Was gibt der Ukraine Hoffnung? Mit Vassili Golod und Lars Klingbeil

Shownotes

Gegen die russische Großinvasion verteidigt sich die Ukraine seit über zwei Jahren. Die Lage an der Front ist dramatisch: Es fehlt an Soldaten, Munition und Kriegsgerät. Die ukrainische Armee steht stark unter Druck. Die russische Armee meldet dagegen unter großen Opferzahlen zuletzt Geländegewinne. Über 10 Millionen Ukrainer*innen sind dem UNHCR zufolge innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht. Russische Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur sind Kriegsalltag. Am 25. Mai starben mindestens 14 Menschen, als ein Baumarkt in der Stadt Charkiw von mindestens einer Gleitbombe getroffen wurde. Wohl auch deshalb verkünden Ende Mai die USA und Deutschland eine Kehrtwende. Sie erlauben der Ukraine, auch im russischen Grenzgebiet militärische Ziele mit Waffensystemen anzugreifen, die sie der Ukraine zuvor geliefert hatten.

Was gibt der Ukraine Hoffnung? Darüber diskutiert Anne Will in dieser Folge mit Vassili Golod, Ukraine-Korrespondent der ARD. Golod ist als Sohn einer Russin und eines Ukrainers in Charkiw geboren und berichtet seit 2022 aus der Ukraine. Für ihn befindet sich die Ukraine derzeit in der schwierigsten Phase des Krieges. Er erzählt, was sich die Menschen in der Ukraine von Deutschlands Politik wünschen und welche Hoffnungen er mit der anstehenden Friedenskonferenz in der Schweiz verbindet.

Wie sinnvoll rote Linien bei der Unterstützung der Ukraine sind, bespricht Anne Will mit dem SPD-Parteivorsitzenden Lars Klingbeil. Einen Ausschnitt aus dem Interview (TC 00:27:45-00:34:53) analysieren Vassili Golod und Anne Will in dieser Folge.

Das vollständige Interview mit Lars Klingbeil erscheint am 8. Juni 2024 als Bonusfolge.

Der Redaktionsschluss für diese Folge war am Mittwoch, dem 5. Juni 2024, um 17 Uhr.

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WICHTIGE QUELLEN:

heute.de, Russland bombardiert Baumarkt in Charkiw, 26.05.2024

heute.de, Nato-Appell an Mitglieder: Einsatz westlicher Waffen in Russland?, 27.05.2024

tagesschau.de, Ukraine darf deutsche Waffen auch in Russland einsetzen, 31.05.2024

Erklärung des Regierungssprechers Steffen Hebestreit: Zum Einsatz gelieferter Waffen an die Ukraine, 31.05.2024

New York Times, What Ukraine Has Lost, 04.06.2024

Spiegel.de Bundeswehr: Boris Pistorius mahnt Kriegstüchtigkeit bis 2029 an, 05.06.2024

Deutschlandfunk, Regierungsbefragung: Pistorius schließt Einsatz deutscher Soldaten in der Ukraine aus – bekräftigt Ziel, Bundeswehr kriegstüchtig zu machen, 05.06.2024

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Konferenz in der Schweiz: Der ferne Frieden für die Ukraine, 03.06.2024

Redaktionsnetzwerk Deutschland, Scholz weckt Hoffnung auf diplomatische Lösung des Ukraine-Kriegs, 04.06.2024

Impressum:

Redaktion: Freya Reiß und Marie Steffens

Executive Producerin: Marie Schiller

Audio Producer: Lukas Hambach und Maximilian Frisch

Sounddesign: Hannes Husten

Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH

Eine Produktion der Will Media GmbH

Transkript anzeigen

00:00:00: Gewönt man sich eigentlich daran, in einem Kriegsgebiet zu leben?

00:00:03: Ja, du gewöhntest dich daran, dass ab und an Explosionen passieren.

00:00:10: Du gewöhntest dich daran, dass Luftalarm ist.

00:00:14: Aber wenn es passiert, bleibt es jedes Mal schrecklich, krass, unangenehmen Scheiße.

00:00:23: Erschrickst du noch?

00:00:25: Ja, ja.

00:00:26: Wenn es knallt, ich hatte neulich in Odessa die Situation, ich habe irgendwie Zähne geputzt

00:00:32: und plötzlich ist es draußen laut gewesen, sehr laut.

00:00:36: Ich habe gemerkt, das war entweder ein Einschlag oder was abgefangen und ich bin direkt oberkörperfrei

00:00:41: aus dem Hotelzimmer rausgelaufen und habe dann gemerkt, jetzt kam kein zweiter Schlag.

00:00:47: Es ist glaube ich okay, ich kann wieder rein und dann wurde ich freundlicherweise wieder

00:00:52: auf mein Zimmer gelassen, weil die Karte habe ich nämlich auch drin liegen lassen.

00:00:55: Wir reden über die Ukraine.

00:00:57: Politik mit Anne Will.

00:01:06: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge unseres Podcasts, die gibt's jede Woche

00:01:23: von Donnerstag um 12 Uhr Mittags und wir legen es immer so an, es gibt ein Thema, einen Gast,

00:01:29: ein politisches Interview.

00:01:30: Thema ist diesmal und wir haben es bewusst konstruktiv formuliert, was gibt der Ukraine

00:01:37: Hoffnung?

