00:17:57: wenn man so will, das demokratische Gewälte, der demokratische Gewältevertreter des Staatsvolkes ist,

00:18:04: oder muss man sagen, man muss das vielleicht auch separieren und sagen, wenn der zwar demokratisch gewählt,

00:18:10: aber trotzdem womöglich verbrechelisch tätige Regierungschef sich auf diese Weise verhält,

00:18:17: dann bedeutet es keinen Bruch der Solidarität zu Israel, wenn man dieser Person jetzt nicht, jetzt vielleicht die Unterstützung entzieht,

00:18:24: oder diese Person dann fest setzt.

00:18:27: Weil das eben, man kann sozusagen, kann man für Israel sein und gegen den dann ja sein, ich würde sagen ja.

00:18:33: Na klar.

00:18:34: Muss man sogar in so einem Fall.

00:18:36: Auch jetzt schon, kann man sagen.

00:18:38: Natürlich gegen sein, das ist zum Beispiel mein Gesprächspartner, mit dem ich das Interview geführt habe.

00:18:44: Schimon Stein hat ja in keinem seiner Interviews Zweifel daran gelassen, wie kritisch er dem israelischen Ministerpräsidenten gegenübersteht

00:18:53: und auch im Übrigen dessen Kriegsführung, die der an den Tag liegt, im Gaserstreifen.

00:18:59: Dennoch, auch der zeigt sich über das Vorgehen des Chefanklägers irritiert bis empört,

00:19:06: weil er auch etliche Fragen hat daran, ob genügend Substanz hinter der Anklage steht.

00:19:13: Was mir auch in der Entscheidung des Kläger aus Hag fehlte, ist die Ursache und Wirkung.

00:19:28: Und Ypsofactor, auch die, was jetzt überall in aller Munde ist, die Gleichstellung von den drei Hamas und die Netanyahu und Galant gestellt hat,

00:19:44: obwohl es handelt sich hier um ein Angreifer und Angegriffene.

00:19:52: Und das Recht auf Selbstverteidigung stellt sich ganz unklar aus israelischer Sicht für Israel.

00:20:01: Und darüber hinaus gibt es Bedenken ja nicht nur von israelischen Juristen, ob das Gericht die Befügnis hat, israelische Politiker vor Gericht zu stellen

00:20:17: und darüber hinaus auch eine umstrittene Frage über den Status von Palästina.

00:20:24: Es gibt eine ganze Reihe von Bedenken gegenüber die Entscheidung, die gefasst worden ist.

00:20:34: Ich würde gerne mal erst gucken auf die Substanz dessen, was Kahn der Chefankläger davor trägt.

00:20:42: Er erhebt ja, muss man sagen, gewichtige Anschuldigungen.

00:20:46: Er beschuldigt den Ministerpräsidenten und den Verteidigungsminister die Verantwortung zu tragen für nichts weniger als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und für Kriegsverbrechen im Gasastreifen.

00:20:58: Unter anderem wirft er beiden das Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung vor und listet absichtliche Angriffe gegen die Zivilbevölkerung,

00:21:08: absichtliches Herbeiführen von Tod und Leid der Menschen im Gasastreifen auf.

00:21:14: Sie stehen Netanyahu und seiner Kriegsführung sehr kritisch gegenüber.

00:21:19: Das hat man schon in vielen Interviews von Ihren hören können, aber dennoch geht der Chefankläger in Ihrer Wahrnehmung dann hier zu weit?

00:21:30: Wenn Sie es wissen, dann können Sie das sagen, vielleicht geht er zu weit oder nicht weit genug.

00:21:38: Ich habe das Material nicht gesehen. Er hat den Schlagzeilen gesprochen und Schlagzeilen sind gut, aber in solchen Fällen muss man sie auch mit Inhalte belegen und das hat er ja uns nicht mitgeteilt.

00:21:56: Deshalb bleibt es für mich an Fragezeichen, was hat Ihnen dazu veranlasst, das zu behaupten?

00:22:05: Wie Sie sagten, ich mache kein Hell aus meiner Kritik gegenüber der israelischen Regierung seit fast Anfang des Gerichtes.

00:22:18: Und übrigens heute ist der 229. Tag. Das geht leicht über die Zunge, aber für die Familien, die dort noch am Leben gefangene sind, da sind 229 Höhletage.

00:22:34: Das muss man nicht vergessen.

00:22:37: Ich glaube, dass Israel die Art und Weise, wie wir in der Sache humanitare Hilfe vorgegangen sind und zum Teil noch vorgehen, alles anderes als befriedigen ist und nicht israelische Interessen entspricht.

00:23:03: Denn um Legitimation für die berechtigte israelische Reaktion nach dem 7. Oktober, worüber eigentlich Einigkeit herrscht,

00:23:20: müssen wir weiter auch Legitimation für unser Vorgehen in Gaza und für die Länge der Zeit, in der wir noch bedaulicherweise dort sind.

00:23:33: Und wenn wir das, was wir verpflichtet sind, humanitare Hilfe zu leisten, es nicht tun und heute gibt es auch noch Menschen in Israel, die die Lastwagen, die den Weg dorthin machen, auch beschädigen.

00:23:56: Was ist das für eine Lastwagenmethilfe?

00:23:59: Wenn man die Regierung zu sehen und passiv ist anstatt gegen die vorzugehen, dann meine ich, dass Israel nicht in ihrem Interesse handelt.

00:24:11: Ich fand auch die Aussage von Galant am Anfang über das Aus hungern, auch hätte darauf verzichten können und müssen, wenn Israel, wie Israel behauptet, nach dem internationalen Recht und nach dem Kriegsrecht auch handelt.

00:24:32: Insofern gibt es sehr viel, was man an Israel kritisieren kann, ob man soweit gehen muss.

00:24:41: Das ist eine offene Frage und ich habe nicht ausreichend Material, auf die der Ankläger sich tut, um zu dieser Behauptung und Vorwürfe zu kommen.

00:24:54: Ja, der Schäfernkläger Karim Kahn sagt, er und seine Mitarbeiter hätten sehr, sehr viele Beweise gesammelt.

00:25:02: Sie hätten mit Augenzeugen und Überlebenden gesprochen. Es gäbe Videomaterial, Fotos, Audioaufnahmen, Satellitenbilder und Statements, etwa auch das von Ihnen angesprochene des Verteidigungsministers Galant, der grob gefasst gesagt hat, bitte, wir liefern dann keine Lebensmittel mehr in den Gasernstreifen.

00:25:22: Das hatte er aber, das muss man ja auch immer ins Benehmen setzen, gleich am 9. Oktober gesagt. Israel stand da noch unter dem frischen, immensen Schock dessen, was durch den furchtbaren Angriff der Hamas geschehen ist.

00:25:37: Der Schäfernkläger sagt über dieses Material, was er da hat, all das zeige, dass Israel der Zivilbevölkerung absichtsvoll und systematisch Dinge vorenthalten hat, die für das menschliche Überleben unverzichtbar sind.

00:25:52: Und das macht er dann immer an allem fest, was wir letztlich aber auch gesehen haben, die vollständige Belagerung von Gaser, die Schließung der Grenzübergänge, die Beschränkung der Hilfslieferungen, einschließlich Essen, Medikamente, der immer wieder unterbrochenen Versorgung mit sauberem Trinkwasser.