00:01:38: Das Interview habe ich Mittwoch Mittag mit dem Vorsitzenden der SPD mit Lars Klingbei

00:01:43: geführt, Ausschnitte daraus hören wir gleich in der Folge und das ganze Interview mit ihm

00:01:48: veröffentlichen wir wie gehabt, wieder am Samstagmorgen, das machen wir immer so.

00:01:52: So Gast ist diesmal der Leiter des ID-Studios Kiew und Korrespondent für die Ukraine, Vasili

00:01:59: Gholot.

00:02:00: Vasili, herzlich willkommen bei uns.

00:02:01: Danke Anne, danke für die Einladung.

00:02:03: Ich muss sagen, du bist leider gar nicht bei uns, wir sind über eine Schalte verbunden

00:02:09: mal wieder, das kannten wir schon, leider bist du nicht in Berlin, sondern wir sehen

00:02:13: uns nur so.

00:02:14: Ich kann sagen in Berlin ist es friedlich, wie war es heute bei dir?

00:02:18: Wir hatten heute in Kiew Luftalarm, es gab in verschiedenen Teilen der Ukraine Drohnenangriffe,

00:02:25: aber hier in der Stadt selbst ist es ein sehr, sehr warmer sonniger Sommertag.

00:02:30: Wir schauen gerade wieder mit einem, wie ich finde, besonders interessierten, auch fassungslosen

00:02:37: Blick auf den Krieg den Putins Russland gegen die Ukraine führt, weil der Kampf um Kharkiv

00:02:45: was ausgelöst hat.

00:02:46: Ich glaube er hat gezeigt, wie brutal dieser Krieg geführt wird und er hat gezeigt, wie

00:02:54: sehr die Ukraine in ihren Verteidigungsmöglichkeiten gegen den Aggressor eingeschränkt ist.

00:03:00: Wir haben in Vorbereitung auf diese Folge miteinander telefoniert und ich habe dich gefragt, wie es

00:03:06: gerade in und um die Ukraine steht und du hast gesagt, dieses sei eine der schwierigsten

00:03:12: Phasen dieses Krieges.

00:03:14: Was meinst du damit mit der schwierigsten Phase?

00:03:18: Zum einen ist das die Dauer des Krieges.

00:03:21: Die Brutalität, die Russland zeigt, die erleben wir seit dem 24.

00:03:27: Februar 2022.

00:03:29: Wir haben alle immer noch die Besatzung der Region Kiew im Kopf.

00:03:36: Wir haben alle noch die Bilder aus Butschar im Kopf.

00:03:39: Wir haben die Zerstörung, die Maripuls im Kopf, die vielen Leichen, die dort rumlagen,

00:03:46: die Massengräber in verschiedenen Teilen der Ukraine, wo russische Truppen waren, wo

00:03:52: russische Truppen die ukrainische Zivilgesellschaft terrorisiert haben.

00:03:56: Aber die Dauer dieser Brutalität, die macht natürlich die Gesellschaft hier mürbe.

00:04:03: Und einerseits zu sehen, dass der Westen immer wieder sagt, wir stehen an der Seite der Ukraine,

00:04:09: wir unterstützen die Ukraine.

00:04:11: Zum anderen aber ein Beispiel von Kharkiv zu sehen, dass diese Stadt auch seit mehr

00:04:16: als zwei Jahren brutal angegriffen wird, dass die Region zwischenzeitlich besetzt war.

00:04:22: Und dass es Russland jetzt nach mehr als zwei Jahren wieder gelingt, eine neue Front aufzumachen,

00:04:28: wieder in die Region Kharkiv aus dem Norden auszukommen.

00:04:31: Wieder die Stadt so stark zu bedrohen, noch massiver als je zuvor anzugreifen mit Gleitbomben,

00:04:38: mit anderen Raketenarten.

00:04:40: Das ist eine neue Qualität und das macht diese jetzige Phase so schwierig für die

00:04:48: Menschen und für die Gesellschaft.

00:04:49: Sag nochmal, ich habe es noch nicht genau verstanden.

00:04:53: Wenn du alle Ereignisse für uns nochmal in Erinnerung ruft, die weltweit, also bei allen

00:05:00: die mit der Ukraine fühlen jedenfalls Bestürzung, Fassungslosigkeit, Entsetzen ausgelöst haben,

00:05:07: dann hat man ja fast das Gefühl, es gab nur im Sinne von ausschließlich schwierige Phasen.

00:05:12: Du hast aber ja den Eindruck, hier ist jetzt eine besonders schwierige Phrase angebrochen.

00:05:18: Worin manifestiert sie sich denn für dich?

00:05:20: Das ist vollkommen richtig.

00:05:21: Also Krieg ist grundsätzlich schwierig und Krieg ist für das angegriffene Land etwas

00:05:26: heftiges und wenn wir zurückdenken an die Phase, wo es darum ging, wie viele Tage wird

00:05:31: die Ukraine Kiew überhaupt verteidigen können und wir sehen inzwischen, dass es nicht nur

00:05:36: gelungen ist, Kiew zu verteidigen, sondern russische Truppen zurückzudrängen.

00:05:40: Das war eine Phase, wo es zwar schreckliche Nachrichten gab, aber auch eine gewisse Art

00:05:45: von positiven Nachrichten, weil der Ukraine Erfolge gelogen sind.

00:05:50: Das war im Jahr 2022 immer wieder der Fall.