00:26:09: Und hinzu kämen die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, auch solche, die für Hilfsgüter anstanden und so weiter und so fort. Also all das wissen wir ja sogar, ob es sich damit aber um ein systematisches Vorgehen handelt, um eine Methode der Kriegsführung.

00:26:29: Das müssen dann jetzt in einem nächsten Schritt drei Richterinnen beurteilen. Für wie wahrscheinlich halten Sie das, dass tatsächlich daraufhin Haftbefehl erlassen wird?

00:26:41: Eine offene Frage. Aus der Erfahrung in der Vergangenheit haben die Richter immer dem Ankläger gefolgt.

00:26:56: Ja, das stimmt. Es ist dann immer tatsächlich Haftbefehl erlassen worden, wenn ein Chefankläger einen solchen Vorstoß gemacht hatte. Was ist dir aufgefallen?

00:27:07: Mich hat beeindruckt, dass Schimon Stein ja auch sagt, die schlechte Versorgung der Menschen im Gaserstreifen der palästinensischen Zivilbevölkerung dort ginge nicht und sie würde nicht israelischen Interessen entsprechen. Das fand ich sehr interessant.

00:27:28: Ja, man wirft ja der Regierung Netanyahu seit Beginn dieses Krieges ja vor, dass er gerade als Person diesen Krieg für sein politisches Überleben oder seine politische Absicherung nutzt.

00:27:44: Und das ist das eine, er denkt erstmal an seine eigenen Interessen, nicht unbedingt an die Interessen der Geiseln oder die Interessen des Staates.

00:27:53: Das wird ihm ja seit schon länger vorgeworfen und ich muss sagen, ein bisschen teile ich diesen Eindruck auch, dass er wirklich, warum sollten auch sonst die Geiselfamilien so gegen ihn protestieren.

00:28:04: Und man hat ja auch nicht den Eindruck, dass er da wirklich eine Strategie hat jenseits von "Ich muss jetzt Stärke zeigen", nachdem der israelische Staat so von Hamas und diesem Terrorangriff gedemütigt und als wehrlos im Prinzip vorgeführt wurde.

00:28:18: So dieses Gefühl "Ich muss jetzt mal hier den dicken Max machen und zwar auf Kosten von zivilen Opfern eben im Gaserstreifen".

00:28:28: So, das ist das ein und das andere. Er hatte nun, muss man sagen, natürlich zu Beginn, er hatte zwei klar definierte Kriegsziele.

00:28:37: Das eine ist die Zerstörung der Hamas und zwar vollständig. Das zweite ist die Geiseln, tot oder lebendig, auf jeden am liebsten lebendig, selbstverständlich, aber sie rauszuholen und zurückzuholen und zu ihren Familien zu bringen.

00:28:51: Die beiden Kriegsziele in der Tat, das muss man dann jetzt nach den 229 Tagen, die Simon Stein danach gezählt hat, muss man sagen, hat er nicht erreicht.

00:29:00: Er lässt aber nicht von diesen Kriegszielen und das führt halt zu den Zweifeln daran, was will er wirklich, was du gesagt hast.

00:29:08: Stein hat eine Studie zitiert, wonach 53% der Israelis davon überzeugt sind, dass es Netanyahu allein um sein politisches Überleben geht.

00:29:20: Das ist natürlich dann an irgendeinen Punkt auch kaum noch hinzunehmen. Steht das in keinem Verhältnis?

00:29:26: Vielleicht war das Ziel der Vernichtung von Hamas auch von Anfang an unerreichbar mit Blick auf das Image von Israel in der Welt, weil diese Terrororganisation einfach existiert,

00:29:40: schon in ihren Verteidigungsstrukturen komplett ohne Rücksicht auf die eigenen Leute vorgeht. Die Israelis sind ja schon sehr weit gekommen, Hamas zu schwächen.

00:29:52: Also jetzt ist ja mit Rafach sozusagen die letzte, buchstäblich die letzte Bastion von denen erreicht.

00:29:57: Und die vielen zivilen Toten liegen ja nun schon auch daran, dass Hamas nicht gezielt in diesen zivilen Hochburgen da einbunkert.

00:30:07: Und mein Eindruck ist, dass Menschen als Schutzschildemissbraucht Furchtbares vorgehen.

00:30:12: Und das ist vielleicht auch so ein bisschen, das höre ich so durch bei Stein, oder der hat jetzt nicht so explizit gesagt, aber so dieses Gefühl,

00:30:18: wir wurden angegriffen von einer Terrororganisation, die noch immer unsere Zivilisten in ihrer Gewalt hat, in schrecklichen Bedingungen

00:30:27: und die zugleich ihre eigenen Leute opfert, erklärt Hamas und sie auch unsere Armee zur Zielscheibe setzt, sich selber verschanzt hinter Frauen, Kindern,

00:30:38: in Schulgebäuden, in Krankenhäusern und sozusagen diese Ungerechtigkeit, dass man das Gefühl hat, wir stehen in der Welt, werden da als schlechter angeprangert,

00:30:47: an amerikanischen Universitäten mitgegen uns demonstriert, wir werden als Kindermörder und sonst was verschrien, wir sollen boykottiert werden.

00:30:56: Man will Investments streichen und nur weil wir sozusagen Israelis sind, aber woher kommt das Leid, dass die Welt aufgrüttet und dass diese Wut und diesen Hass auf Israel schürt,

00:31:08: kommt daher, dass die Hamas das gezielt und zynisch einkalkuliert, dass diese vielen zivilen Toten kommen.

00:31:15: Und das gilt ja auch für die Versorgung der Zivilisten, muss man ja sagen.

00:31:18: Warum müssen die denn noch immer Elektrizität und Wasser und so was aus Israel beziehen?

00:31:24: Das liegt ja auch daran, dass Hilfsgelder, die ja nun auch schon vor Beginn des Krieges in großer Menge geflossen sind, halt zu großen Teilen irgendwie abgezweigt wurden und in Tunnel investiert wurden.

00:31:36: Also das ist den Leuten da schon ohnehin vorhin, besonders gut gingen, liegt ja auch am Regime der Hamas und daran, dass die halt lieber sich ihre Kriegsmaschinerie aufpumpen,

00:31:46: anstatt was für die eigenen Menschen zu tun.

00:31:50: Es ist auch unmittelbar nach den Angriffen des 7. Oktober gleich gesagt worden, dass die Hamas mit den Hintersassen, die die Hamas unterstützen und ausstatten, Israel eine ganz furchtbare Falle stellt,

00:32:05: in die du gar nicht anders als reingehen kannst, weil du dich verteidigen musst als ein in seiner Existenz fortlaufend bedrohter Staat.

00:32:15: Was hätte Israel machen können?

00:32:18: Die Hamas sah sich irgendwie kaum noch gesehen, dadurch, dass Israel auch zum Beispiel mit Saudi-Arabien Abkommen geschlossen hat, bei denen man dachte, ok, jetzt stabilisiert sich diese Region in guter Weise im Übrigen.

00:32:32: Dabei fiel aber die Palestina-Frage dann immer hinten runter, die hat man zunächst mal ausgeklammert, um überhaupt irgendwie weiterzukommen.

00:32:39: Durch diesen schrecklichen, schrecklichen Angriff der Hamas ist es alles neu auf der Tagesordnung.

00:32:46: Und heute, gerade heute, dann gucken wir uns das gleich an.

00:32:52: Ich wollte erst später machen, passt hier aber, haben Irland, Norwegen und Spanien,

00:32:57: Palästina anerkannt bzw. haben gesagt, sie werden das jetzt tun und zwar schon am 28.

00:33:02: Mai, sprich in sechs Tagen, das geht jetzt ganz schnell.

00:33:06: Darauf hat der israelische Außenminister Katz reagiert und hat gesagt, ja, das ist der

00:33:11: Bestbeweis dafür, dass sich Terror lohnt.

00:33:14: Und da hängst du immer in diesen furchtbaren Fragen schrecklichsten Dilemmatar, die und

00:33:23: fallen, um kurz bei dem Wort zu bleiben, aus denen du gar nicht rausfinden kannst.

00:33:28: Absolut, ich hatte neulich einen Abendessen mit Salman Rusti, mit dem Schriftsteller,

00:33:34: der - Wow, du kannst lauter kennen.

00:33:36: - Dann hab ich jemand anders zu eingeladen, den hab ich jetzt nicht selber akquilliert.

00:33:41: Aber ne, das war wirklich super interessant, weil er, das ging dann auch um die Frage,

00:33:46: wie er diese Situation sieht und auch die Frage nach der Anerkennung eines palästinensischen

00:33:52: Staates.

00:33:53: Und dann sagte er, ne, ihr habt ja auch Erfahrungen damit gemacht, wie das mit den Taliban in

00:33:58: Afghanistan war und mit eurem Hopp-Lahopp-Abzug und jetzt sind die Taliban da am Ruder.

00:34:04: So, und jetzt sagt er jetzt, guckt euch mal bitte Palästina an.

00:34:08: Aus meiner Sicht bedeutet die Anerkennung eines palästinensischen Staates jetzt auch

00:34:12: eine Anerkennung des Staates unter der Führung der Hamas.

00:34:16: Wollt ihr oder wollen die Leute, die das jetzt anerkennen und führen, sind die dann bereit,

00:34:22: diplomatische Beziehungen einzugehen mit der Hamas-Regierung?

00:34:25: Weil das ist ja die logische Konsequenz.

00:34:27: Was bedeutet das, wenn das nicht nur einfach eine Role-Geste sein soll oder eine Erklärung

00:34:32: gegen Israel, wenn man so will oder ne moralischen Support für die Zivilisten, also wenn das

00:34:37: wirklich auch eine staatsrechtliche Internation, geopolitische, geostrategische Dimension haben

00:34:43: soll, dann musst du ja auch, wenn du einen palästinensischen Staat anerkennst, die palästinensische

00:34:47: Staaten Führung anerkennen.

00:34:48: Aber das könnte ja die palästinensische Autonomiebehörde sein, es müsste ja nicht

00:34:52: die Hamas sein.

00:34:53: Na ja, aber die ist ja dann nur ein Teil, die ist ja dann nur ein Teil der Dianzen.

00:34:58: Also wir haben die palästinensische Automiebehörde, deren Vertreter im Gasastreifen zu einem guten

00:35:04: Teil ermordet wurden, als die Hamas an die Macht kam.

00:35:07: Und willst du dann, ich meine ist das dann wie BRD und DDR oder also entweder du erkennst

00:35:14: es ganz an, weil es ja auch eine moralische Frage ist, dass die Palästinenser einen Staat

00:35:19: verdienen.

00:35:20: Aber wenn es mehr sein soll als eine moralische Frage, sondern eben auch vielleicht denke

00:35:23: ich dazu juristisch, aber wenn du da eine Einheit wirklich mit Gewicht anerkennen willst

00:35:29: und Institutionen mit der du politisch Staat machen kannst, dann kommst du glaube ich an

00:35:35: der Hamas nicht vorbei.

00:35:36: Und dann bist du bei einer Organisation, die sich an keine Regeln hält.

00:35:39: Die nicht, also die israelische Armee versucht glaube ich schon bis soweit möglich Kriegsverbrechen

00:35:49: der Soldaten zu verfolgen.

00:35:51: Die Hamas ist eine Organisation, die auf die Begehung von Kriegsverbrechen ausgerichtet

00:35:56: ist.

00:35:57: Das ist deren Geschäftsmodell.

00:35:58: Insofern, wir reden da schon über wirklich eine doppelte Standards im vieler Hinsicht.

00:36:04: Oder sagen wir mal, es wird nur die eine Seite an den Standards wirklich gemessen.

00:36:08: Bei der anderen habe ich oft das Gefühl, denkt man so naja, das ist halt eine Terrororganisation,

00:36:11: die macht halt das was Terrororganisationen so machen.

00:36:13: Aber da kommt mir oft zu kurz, dass die einfach in keiner Hinsicht sich in irgendeiner Weise

00:36:18: an irgendwelche Regeln des menschlichen friedlichen Zusammenlebens halten.

00:36:22: Ja das ist gut, dass du das sagst.

00:36:24: Das ist genau der Punkt.

00:36:26: Man schaut auf die Regierung Israels, weil man vielleicht so das Gefühl hat, man kann

00:36:32: mit denen reden.

00:36:33: Man hat eine Art von Zugriff oder man hat gemeinsame Standards, auf die man sich ja an

00:36:37: irgendeinem Punkt auch mal verabredet hat.

00:36:39: Aber man müsste auf den Verursacher schauen, ganz gewiss, um zu fragen, wie kann man das

00:36:46: Leid der Bevölkerung in Gaserstreifen lösen?

00:36:49: Ja, wenn sich alle Hamas-Terroristen ergeben würden, dann wäre man zum Beispiel schon mal

00:36:55: einen Schritt weiter.

00:36:56: Wir wissen ja auch bis heute nicht, wie viele Menschen in Gaserstreifen, die gestorben

00:37:00: sind, Zivilisten waren und welche Hamas-Kämpfer.

00:37:03: Das wissen wir bis heute nicht.

00:37:04: Wir wissen auch nicht, wie viele Kinder, wie viele Frauen, wie viele Männer da gestorben

00:37:10: sind.

00:37:11: Sind das womöglich viel mehr, als man jetzt so ahnt?

00:37:13: Oder ist es so, dass vielleicht die Hamas-Behörde auch die Zahlen sich so hinrechnet?

00:37:18: Da gab es ja jetzt vor ein paar Tagen da diese seltsame Herumrechnerei irgendwie.

00:37:22: Auf einmal wurde innerhalb der vielen, vielen Toten so umgeschichtet.

00:37:26: Das waren doch nur die Hälfte der Kinder, die man gezählt hat.

00:37:30: Jetzt ist es, was ja auch schon eine schreckliche Zahl ist, 7000.

00:37:32: Auf einmal ging es nur noch in Anführungsstrichen um 7000 und danach "Nee, wir haben uns verrechnet,

00:37:36: das ist jetzt doch wieder 14000."

00:37:37: Und eben bei den erwachsenen Männern, du weißt, wenn dir ein israelischer Soldat gegenüber

00:37:43: tritt, dann hat er eine Uniform und ist als solcher erkennbar.