00:05:53: Und im Jahr 2023, als diese Gegenoffensive ausgerufen wurde, da hatten viele die Hoffnung,

00:05:59: dass das weitergeht.

00:06:00: Einigen war natürlich bewusst, ja, da sind zwar Befestigungsanlagen, aber der Westen

00:06:06: unterstützt uns ja jetzt und da dürfte etwas Größeres passieren.

00:06:10: Und jetzt sind wir ein Jahr danach, ein Jahr liegt der Beginn dieser sogenannten Gegenoffensive

00:06:17: zurück und es ist nichts passiert.

00:06:19: Es ist der Ukraine nicht gelungen, weiterzukommen.

00:06:21: Das lag natürlich daran, dass Waffenlieferungen zu spät kamen.

00:06:25: Das lag auch daran, dass die Ukraine keine Lufthoheit hatte bei den Versuchen der Gegenoffensive.

00:06:30: Das lag auch an taktischen Fehlern.

00:06:31: Aber das trägt natürlich dazu bei, dass die Moral der Menschen extrem gelitten hat darunter.

00:06:38: Es gibt ein Ereignis, dass weltweit auch wieder für Bestürzung gesorgt hat.

00:06:46: Das liegt jetzt knapp zehn Tage zurück, gab am 25.

00:06:51: Mai einen russischen Luftangriff auf Kharkiv.

00:06:54: Kharkiv müssen wir vielleicht nochmal sagen, wo das liegt.

00:06:57: Das ist in der Ost-Ukraine, das ist sehr, sehr nah an der Grenze zu Russland.

00:07:02: Es ist die zweitgrößte Stadt der Ukraine und es ist eine Geburtstadt.

00:07:08: Was zeichnet Kharkiv aus?

00:07:11: Kharkiv ist eine sehr junge Stadt, eine lebendige Stadt.

00:07:16: Du hast da viel Kultur, du hast schöne Gebäude.

00:07:20: Also es ist auch architektonisch eine richtig schöne Stadt.

00:07:25: Und gleichzeitig ist dieses Leben in dieser Stadt seit zwei Jahren ein völlig anderes.

00:07:33: Weil wenn du jetzt durch die Innenstadt läufst, dann siehst du viele zerstörte Gebäude.

00:07:39: Du siehst verrammelte Gebäude mit Holzplatten davor,

00:07:43: weil die Fenster durch die Druckwellen rausgeflogen sind.

00:07:46: Du siehst viel weniger Leute auf den Straßen.

00:07:49: Wir waren Ende März zum Beispiel da, nach diesen massiven Infrastrukturangriffen.

00:07:56: Da waren die Ampeln kaputt, da hatten viele Leute keinen Strom, kein Wasser, keine Wärme.

00:08:00: Was sich auch jetzt vielfach durchzieht.

00:08:03: Das heißt, es ist eine Stadt, in der den Menschen ihre Lebensqualität genommen wurde.

00:08:09: Das ist jetzt noch positiv ausgedrückt, in der im Prinzip Russland versucht,

00:08:13: das Leben auszulöschen, den Menschen die Möglichkeit zu nehmen, ihren Alltag zu leben.

00:08:19: Du hast da Schulen in U-Bahnenhalte stellen unter der Erde,

00:08:24: damit die Kinder nicht immer wieder runterrennen müssen.

00:08:26: Du hast da aktuell Tage, wo fast 24 Stunden lang Luftalarm ist.

00:08:31: Und vor allem hast du da Menschen, die sich daran gewöhnt haben,

00:08:35: dass es dort explodiert, dass es dort laut ist.

00:08:38: Und trotzdem diese Angriffe, die es da gegeben hat,

00:08:42: an einem Samstag zum Beispiel auf einem Einkaufszentrum,

00:08:46: wo du dir Überwachungskameras anguckst und siehst,

00:08:48: wie da Leute in die Fahrradabteilung gerade reinlaufen.

00:08:51: Und plötzlich ist da die Explosion und diese Menschen sind dann nie wieder rausgekommen.

00:08:55: Ich habe Fotos zugeschickt bekommen von einem Feuerwehrmann.

00:08:59: Da siehst du verbrannte Körper.

00:09:02: Da erkennst du keine Menschen mehr.

00:09:04: Da mussten Kinder DNA-Proben abgeben.

00:09:08: Speichelproben abgeben, um zu identifizieren,

00:09:10: ob ihre Angehörigen da ums Leben gekommen sind oder nicht,

00:09:14: weil du das anhand dieser verkuckelten Körper nicht mehr tun konntest.

00:09:19: Das ist eine Brutalität, die sich kaum mit Worte fassen lässt.

00:09:24: Ja, furchtbar.

00:09:26: Man hat gesehen in den Social-Media-Kanälen

00:09:30: das Bild, was du sagst, wo Menschen in diese Fahrradabteilung gehen.

00:09:35: Und dann zum Glück für mich immer,

00:09:36: weil ich sowas überhaupt gar nicht aushalten kann

00:09:39: und auch gar nicht im Kopf haben will, ehrlich gesagt.

00:09:41: Ohne damit sagen zu wollen, ich scheue,

00:09:46: es mich mit Brutalität, mit Leid und mit Kriegsverbrechen zu beschäftigen.

00:09:52: Aber hier ist es eben so, du siehst die Männer dort stehen

00:09:56: und dann verdunkelt sich das Bild.

00:09:58: Und man ahnt nur, was passiert sein könnte.