00:37:47: Aber wenn dir ein Hamas-Kämpfer gegenüber tritt, dann könnte der auch ein Lehrer oder

00:37:52: der Inhaber eines Gemüse laden sein oder einfach ein unbescheulter Familienvater, der einfach

00:37:56: irgendwie versucht zu überleben.

00:37:58: Und ich glaube, dass die Israelis damit konfrontiert sind, dass die sozusagen in diesem Häuserkampf

00:38:04: dann auch teilweise gar nicht erkennen können, wer steht da vor mir und dass dann Zivilisten

00:38:08: sterben, sozusagen das garniert mit diesen Schafmacheräußerungen von dieser Regierung

00:38:13: in Israel, die dann eben sagt, wir wollen die Ausungern oder wir wollen, die haben es

00:38:17: verdient oder weiß nicht, was, diese Kombination ist eben so toxisch und es ist ja die Falle,

00:38:23: in die sie reingetappt sind und in der sie jetzt sitzen.

00:38:25: Ausungern haben sie explizit nicht gesagt, aber es ist so verstanden worden.

00:38:30: Man kann es auch so deutlich, dass Schäferankläger deutet ist, genau so.

00:38:33: Ich will das nachtragen, weil ich es nicht mehr auswendig wusste, was Galant gesagt

00:38:37: hatte.

00:38:38: Doch habe ich gesagt, es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Streibstoff geben.

00:38:43: Das hatte er da gleich gesagt, so, das wird verstanden als Ausungern und als Methode der

00:38:49: Kriegsführung.

00:38:50: Ich will zurückkommen nochmal darauf auf die Frage, die ich mir mit dir in dieser Folge

00:38:55: ja stellen will, wie belastbar ist Deutschland Solidarität mit Israel, dass sich jetzt,

00:39:01: das haben wir uns jetzt gerade alles angeschaut, konfrontiert sieht mit dem möglichen Haftbefehl

00:39:07: gegen den israelischen Ministerpräsidenten und gegen den Verteidigungsminister, der

00:39:12: derzeitige Botschafter Israel in Deutschland, Ron Brozor hat den Antrag des Schäferanklägers

00:39:18: auf Haftbefehle als Unverschämtheit bezeichnet, hat er gesagt, hat gefordert Deutschland

00:39:23: müsse sich ganz klar distanzieren.

00:39:25: Wie kann Deutschland das eigentlich besser machen?

00:39:28: Also blenden wir die Frage aus, ob diese Forderung berechtigt ist oder nicht.

00:39:35: Nein, wir sehen auf.

00:39:37: Wieso sollte Deutschland das ignorieren?

00:39:39: Das ist eine Institution oder sich distanzieren davon.

00:39:42: Das ist jetzt erstmal eine unabhängige Institution dieses Gericht.

00:39:45: Dieser Chefankläger, der hat das nach juristischen Kriterien bewertet und wir sind völkerrechtlich

00:39:49: gebunden, es zu befolgen.

00:39:51: Da können wir nicht aus politischen Gründen sagen, es passt uns jetzt aber nicht und das

00:39:54: ignorieren wir, das geht nicht.

00:39:57: Und das kann man natürlich als Botschafter politisch fordern, das ist jetzt ja nicht

00:40:01: in irgendeiner Weise verboten oder illegitim, aber es wäre als Position der Bundesregierung

00:40:05: meiner Meinung nach wirklich fatal.

00:40:07: Wie sehr schränkt uns die Staatsreisont, die berühmte, in solchen Fragen jeweils ein?

00:40:14: Ich habe mir das für die Folge jetzt nochmal angeschaut, weil mir irgendwie dunkel in Erinnerung

00:40:19: war, dass das, was Angela Merkel 2008 in der Knesset gesagt hat, ein bisschen anders klingt

00:40:25: als das, was Olaf Scholz inzwischen sagt und in der Tat eventuell nur ein kleines

00:40:30: Unterschied, aber ich finde ihn interessant.

00:40:32: Merkel sagt also in der Knesset, jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der

00:40:38: besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet.

00:40:43: Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsreisont meines Landes,

00:40:50: das heißt die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals

00:40:54: verhandelbar und wenn das so ist, dann dürfen das in der Stunde der Bewährung keine leeren

00:41:00: Worte bleiben.

00:41:01: Also Teil der Staatsreisont meines Landes und Olaf Scholz sagt dann, die Sicherheit Israels

00:41:08: und seiner Bürger ist Staatsreisont, nicht mehr Teil, sondern ist Staatsreisont.

00:41:17: Versteige ich mich hier gerade oder ist da ein Unterschied?

00:41:19: Da sehe ich jetzt ehrlich gesagt keinen so großen Unterschied, weil ich denke auch Merkel

00:41:24: meint nicht, dass die Sicherheit Israels, die einst sozusagen die Staatsreisont nur

00:41:28: daraus besteht, das Scholz sieht das denke ich nicht so oder ob das jetzt ein Teil ist,

00:41:32: ob es da auch noch andere Aspekte gibt, die die Staatsreisont Deutschlands ausmachen.

00:41:35: Das halte ich jetzt nicht für so relevant wie die Frage.

00:41:38: Also meine Kollegen vom Spiegel haben da mal einen sehr interessanten Beitrag geschrieben

00:41:42: und ganz minutiös aufgedröselt.

00:41:43: Wie kam das eigentlich, dass Merkel dieses Wort verwendet hat?

00:41:47: Und das hatte sie irgendwie in der Rede vor der CDU, zu einem CDU-Jubiläum gemacht, da

00:41:53: war sie noch gar nicht Kanzlerin und hatte ihren Leuten gesagt, macht mir da auch irgendwas

00:41:56: Gutes zu Israel rein und das war auch eine Phase, wo sie politisch gerade ziemlich unter

00:42:00: Druck war, war noch nicht Kanzlerkandidatin und so.

00:42:02: Und dann haben die irgendwie einen Aufsatz gefunden von dem SPD-Politiker Rudolf Dressler,

00:42:07: der diese Formulierung benutzt hat.

00:42:08: Ganz genau.

00:42:09: Da haben sie gesagt, das übernehmen wir doch mal.

00:42:10: Und dann haben die das übernommen und das hat damals keiner groß gemerkt und erst als

00:42:14: sie es dann später als Kanzlerin nochmal wiederholt hat, da waren dann alle im Auswärtigen

00:42:19: am ganz aufgeregt, weil keiner genau wusste, was es heißt.

00:42:21: Und ich glaube das ist auch der Punkt, dass A, keiner genau weiß, was Staatsreisont heißt,

00:42:26: das kann alles mögliche sein.

00:42:27: Das zweite ist, bezieht es sich auf die Existenz-Israels oder bezieht es sich auf die Sicherheit-Israels?

00:42:33: Die Sicherheit-Israels sagt sie.

00:42:35: Merkel hat beides gesagt, sie hat auch schon mal von der Existenz-Israels gesprochen.

00:42:39: Die Formel hat sie dann nie wieder verwendet, dann hast du jetzt nur einmal gesagt und das

00:42:42: ist ja hier schon auch zentral, weil Sicherheit ist ja dehnbar.

00:42:46: Also, bedeutet Sicherheit, dass du U-Boote lieferst, generell Waffen lieferst, bedeutet Sicherheit,

00:42:53: dass du bereit bist, Soldaten zur Verfügung zu stellen, dort hinzuschicken, für eine

00:42:59: UNO-Blau-Helmen-Mission oder was auch immer.

00:43:02: Bedeutet es diplomatischen Schutz, bedeutet es, dass man eventuell Israels Verteidigungsrecht

00:43:08: stellt über einen Haftbefehl des Strafgerichtshofs und das sozusagen du kannst alles, das ist

00:43:15: das Schöne, da sind wir wieder beim schwammigen Völkerrecht oder bei diesen dehnbaren Begriffen,

00:43:20: kannst du schon alles irgendwie drunter fassen.

00:43:21: Wie wird es tatsächlich jetzt gemacht?

00:43:24: Mein Gefühl ist, dass es ein Begriff ist hinter denen sich Scholz und Merkel beide eigentlich

00:43:29: immer eher versteckt haben.

00:43:31: Es ist ein Wieselwort, dieses Staatsraison.

00:43:34: Was ist ein Wieselwort?

00:43:35: Also was, wo man sich so weckt, dass es weiselt da so durch, aber keiner kriegt zu fassen.

00:43:41: Weil sozusagen, ja, das ist uns wahnsinnig wichtig.

00:43:44: Ja.

00:43:45: Das ist die Wahrheit, damit ist kein Versprechen verbunden.

00:43:48: Damit kann sich Herr Prosor, damit kann sich Herr Netanyahu, davon kann man sich nichts kaufen.

00:43:51: Und das finde ich zeigt man jetzt auch, weil Annalena Baerbock kann die Staatsraison beschwören

00:43:58: und kann zugleich sagen, Israel jetzt reicht es aber.

00:44:00: Jetzt wirklich Waffenstillstand, jetzt wirklich Schluss, kann sich mit Netanyahu hinter verschlossenen

00:44:05: Türen in die Haare kriegen und kann einen Appell, einen internationalen Unterzeichnen,

00:44:10: dass die israelische Regierung sich mäßigen muss, bitte keine Bodenoffensive.

00:44:14: Aber so ein Staatsraison auch nie verstanden, dass du dann keine Kritik mehr üben kannst

00:44:19: am Vorgehen einer israelischen Regierung.

00:44:22: Aber wenn du sagst, das ist die Sicherheit, Israel ist ein Staatsraison und dann sagt

00:44:27: Netanyahu, aber Leute, es geht um unsere Sicherheit.

00:44:29: Wir müssen diese Offensive in Rafach machen, sonst sind wir nicht in Sicherheit.

00:44:33: Die sitzen alle da, der Sinn war, die Vögel sitzen alle in Rafach im Keller.

00:44:37: Sinn war es einer der Hamas-Führer, der jetzt auch von dem Chefern Klecker angeklappt.

00:44:42: Wenn wir die Typen nicht geschnappt haben und das kostet daneben eine Offensive, sind wir

00:44:46: nicht sicher.

00:44:47: Also ist euch unsere Sicherheit jetzt wichtig oder ist euch nur wichtig, wenn es gut aussieht?

00:44:53: Also nochmal die Frage gestellt, wie belastbar ist dann Deutschland Solidarität mit Israel?

00:45:00: Heute hat sie sich wieder gezeigt, muss man sagen.

00:45:03: Ich habe eben angesprochen, wir haben beide drauf geguckt, was Norwegen, Irland und

00:45:07: Spanien davor haben, dass sie Palästina jetzt sehr schnell als Staat anerkennen werden.

00:45:13: Deutschland hat sofort gesagt, wir ändern unsere Position nicht.

00:45:16: Und die geht so, dass zunächst müssten das Verhandlungen ergeben, dass man die berühmte

00:45:22: Zweistartenlösung will.

00:45:24: Und zwar Israel und Palästina müssten das ausverhandeln und erst dann würde Deutschland

00:45:30: auch anerkennen und sagen, okay, das ist hier der zweite Staat, nämlich Palästina.

00:45:34: Da also positioniert sich Deutschland sehr, sehr klar gegenüber dem internationalen Strafgericht

00:45:42: zur Fahnen.

00:45:43: Sie jetzt auch kritischer als zum Beispiel Frankreich und Belgien.

00:45:47: Isoliert sich Deutschland im Zweifel auch mit in allzu großer Nähe mit Israel und dem

00:45:56: so regierten Israel?

00:45:57: Eine ernsthafte Isolation, glaube ich, drohte nie und würde auch nicht, sozusagen riskiert,

00:46:06: denke ich.

00:46:07: Es gibt Abweichungen.

00:46:08: Also dieses Thema Staatsreson bedeutet diplomatische Abweichungen vielleicht vom Mainstream, die

00:46:14: auch die internationalen Partner immer noch subsumieren können und dann die Deutschen

00:46:18: mit ihrer Vergangenheit und so.

00:46:19: Das müssen wir hinnehmen, dass die halt nicht so hart verurteilen oder dass die sich enthalten

00:46:25: im Sicherheitsrat, wenn es in den Vereinten Nationen eine Resolution gibt, die Israel

00:46:32: verurteilt oder zum Seasfire, zum Paffenstellstrand aufruft, dann enthalten sich die Deutschen.

00:46:38: So ist es halt.

00:46:39: Aber wie belastbar ist das?

00:46:41: Also ich denke, wenn man jetzt sagt, Israel steht am Abgrund und da gibt es eine Brücke

00:46:45: und die Deutschen sind diese Brücke, ist die aus Stein oder ist das so eine wackelige

00:46:50: Hängebrücke?

00:46:51: Ich würde sagen, es ist tendenz eher Richtung Hängebrücke als Richtung wirklich feste,

00:46:57: bombenfeste Brücke über den Abgrund, weil es ist schon eher ein diplomatisches Versprechen

00:47:04: als ein existenzielles Versprechen.

00:47:06: Wie wohl Deutschland ja auch zum Beispiel Waffen geliefert hat?

00:47:09: Jetzt im Zuge des neuen Gasekrieges, also Deutschland steht ja da, klar schickt keine Soldatinnen

00:47:18: und Soldaten, aber liefert Waffen, unterstützt dann doch auch immens, also sogar ein bisschen

00:47:24: trittfester als deine Hängebrücke.

00:47:26: Auch eine Hängebrücke, das kann man ja drauftreten vielleicht, weil man die Nerven hat dafür.

00:47:31: Ja, also ich kann ja nur meinen Eindruck schildern und mein, ich weiß noch, dass damals,

00:47:38: als in der kurzen Zeit meiner na Ostkarriere als Journalistin, war ja gerade Ehud Olmat

00:47:44: am Ruder in Israel, hat den Gaseschreifen, die Räumung des Gaseschreifens durch die

00:47:49: Israelis ermöglicht, war ein Regierungschef, der sich sehr wieder bemüht hat, um ein Entgegen

00:47:57: kommen, was ja später dann durch die Siedlungspolitik von Nettern ja auch wieder völlig zerstört

00:48:00: wurde eigentlich.

00:48:01: Und in der Phase, glaube ich, war, es gab immer wieder diese Phasen der Hoffnung und

00:48:09: da wurde auch diplomatisch viel investiert.