00:10:01: 200 Menschen, rund 200 Menschen scheinen zu dem Zeitpunkt

00:10:04: in diesem Einkaufszentrum dem Baumarkt gewesen zu sein.

00:10:09: Es war ein Samstag Nachmittag und Gleitbomben,

00:10:11: sogenannte Gleitbomben fallen auf dieses Einkaufszentrum.

00:10:16: Du hast bei X gepostet,

00:10:18: Russland eskaliert seinen Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.

00:10:23: Ich bin ja auf der Suche mit dir danach,

00:10:25: was ist gerade die neue Qualität,

00:10:28: die gegebenenfalls auch Anlass gegeben hat bei allen Beteiligten,

00:10:33: denen die sich engagieren,

00:10:35: ihr Verhalten, ihr Regelwerk, dem Kriegsgeschehen neu anzupassen.

00:10:41: Du sagst, Russland eskaliert seinen Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.

00:10:46: Hast aber ja nochmal in Erinnerung gerufen,

00:10:48: was zuletzt im März, als du da warst,

00:10:53: auch eine neue Qualität darstellt,

00:10:56: nämlich die gezielten Angriffe der Infrastruktur.

00:10:59: Wo ist jetzt der Unterschied?

00:11:01: Es ist eine Kombination aus allem.

00:11:03: Das eine sind die Angriffe auf die kritische Infrastruktur,

00:11:07: die das Leben unmöglich machen sollen,

00:11:10: die die Menschen belasten sollen,

00:11:12: die die Menschen dazu bringen sollen,

00:11:14: ihre Stadt zu verlassen, aufzugeben, sie zu zermürben.

00:11:20: Und gleichzeitig sieht Russland ja schon seit längerer Zeit,

00:11:23: dass das nicht gelingt.

00:11:24: Es gab auch im Winter 22, 23 Blackouts.

00:11:29: Und trotzdem haben die Menschen dann,

00:11:31: ich war bei einer älteren Dame,

00:11:33: die hat so eine Konservenbüchse genommen,

00:11:35: da Feuer gemacht und sich so Tee gekocht.

00:11:38: Im Jahr 2023 wohlgemerkt.

00:11:41: Das heißt, die Menschen sind sehr resilient.

00:11:43: Aber wenn du zusätzlich zu dieser Zerstörung

00:11:48: die Menschen in ihrem Alltag triffst mit Bomben,

00:11:52: die Menschen aus dem Leben reißen,

00:11:55: dann ist das Terror, der nochmal eine andere Qualität hat.

00:12:00: Und diese Gleitbomben, das ist ja das Perfide,

00:12:03: das sind alte Bomben, die Flügel dran gebaut bekommen.

00:12:08: Und diese Bomben werden aus für Russlands sicherer Entfernung

00:12:11: von russischem Staatsgebiet abgeworfen,

00:12:14: können dann so ein bisschen nachgesteuert werden,

00:12:17: fliegen dann etwa 70 Kilometer und erreichen ihr Ziel,

00:12:22: in dem Fall ein Baumarkt, aber auch Wohnviertel, Wohnhäuser.

00:12:26: Und die Ukraine kann sich dagegen mit dem, was sie hat

00:12:29: und auch mit den Auflagen, die sie lange Zeit hatte,

00:12:33: nicht verteidigen.

00:12:34: Und deshalb haben die Menschen hier immer wieder gesagt,

00:12:37: wie kann das denn sein?

00:12:38: Und sagen immer wieder alle Partner,

00:12:41: wir sind dafür, dass ihr euch schützt,

00:12:43: ihr verteidigt die europäische Friedens- und Sicherheitsordnung.

00:12:46: Und dann haben sie aber,

00:12:49: lassen sie uns sozusagen mit einem Arm hinterm Rücken kämpfen.

00:12:52: Und das ist nicht fair.

00:12:54: Das ist nicht fair.

00:12:55: Diese Gleitbomben, du hast es beschrieben,

00:12:58: zeichnen sich aus, dadurch, dass das diese rudimentären Systeme sind.

00:13:02: Also, aber billiges Gerät,

00:13:05: das Russland sehr schnell auch nachproduzieren kann.

00:13:11: Die haben eine immense Zerstörungskraft.

00:13:14: Und auch wenn sie,

00:13:16: selbst wenn sie das eigentliche Ziel verfehlen,

00:13:20: dann können sie über diese wahnsinnige Zerstörungskraft

00:13:23: so viel Schaden anrichten,

00:13:25: dass damit auch selbst dann gut befestigte

00:13:28: ukrainische Stellungen zerstört werden können.

00:13:31: Russland weiß,

00:13:32: dass es der Ukraine seitens der USA und auch Deutschlands

00:13:37: bislang nicht gestattet war,

00:13:39: westliche Waffen,

00:13:41: vom Westen gelieferte Waffen

00:13:43: auf russischen Territorium einzusetzen.

00:13:46: Also Angriffe zu fliegen von den Basen,

00:13:50: von denen aus diese Gleitbomben gestartet werden.

00:13:53: Hat Russland sich das absichtlich zu Nutze gemacht?

00:13:57: Davon gehe ich aus.

00:13:58: Russland weiß sehr genau über die roten Linien des Westens Bescheid.

00:14:03: Und Russland nutzt diese selbst auferlegten roten Linien,

00:14:07: bei denen man ja sagen muss, das Völkerrecht erlaubt das.