00:48:12: Jetzt habe ich den Eindruck, dass ja, dass auch dieses Verhältnis zu Nettern ja so gespannt

00:48:18: ist, dass man mit dem will einfach auch keiner wirklich ein Bündnis eingehen, weil man weiß,

00:48:22: dass seine Politik dazu beigetragen hat, was jetzt gerade da unten passiert.

00:48:26: Und das macht natürlich das Thema Staatsresort dann auch schwierig.

00:48:29: Was willst du mit jemandem, der dieses Sicherheitsrisiko für sein Land selber mitgezüchtet hat?

00:48:34: Es gibt der Thronmann-Aufnahmen, wo er sagt, das ist doch toll, dass wir die Hamas haben,

00:48:38: sonst die mal füttern, dann spalten sich die Palästinensoren, kriegen nie in eigenen

00:48:41: Staatsogenfersitzungen verkürzt, wiedergegeben.

00:48:44: Also er ist Teil des Sicherheitsrisikos für sein eigenes Land.

00:48:48: Ist es unsere Staatsresort so ein Mann, mit so einem Mann sich dann einzulassen?

00:48:53: Sehr guter Punkt.

00:48:55: Wie sehr isoliert sich unser Land womöglich mit Israel war eine Frage, die ich aber auch

00:49:00: Schimannstein gestellt habe?

00:49:01: Am Samstag habe ich ein Lesebrief in der FHZ veröffentlicht als Reaktion auf einem Leitartikel

00:49:16: in der FHZ, der auch den Titel, den Titel trug, die Überschrift "Deutschland als

00:49:23: ehrlicher Makler im Nahen Osten".

00:49:52: Aber Sie wären nicht dafür, dass wir Sie aufgeben?

00:49:55: Wissen Sie, es war ja nicht meine Entscheidung überhaupt, die Ihnen begriffen.

00:50:00: Wissen Sie, der Stadtresort Begriff kommt nach dem Deutschland sich nach EUNIER zum Existenzrecht

00:50:13: und Israel Sicherheit verpflichtet hat oder eine Verantwortung trägt.

00:50:19: Eine Fortsetzung, diese Verantwortung mit dem Blick auf die deutsche Geschichte hat Deutschland

00:50:28: zu verantworten.

00:50:29: Also das war ja nicht ich, ich kenne mich in dieser Phase etwas gut aus, weil ich damals

00:50:38: im Amt war, aber das ist ja nicht, dass die Israelis an die deutsche Regierung bzw.

00:50:44: die Bundeskanzlerin gesagt hat, bitte Bundeskanzlerin, uns fehlt etwas.

00:50:49: Vielleicht stellen Sie sich mal vor, hier ist der Begriff.

00:50:53: Stattesort.

00:50:54: Sturgens das erste Mal, dass dieser Begriff in Luft kam, war 2005 von dem aufscheidenen

00:51:06: deutschen Botschafterin Israel Rudolf Dresler.

00:51:10: 2005.

00:51:11: Und dann habe ich das auch apropos wiederholt.

00:51:15: Aber alles was mit Deutschland Verpflichtung gegenüber Israel oder gegenüber Poland ist

00:51:23: zunächst eine deutsche Entscheidung.

00:51:25: Und Deutschland muss sich seine historische Interessen und seine gegenwärtige Interessen

00:51:34: gerecht werden.

00:51:35: Ist interessant, dass er sagt, die Staatsräson schränkt unsere Manövrierfähigkeit ein.

00:51:43: Außerdem fand ich gut am Schluss nochmal zu sagen, was eigentlich Außenpolitik ausmacht.

00:51:51: Also wir haben ja neulich die Werte geleitete Außenpolitik.

00:51:54: Stimmt, die gab es ja auch noch.

00:51:57: Damit muss man aber sagen, setzt sich Deutschland ja immer wieder auf ein sehr hohes moralisches

00:52:03: Ross, das uns sowieso immer und ausdauernd vorgeworfen wird.

00:52:08: Und von diesem Ross kannst du auch sehr, sehr tief fallen, wenn du nämlich in dann die Landmatter-Situationen

00:52:14: bist, für die deine moral und vielleicht eine Werteleitung gar nicht ausgelegt war.

00:52:21: Auch das finde ich schränkt unsere Manövrierfähigkeit in gewisser Weise ein, dass wir Außenpolitik

00:52:28: nicht zuallererst als Interessenpolitik verstehen.

00:52:31: Und das mahnt Schimon Stein am Schluss dieses Ausschnittes.

00:52:35: Und übrigens kann man das ganze Interview dann vollständig am Samstag hören.

00:52:40: Das mahnt er ja hier an.

00:52:42: Beeindruckt dich das?

00:52:43: Ja schon, weil er sich auch ein bisschen unseren Kopf zerbricht bei dem Thema und sehr abstrahieren

00:52:49: kann von Interessen seines Staates.

00:52:53: Und ich glaube, er hat Merkel auch schon beeinflusst in ihrem Denken.

00:52:59: Sie war ja öfters im Gespräch mit ihm was ja Ungewöhnliches, weil er nur in Anfang

00:53:03: Strich in Brotschafter war.

00:53:04: Also eigentlich hat sie als Bundeskanzlerin jetzt vermutlich auch Olaf Scholz sich nicht

00:53:08: mit Brotschaftern abgegeben.

00:53:09: So wenn der mit Israeles Reden wollte, hat er dann in der Regierungszentrale angerufen.

00:53:15: Aber Stein war jemand, der auf jeden Fall Merkels Ohr hatte und würde mich mal interessieren,

00:53:21: wie sie das jetzt hält.

00:53:22: Aber ja, also es schränkt uns natürlich auf jeden Fall ein.

00:53:25: Ob es uns jetzt wirklich zu einer schlechten Vermitterin machen würde in Deutschland,

00:53:31: im Nahen Osten weiß ich nicht.

00:53:33: Also wir hatten ja auch viele Außenminister, also zum Beispiel Sigmar Gabriel, der in der

00:53:37: arabischen Welt ja sehr geschätzt war und dort gute Kontakte hatte.

00:53:41: Und es gab ja jetzt, also es gibt ja jetzt auch von Annalena Baerbock sehr viel Bemühungen,

00:53:49: die ist ja viel in der Region herum gereist und hat versucht zu vermitteln.

00:53:54: Ich kann mir nicht vorstellen, dass jeder jemand vorgehalten hat, ihr habt ja, ich will nicht

00:53:59: mit dir reden oder irgendwie das ist für mich weniger wert, was du sagst, weil ihr ja

00:54:04: da diesen Staatsräson begriff habt oder so, also diese Denkweise.

00:54:08: Also ich glaube schon, du hast es eben auch selber gesagt, ich glaube wir werden natürlich

00:54:11: Deutschland wird klar abgebucht.

00:54:13: Wo sind wir positioniert?

00:54:15: Das muss aber auch nichts Faltes sein.

00:54:16: Außerdem, ich will nicht richten.

00:54:18: Ich kann man sie leichter einschätzen, so auch muss man ja auch sagen.

00:54:20: Genau.

00:54:21: Das andere ist auch, man muss sagen, die Welt ist im Moment so kompliziert, auch diplomatisch

00:54:28: zu bestellen.

00:54:30: Da möchte man in der Haut auch überhaupt gar nicht sein.

00:54:33: Aber ich möchte das aber auch auf uns gucken, auch auf die deutsche Gesellschaft.

00:54:38: Da können wir ja auch was tun.

00:54:39: Wenn wir fragen, wie belastbar Deutschland Solidarität mit Israel ist, dann bist du

00:54:45: auch bei uns.

00:54:47: Wenn wir aber auf die deutsche Gesellschaft schauen, dann erschüttern ein natürlich die

00:54:51: Zahlen, die gestern das BKA veröffentlicht hat, wonach sich die Zahl antisemitisch motivierter

00:54:57: Straftaten in Deutschland im vergangenen Jahr fast verdoppelt hat.

00:55:02: Und ein Großteil dieser Taten ist nach dem 7.

00:55:06: Oktober verübt worden.

00:55:08: Das heißt, das hat unwahrscheinlich viel an längst vorhandenem Hass und Antisemitismus

00:55:14: auf eine Art freigespült oder ausgelöst, wie ich, gibst du, mir das überhaupt gar nicht

00:55:20: hätte vorstellen können.

00:55:22: Was ist da los in Deutschland?

00:55:24: Ich verstehe es nicht, ich verstehe es wirklich nicht, weil ich einen gerüttelt Maß an

00:55:29: Denkfauleitunterstelle, an Verblendetheit, an Ideologie, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland

00:55:36: nicht mehr sicher leben können.

00:55:38: Das kann doch alles gar nicht wahr sein.

00:55:39: Ja, also es wird eben jeder jüdische Mitbürger automatisch als Sympathisant-Vertreter des

00:55:49: israelischen Staates eingeordnet, wohin gegen natürlich nicht jeder Palästinenser als

00:55:54: Hamas Sympathisant eingeordnet wird.

00:55:56: Und das meine ich mit den Denkfauleit.

00:56:00: Weißt du, wie oft höre ich auch selbst im Bekanntenkreis, dass Menschen sagen, naja,

00:56:07: das ist ja auch so kompliziert mit diesem Naostkonflikt.

00:56:10: Ja, der ist komplex.

00:56:12: Aber eigentlich kann man sich da einigermaßen gut orientieren, indem du allein sagst, okay,

00:56:18: es gibt zulässige selbstverständlich zulässige Kritik an der israelischen Regierung und

00:56:25: schon mal allemal an dem Ministerpräsident Netanyahu.

00:56:29: Das hat gar nichts mit Antisemitismus zu tun.

00:56:32: Das darf man auch nicht andauernd und immer fortverwechseln, sondern man muss hingucken,

00:56:39: okay, hier präzise Bums, das ist das, was die israelische Regierung zu verantworten

00:56:43: hat, das ist das, was die israelische Bevölkerung will.

00:56:47: Zum Beispiel in der Geiselfrage sind da einfach mal klare Unterschiede.

00:56:51: Es gab große Proteste gegen Netanyahu vor dem 7.

00:56:55: Oktober wegen dessen sogenannte Justizreform.

00:56:58: Also, dass man Kritik an der israelischen Regierung üben kann, ist bei Leibe nicht antisemitisch

00:57:04: motiviert, sondern entstammt einer sauberen Analyse dessen, was dieser Mann will, für

00:57:10: welche Politik steht dieser Mann.

00:57:13: Daraus aber zu machen, dass du plötzlich, wenn Israel reagiert auf einen Terrorangriff,

00:57:21: alles freispülst, dir keinerlei Zurückhaltung mehr aufwählst, das will man wirklich nicht

00:57:28: in den Kopf, guck dir an, was beim ESC vorgegangen ist, schau dir die Proteste an Universitäten

00:57:34: an, wo ja eigentlich, denk ich mal, klar denkende Menschen sitzen, schau dir diese

00:57:38: ganzen Demonstrationen an, in der immer wieder überzogen wird.

00:57:43: Ich komme da nicht hinter.

00:57:44: Ich komme da auch nicht hinter und was ich noch schlimmer finde ist, also ich finde

00:57:48: es auch schon furchtbar, dass diese 20-jährige Sängerin sozusagen nur weil sie aus Israel

00:57:53: kam, auf diese Weise terrorisiert und geblot und angefeiert.

00:57:58: Und die zu verantworten, an Vorgehen der israelischen Armee im Gaserstreifen.

00:58:04: Wie bitte?

00:58:05: Und da kann man sogar noch sozusagen sagen, ihr Auftritt ist sozusagen also ein symbolischer

00:58:09: Auftritt, also ihr will das wirklich in keiner Weise verteidigen und denke auch selber nicht

00:58:12: so, aber da kann ich zumindest noch kognitiv nachvollziehen, dass es Leute gibt, die sagen,

00:58:16: die Teilnahme eines Staates, der aus unserer Sicht Völkermord begeht, es gibt ja viele

00:58:20: Leute, die das wirklich als Völkermord bewerten, es gibt noch Juristen, die das als Völkermord

00:58:24: ja bewerten, sozusagen wir wollen nicht, dass so ein Staat vertreter zu so einem Happy

00:58:29: Go Lucky Song Event schickt.

00:58:31: Fine.

00:58:32: Kann ich noch irgendwie nachvollziehen.

00:58:34: Aber warum man dann Jüdinnen und Juden, die in Deutschland leben, terrorisiert, weil

00:58:39: sie ein Davidstern um den Hals tragen in der U-Bahn oder dass man, wenn man weiß, dass

00:58:44: irgendwo ein jüdischer Mensch wohnt, ein Davidstern oder irgendwie Free Gaza an die

00:58:50: Bandsche, so brüht, so dass der jeden Tag nach Hause geht und um sein Leben fürchtet

00:58:55: oder wirklich da terrorisiert wird im Alltag, nur wegen seines Glaubens, also das ist wirklich

00:59:01: für mich nicht nachvollziehbar und mich verstören diese Universitätsproteste auch

00:59:05: wegen ihrer, sagen, ihrer mangelnden Bereitschaft zum Diskurs und zum Streit.

00:59:11: Ich meine, das hat wirklich nichts mehr auch mit dieser Atmosphäre zu tun, die man sich

00:59:14: an Universitäten wünscht.

00:59:15: Ich frage mich manchmal, ob das bei den 68ern auch so war und wer dann nur zu jung war

00:59:19: und dass wir das nicht mehr mitbekommen haben, dass es einfach genau dasselbe ist, dass

00:59:22: damals auch halt auf eine Weise geschrien und einfach blockiert und sozusagen sich eingemauert

00:59:29: wurde oder ob damals mehr diskutiert wurde.

00:59:32: Das weiß ich nicht.

00:59:33: Wenn die damals dann erst mal eine Runde Jointsinteresse hatten, vielleicht haben sie auch mal mehr

00:59:38: miteinander geredet oder so, aber jetzt ist ja so, dass man sieht ja immer wieder und liest

00:59:42: auch immer wieder, dass wenn dann jemand versucht, das Gespräch mit denen zu suchen, sei es jetzt

00:59:47: Professorinnen, Hochschulleitungen oder auch auf Veranstaltungen, die dann so gesprengt

00:59:51: werden sollen, dann versuchen die Leute auf den Podien irgendwie zu sprechen mit den Störern

00:59:57: und es gibt einfach keinerlei Interesse überhaupt mit denen in eine Diskussion einzutreten.

01:00:01: Sie überhaupt sich dafür, sich Argumente anzuhören.