00:14:10: Die Moral erlaubt ist der Ukraine,

00:14:13: Militärische Ziele in Russland anzugreifen.

00:14:16: Aber die westlichen Partner wollten das eben nicht erlauben.

00:14:19: Und Russland hat sich das natürlich zu Nutze gemacht,

00:14:21: um die Ukraine zu zerstören,

00:14:24: um der Ukraine Leid zuzufügen

00:14:27: und um die eigenen militärischen Ziele zu erreichen.

00:14:30: Diese Angriffe, von dem wir gesprochen haben,

00:14:33: ist am Samstag,

00:14:34: an dem Montag dann, sagt der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg,

00:14:39: es könne so nicht bleiben, wie es ist.

00:14:41: Es sagt, die Zeit sei gekommen,

00:14:43: einige Einschränkungen für den Einsatz

00:14:45: der bereitgestellten Waffen aufzuheben.

00:14:48: Die Ukraine könne sich nur dann wirklich selbst verteidigen,

00:14:51: wenn sie auch militärische Nachschubwege in Russland angreifen kann.

00:14:56: Und dann passiert etwas.

00:14:57: Dann geht was los, was noch ein paar Tage dauert,

00:15:00: aber ja gar nicht mal mehr so lange, muss man sagen.

00:15:03: Joe Biden bzw. die USA sagen zunächst,

00:15:08: dass die Ukraine also doch auch von den USA gelieferte westliche Waffen

00:15:12: auch gegen militärische Ziele in Russland einsetzen darf.

00:15:16: Und die deutsche Bundesregierung folgt dem,

00:15:19: nicht der Kanzler verkündet das aus irgendeinem Grund,

00:15:21: aber der Regierungsprecher veröffentlicht eine Pressemitteilung,

00:15:25: woraus dann heraus hervorgeht,

00:15:28: dass die Ukraine das darf.

00:15:30: Warum haben die USA, deiner Meinung nach, so entschieden?

00:15:34: Warum haben sie jetzt erst so entschieden?

00:15:37: Ich habe mir immer wieder die Frage gestellt

00:15:39: in den vergangenen Monaten, in den vergangenen zwei Jahren.

00:15:43: Was ist eigentlich die Strategie des Westens?

00:15:46: Will der Westen, dass die Ukraine ihr Staatsgebiet befreit?

00:15:50: Will der Westen die Ukraine dazu befähigen,

00:15:53: die eigenen Staatsgrenzen wieder herzustellen?

00:15:55: Und die Antwort auf diese Frage war nein.

00:15:57: Denn wenn das ein ernsthaftes Ziel gewesen wäre,

00:16:00: dann hätte man der Ukraine mehr geliefert.

00:16:03: Dann hätte man die eigene Produktion angeschmissen.

00:16:07: Dann wäre viel mehr Munition produziert worden,

00:16:09: viel mehr Waffen produziert worden.

00:16:11: Dann hätte man die Ukraine konsequenter unterstützt.

00:16:13: Bei der Flugabwehr, dann hätte man frühzeitiger Panzer geliefert,

00:16:17: man hätte Kampfflugzeuge geliefert.

00:16:19: All das hätte die Ukraine gebraucht,

00:16:21: um schneller dieses Ziel zu erreichen.

00:16:24: Aber bei der Analyse bin ich immer wieder zu dem Punkt gekommen,

00:16:28: dass Ziel ist eigentlich das, was Olaf Scholz sehr früh benannt hat.

00:16:32: Die Ukraine darf diesen Krieg nicht verlieren.

00:16:35: Was bedeutet das?

00:16:36: Das bedeutet, dass man immer nur so viel gibt der Ukraine,

00:16:40: dass sie nicht noch mehr Staatsgebiet verliert,

00:16:44: dass sie vielleicht langsam an einigen Stellen,

00:16:46: wenn sie sich geschickt anstellt, Staatsgebiet befreien kann.

00:16:50: Aber das ist eben nicht garantiert.

00:16:53: Und der Punkt jetzt war, dass die USA gesehen haben,

00:16:57: Russland hat es geschafft,

00:16:58: nach mehr als zwei Jahren eine neue Front zu eröffnen.

00:17:01: Kharkiv ist 30 Kilometer die Stadt,

00:17:03: 30 Kilometer entfernt von der russischen Grenze.

00:17:06: Die Ukraine hat schon lange beobachtet,

00:17:08: dass sich da neue Truppen versammeln,

00:17:10: durfte diese Truppen aber nicht treffen.

00:17:12: Dann ging es plötzlich sehr schnell

00:17:14: und das weiße Haus hat festgestellt,

00:17:17: wenn es Russland gelingen sollte, weiter vorzurücken,

00:17:22: vielleicht doch irgendwie in die Stadt reinzukommen,

00:17:26: dann würde das bedeuten, dass es dort lange Kämpfe gibt,

00:17:29: dann würde es sehr, sehr viele zivile Tote geben,

00:17:33: dann würde es wahrscheinlich eine größere Fluchtbewegung geben.

00:17:36: Und vor allem wäre dann die große Frage,

00:17:39: warum hat man so viele Milliarden in die Ukraine gesteckt?

00:17:43: Und das ist das Zynische aus ukrainischer Sicht,

00:17:46: dass das eigentlich die einzige Linie des Westens ist.

00:17:49: Man sagt zwar immer, as long as it takes

00:17:51: und wir geben alles, was nötig ist,

00:17:55: aber man gibt eigentlich nur das Mindeste.

00:17:57: Und jetzt war die Gefahr für beiden so groß,

00:18:00: dass er gesagt hat, okay, aber nur in der Region Kharkiv.

00:18:03: Und in der Ukraine, also rund um die Region Kharkiv,

00:18:05: die Grenzregion Belgorod, die darf man treffen.

00:18:08: Und die Ukraine stellt sich natürlich die Frage,

00:18:10: was ist denn mit der Region Summe,

00:18:12: die etwas weiter nördlich liegt von Kharkiv?

00:18:14: Die hat eine ganz lange Grenze zu Russland,

00:18:17: auch dort werden immer wieder Gleitbomben abgeworfen,

00:18:19: auch dort sterben immer wieder Zivilisten

00:18:22: und auch dort ist es durchaus möglich,

00:18:24: dass die russische Armee versucht,

00:18:26: eine weitere Front zu eröffnen.

00:18:28: Warum darf man nicht dort militärische Ziele treffen

00:18:30: in der Grenzregion?

00:18:33: Ich finde, dass auch überhaupt gar nicht verständlich,

00:18:35: zumal du angesprochen hast,

00:18:36: dass hier entlang des Völkerrechts gehandelt wird.

00:18:40: Es ist völkerrechtlich zulässig,

00:18:42: darauf haben ja auch etliche Völkerrechtlerinnen

00:18:45: schon immer und längst hingewiesen,

00:18:48: dass ein angegriffenes Land, was die Ukraine zweiflos ist,

00:18:52: sich wehrt, sich verteidigt.

00:18:55: Ich finde, dass jetzt auch eine ganz seltsame Einschränkung,

00:18:57: die da gefunden wird,

00:18:59: dass man das Grenzgebiet von Kharkiv ausweist,

00:19:02: als ein Gebiet, in dem es erlaubt ist,

00:19:05: anzugreifen, sich zu wehren,

00:19:07: gegnerische Stellungen, also russische Stellungen,

00:19:10: zu anten, zu beschießen, zu befeuern.

00:19:13: Es geht um militärische Ziele.

00:19:15: Das würde ich sagen,

00:19:17: ist dann auch immer im Rahmen des Völkerrechts in Ordnung.

00:19:23: Du hast eben ja schon angesprochen

00:19:25: und da kommt man ja auch sofort drauf,

00:19:27: dass Vladimir Putin all das, was wir besprechen,

00:19:31: was überall aufgeschrieben wird,

00:19:32: was sich im Weißen Haus an Gedanken gemacht wird,

00:19:35: was der Bundeskanzler abwegt hin und her,

00:19:39: sich anschaut.

00:19:41: Und dann ist es ja ganz leicht,

00:19:42: schon wieder die Front zu verschieben,

00:19:45: etwa in den Norden, wie du es beschreibst.

00:19:47: Absolut, das ist die Ausschliesseritis,

00:19:50: die Michael Thuman neulich mal benannt hat,

00:19:54: dass Russland, der Kreml, die Machthaber dort genau wissen,

00:19:58: was alles ausgeschlossen wird.

00:20:00: Sie haben also alle Variablen,

00:20:02: um die eigene Kriegsführung daran anzupassen.

00:20:05: Und umgekehrt eskaliert Russland immer dann,

00:20:09: wann immer es will.

00:20:10: Wenn Russland eskalieren will, eskaliert es.

00:20:13: Und das ist das, was Emmanuel Macron,

00:20:16: der ja immer viele große Worte findet,

00:20:18: in den Taten aber etwas hinter

00:20:20: den ukrainischen Erwartungen zurückbleibt.

00:20:22: Stratäische Ambiguität nennt, was auch Boris Pistorius neulich,

00:20:27: als er in Odessa war, in den Mund genommen hat,

00:20:30: dass er sagt, wir sollten weniger rote Linien benennen,

00:20:33: wir sollten die Ukraine weiter unterstützen,

00:20:35: mit dem, was es braucht, was sie braucht, um sich zu schützen.

00:20:39: Und Russland im Umklaren lassen.

00:20:42: Und ich halte das für einen klugen Ansatz.

00:20:46: Und ich würde mir trotzdem wünschen,

00:20:48: da sind wir wieder bei den Zielen,

00:20:50: dass Deutschland für sich klar definiert,

00:20:53: was das Ziel ist in der Ukraine,

00:20:56: wie sehr man die Ukraine unterstützen will.

00:20:58: Ist es wirklich das Verständnis dafür,

00:21:01: dass es hier um die Friedens- und Sicherheitsordnung Europas geht?

00:21:04: Dann müsste man zu dem Ergebnis kommen,

00:21:05: dass was Deutschland tut, ist zwar besser als am Anfang,

00:21:09: aber immer noch zu wenig.

00:21:10: Dass was andere tun, ist zu wenig,

00:21:12: um die Friedens- und Sicherheitsordnung Europas zu schützen.

00:21:16: Oder ist die Ukraine Deutschland vielleicht egal

00:21:19: und man nimmt in Kauf, dass Russland die Grenzen weiter verschiebt,

00:21:22: dass Russland bald näher an anderen EU-Staaten ist

00:21:27: und dass Russland dadurch eine Gefahr bleibt.

00:21:30: Weil das muss man sich auch vor Augen führen.