01:00:03: Ist das ein neues Phänomen oder ist das, also wie mich beunruhigt das irgendwie total?

01:00:08: Und gerade deswegen finde ich es wichtig an diesem Staatsresonant Begriff festzuhalten

01:00:12: und dass die Politik irgendwie den Mumm hat.

01:00:14: Weil sonst können wir auch unsere gesamten historischen Ballast mal abwerfen und sagen,

01:00:20: wir sind jetzt einfach ein Staat wie jeder andere.

01:00:22: Aber ich finde gerade wegen dieser Verhaltensweisen, die ja auch gerade von jüngeren Leuten kommen,

01:00:28: das finde ich schon wichtig, das auch immer wieder zu betonen.

01:00:31: Ja, genau.

01:00:32: Da muss eine klare Grenze sein.

01:00:35: Da gibt es genau gar nicht kein Fitzeltchenverständnis für antisemitisches Gedankengut, wie es

01:00:41: auch insgesamt kein Verständnis für Hass geben darf.

01:00:46: Wie kann man es besser machen, frage ich ja gerne in dem Podcast.

01:00:50: Und hier ist meine Antwort eigentlich, wenn du so willst, ganz einfach, aber auch streng,

01:00:58: indem man nämlich präzise unterscheidet, indem man sich wirklich mühe gibt, sauber

01:01:03: hinzugucken.

01:01:04: Worum geht es da jetzt hier?

01:01:06: Weil ansonsten glaube ich, kommst du nicht weiter.

01:01:11: Ideologien haben für mich immer was Dummes.

01:01:14: Und wenn du nicht in der Lage bist und auch nicht die Bereitschaft auch nur an irgendeiner

01:01:19: Stelle fühlst, dein eigenes Denken kurz zu überprüfen, dann ist glaube ich auch eine

01:01:26: Gesellschaft verloren.

01:01:28: Deshalb, ich wünsche mir mehr präzise Grund.

01:01:32: Oder sich frei zu machen von der Vorstellung, man darf nur für eine Seite und gegen die

01:01:37: andere sein.

01:01:38: Also dieses, das okay ist, dass man mal hinschaut und sagt, da sind ganz viele, da gibt es ganz

01:01:45: unterschiedliche Seiten, die da eine Rolle spielen.

01:01:50: Genau, das kannst du nicht schwarz-weiß-hülsen.

01:01:52: Es ist kein Verrat an der palästinendischen Sache, Empathie zu empfinden für Frauen,

01:01:57: die von der Hamas entführt und vergewaltigt wurden.

01:02:00: Und es ist auch kein, so man sagen, das merke ich an mir selber oft, ich habe dann so eine

01:02:06: Véhemence in der Verteidigung Israel und habe mich dann immer gefragt, so müsste ich,

01:02:09: ich muss mich auch mehr öffnen für dieses Leiden der Palästinenser.

01:02:13: Und das ist dann kein, das heißt nicht, dass ich nicht grundsätzlich tendenziell eine

01:02:18: Offenheit oder ein Verständnis für die israelische Seite habe oder mich von der mehr angesprochen

01:02:22: fühle, aber ich muss doch nicht hier, ich bin ja kein Richterin, das ist mir zum Glück

01:02:26: keine Juristin geworden, sondern ich muss, es ist okay, das Leiden auf beiden Seiten

01:02:32: anzuerkennen und sich zu öffnen.

01:02:34: Ja, und das macht die Debatten im Freundeskreis auch einfacher, finde ich.

01:02:38: Also ich finde es ja ganz schlimm, das sind ja so Themen über die Freundschaften zerbrechen,

01:02:43: diese Diskussionen.

01:02:44: Und da ist nach meiner Erfahrung so dieses Annämen der anderen Seite, dass die auch teilweise

01:02:49: recht haben könnte.

01:02:50: Das ist da, glaube ich, wichtiger als bei jedem anderen Thema.

01:02:54: Vorkommen richtig.

01:02:55: Wo stehen wir in einem Jahr bei dem Thema?

01:02:57: Was denkst du, wie belastbar ist Deutschlands Solidarität mit Israel?

01:03:04: Ich denke, alles hängt davon ab, ob es irgendwie gelingt, dann haben wir diese Geiseln zu entreißen,

01:03:10: entwinden auf dem Verhandlungswege.

01:03:12: Und es wird ja wahrscheinlich nur auf dem Verhandlungswege geben.

01:03:15: Es wird einen hohen Preis geben, es wird wahrscheinlich völlig unabhängig davon, was bei diesem

01:03:19: Feldzug der Israelis jetzt schiefläuft oder an Kollateralschäden, an vertraumatisierten

01:03:26: Kindergenerationen irgendwie wieder erzeugt wird.

01:03:30: Es muss gelingen, diese Geiseln freizukriegen, weil die sind ja auch die Triebfeder und

01:03:35: auch für jemanden wie Netanjau die Rechtfertigung, da mit dieser eisernen Faust drauf zu hauen.

01:03:39: Auch wenn alle irgendwie wissen, es bringt nichts.

01:03:42: Es muss gelingen, diese Menschen zu befreien, schon einfach aus diesem humanitären und moralischen

01:03:46: Anspruch, dass die einfach in dieser unfassbaren Situation sind, der Gefangenschaft.

01:03:51: Und ich denke, wenn das gelingt, dann können wir in einem Jahr vielleicht in einem etwas

01:03:58: besseren Ort sein.

01:04:00: So zu sagen, wie der dann aussieht, ob man da vielleicht auch mit Hilfe arabischer Partnerstaaten

01:04:06: in irgendeiner Weise da Aufbauhilfe, auch Staaten, Aufbauhilfe, Nationbuilding schafft.

01:04:13: Das wäre meine Hoffnung.

01:04:15: Ja, und es mag ja was verändern, sollte Haftbefehl erlassen werden gegen Netanjau, stellt sich

01:04:23: natürlich die Frage, kann er dann im Amt bleiben oder muss es Neuwahlen geben, tritt

01:04:29: er sogar zurück, was mir erst mal unwahrscheinlich erscheint, aber okay, lass es mal in diesem

01:04:35: einen Jahr tatsächlich passieren.

01:04:37: Es gäbe eine andere Regierung und es gäbe dann in der Frage vielleicht auch eine Entwicklung

01:04:44: zum hoffentlich guten.

01:04:46: Melanie, hab vielen, vielen Dank, dass du bei uns warst.

01:04:49: Das war sehr gerne.

01:04:50: Das war klasse.

01:04:51: Redaktionsschluss dieser Folge war Mittwoch der 22.05.2024 um 18 Uhr.

01:04:59: Redaktion hatten Jana Merkel und Marie Steffens.

01:05:03: Executive Producerin ist Marie Schiller, Audio Producer ist Max Frisch, Lukas Hambach und

01:05:08: Patrick Zahn.

01:05:09: Sounddesign hat gemacht Hannes Husten, die Vermarktung macht für uns die mit Vergnügen

01:05:14: GmbH und das Ganze ist eine Produktion der Wilmedia GmbH.

01:05:17: Und wenn euch gefällt, was wir hier so machen, dann abonniert unseren Podcast doch gerne.

01:05:23: Das würde uns sehr freuen.

01:05:24: Bis bald.

01:05:25: [Musik]

01:05:43: [Beifall]