00:21:32: Ich weiß nicht, wie du das siehst.

00:21:33: Ich habe bei einigen im deutschen Diskurs das Gefühl,

00:21:37: dass man irgendwie die Ukraine so ein bisschen abgeschrieben hat

00:21:41: und für sich beschlossen hat, okay,

00:21:44: irgendwann müssen wir sowieso wieder mit Russland zusammenarbeiten.

00:21:47: Und dass dieses Verständnis fehlt,

00:21:49: dass dieses Russland eine Gefahr ist

00:21:52: und auch eine Gefahr bleibt für alle Staaten in Europa.

00:21:55: Also ich glaube schon, dass das Bewusstsein groß ist,

00:22:00: dass Putin nicht halt machen würde an der Grenze,

00:22:05: sollte er die Ukraine tatsächlich erobert

00:22:08: und vollständig zerstört haben, vernichtet haben,

00:22:11: was ja sein erklärtes Ziel ist.

00:22:13: Ich glaube, es ist ein großes Verständnis entstanden,

00:22:15: dass Putin da nicht halt machen würde.

00:22:19: Es ist ja auch so, das hat die Geschichte längst gezeigt,

00:22:24: auch die Geschichte der Ukraine.

00:22:26: Am Anfang ist ja kolossal unterschätzt worden,

00:22:29: was Putin dort vorhat,

00:22:31: nach der Annexion der Krim des Donbass eröffnet,

00:22:35: die Bundesregierung noch fein Nord Stream 2,

00:22:38: als sei nichts geschehen.

00:22:39: Und man fragt sich, wie bitte?

00:22:41: Ich gebe für mich zu, ich habe das damals zwar auch mitbekommen,

00:22:44: dass es im Europaparlament Widerstände gab,

00:22:46: ich selber habe es aber auch nicht vollständig überrissen

00:22:50: und hätte mir ganz viel nicht vorstellen können.

00:22:53: Es ist vielleicht auch ganz gesund,

00:22:54: dass man sich nicht alles vorstellen kann,

00:22:56: ist aber eventuell im Nachhinein betrachtet kolossal naiv,

00:22:59: dass du dir nicht das vorstellen könnt,

00:23:01: dass er dann einen, wie du das auch nennst,

00:23:04: vollumfänglichen Krieg beginnt, am 24. Februar 2022.

00:23:10: Und wir also jetzt von einem Kriegsgestehen sprechen,

00:23:13: dass schon zehn Jahre lang Wert und die Ukraine maximal plagt.

00:23:22: Aber ja, übrigens habe ich eben gedacht,

00:23:25: ist eventuell ein Widerspruch drin, wenn du sagst,

00:23:27: es wäre klüger, nicht alles offen zu legen,

00:23:30: nicht rote Linien öffentlich zu besprechen,

00:23:34: ist immer schwierig in der Demokratie,

00:23:36: wo wir beide als Journalist*innen natürlich den Anspruch haben,

00:23:40: die Behörden sind auskunftsverpflichtet, auch uns gegenüber,

00:23:44: ist das ein und zum anderen, wenn man jetzt hingeht

00:23:46: und beklagt, was ich auch tue,

00:23:48: dass ich nicht genau verstehe, was der Bundeskanzler eigentlich will,

00:23:52: dann fordere ich den ja dazu auf,

00:23:54: auch Dinge preiszugeben, die er vielleicht

00:23:55: aus guten Gründen für sich behalten will.

00:23:58: Ich sehe da keinen Widerspruch drin.

00:24:00: Ich finde schon, dass du deine Politik

00:24:03: und die Leitlinien deiner Politik klar benennen kannst.

00:24:07: Du kannst zum Beispiel klar sagen,

00:24:08: die Ukraine als demokratischer Staat

00:24:12: mit klaren Staatsgrenzen, die international anerkannt sind,

00:24:16: wird seit zehn Jahren angegriffen.

00:24:18: Diese Grenzen werden von dem Nachbarstaat Russland nicht geachtet

00:24:22: und wir als Bundesrepublik Deutschland

00:24:25: tun alles dafür, um diesen Staat zu unterstützen,

00:24:29: militärisch, politisch, wirtschaftlich.

00:24:32: Und wir halten uns dabei an das Völkerrecht,

00:24:34: wir halten uns dabei an die Regeln, die ein Krieg hat,

00:24:38: auch wenn das immer absurd klingt,

00:24:39: weil in Kriegen brutale und schreckliche Dinge passieren.

00:24:43: Aber es gibt Regeln, es gibt die Genfer-Konvention,

00:24:46: die Russland immer wieder bericht.

00:24:48: Das hat die New York Times jetzt auch aufgearbeitet,

00:24:50: mehr als 900 Schulen, Krankenhäuser, Kirchen

00:24:54: und andere Einrichtungen wurden seit Beginn des 24. Februar 2022,

00:24:59: also des großen Krieges zerstört

00:25:01: und viele weitere, die man noch gar nicht genau erahnen kann,

00:25:05: weil Gebiete ja weiterhin besetzt sind.

00:25:08: Und das alles kann man ja klar sagen, das alles kann man klar benennen.

00:25:11: Und ich würde sogar sagen, dass der Bundeskanzler

00:25:13: einen richtigen Auftakt gemacht hat mit der Zeitenwende Rede.

00:25:17: Und genau das benannt hat.

00:25:18: Nur sind die weiteren Schritte dann nicht gefolgt

00:25:21: und es folgten eher Widersprüche und Unklarheiten

00:25:25: und kleine Schritte, Rückschritte, dann Widerschritte nach vorne.

00:25:29: Und das führt dazu, dass die Bevölkerung enthalten

00:25:32: für unsichert ist und vielleicht Dinge nicht ganz versteht.

00:25:36: Die Bevölkerung Deutschlands meinst du jetzt oder auch die ukrainische?

00:25:40: Nein, ich beziehe das auf die Bevölkerung Deutschlands.

00:25:42: Die ukrainische Bevölkerung, das ist viel einfacher.

00:25:45: Die Ukraine sieht ja, was passiert.

00:25:47: Die Ukraine misst ihre Partner nicht daran, was sie sagen,

00:25:51: sondern sie misst die Partner daran, was sie tun.

00:25:53: Und am Anfang hat Deutschland 5000 Helme geliefert.

00:25:56: Und jetzt liefert Deutschland viel, viel mehr.

00:25:59: Deutschland liefert sehr, sehr viel Flugabwehr.

00:26:01: Deutschland liefert Munition.

00:26:03: Deutschland hilft bei der Wartung von Panzern.

00:26:07: Und Deutschland hat eben verstanden, dass es ein Abnutzungskrieg ist,

00:26:11: in dem Russland sehr, sehr viele Vorteile hat,

00:26:13: weil es eine riesige, eigene Militärproduktion hat, die gewaltig ist.

00:26:19: Weil Russland Partner hat, auf die es sich verlassen kann,

00:26:22: wie Nordkorea, wie Iran, wie auch China.

00:26:24: Auch das sollte man benennen.

00:26:26: Und die Ukraine sieht am Beispiel Deutschlands,

00:26:29: das ist ein Partner, auf den sie sich verlassen kann.

00:26:33: Wir haben angesprochen, dass sich da jetzt aber eine Veränderung ergeben hat,

00:26:37: auch in der deutschen Haltung, in der Haltung des Bundeskanzlers,

00:26:41: zu dem, was die Ukraine tun darf.

00:26:45: Ich würde das verstehen als einen Kurswechsel.

00:26:49: Ich habe den SPD-Vorsitzenden, also den Vorsitzenden der Kanzlerpartei Lars Klingbeil

00:26:55: dazu heute Mittag auch gefragt, ob er diesen Kurswechsel als Kurswechsel sieht.

00:27:02: Er findet, das bleibt ganz in der Linie dessen,

00:27:06: was der Kanzler bislang so gesagt hat.

00:27:09: Und wir können uns ja mal anhören, was er gesagt hat.

00:27:12: Vor wenigen Tagen hat eben jener Olaf Scholz,

00:27:17: den wir jetzt schon ein paar Mal angesprochen haben,

00:27:20: mit einer weiteren von ihm selbst gezogenen roten Linie gebrochen.

00:27:24: Scholz hatte immer gesagt,

00:27:26: deutsche Waffen dürften auf keinen Fall auf Ziel in Russland gefeuert werden.

00:27:30: Seit Freitag geht das aber jetzt doch.

00:27:33: Wie passt dieser Kurswechsel zum, sie sagen,

00:27:37: na ja, Friedenskanzler ist es nicht, aber zum Mann des Friedens?

00:27:40: Ich finde, dass es in den Kurs des Kanzlers passt,

00:27:45: der immer auf Besonnenheit gesetzt hat und nie überreagiert hat,

00:27:49: aber am Ende auch klare Entscheidungen getroffen hat, übrigens immer.

00:27:52: Und das war auch in dieser Frage die wichtigste Prämisse in enger Abstimmung

00:27:55: mit unserem Partnern, vor allem mit Joe Biden im weißen Haus.

00:27:59: Und man muss sich nochmal bewusst machen, auch worum es geht.

00:28:02: Wir haben eine Veränderung auch der Kriegsschuldung durch Russland erlebt,

00:28:06: das auf einmal mit Gleitbomben in Kharkiv-Einkaufszentren angegriffen wurde.

00:28:13: Es ist brutal gewesen, also der Krieg ist eh brutal,

00:28:18: aber für mich hat es nochmal eine neue Qualität gehabt,

00:28:21: wenn auf einmal so deutlich das zivile Leben dort angegriffen wird,

00:28:25: wenn Kinder, Familien umkommen, Einkaufszentren in Alltagssituationen

00:28:29: und Putin genau auf diese Eskalation setzt.

00:28:32: Und da war für mich dann auch sehr schnell klar, diesen Schritt müssen wir jetzt auch gehen,

00:28:36: dass wir sagen, gegen diese Aggression kann sich die Ukraine auch wehren,

00:28:41: auch mit deutschen, mit westlichen Waffen kann man dann diese Raketenstellung angreifen.

00:28:45: Und wenn ich denn jetzt manchmal lese, dass da so verkürzt die Meldung draus gemacht wird,

00:28:50: jetzt kann mit deutschen Waffen Russland angegriffen werden,

00:28:53: dann ist mir das ein bisschen zu unspezifisch, weil es hier sehr konkret darum geht,

00:28:57: sich gegen eine konkrete Aggression, einen konkreten Angriff gegen ein konkretes Morden

00:29:02: von krainischer Zivilbevölkerung zu wehren.

00:29:05: Und da kann ich den Kanzler nur darin bestärken, dass es dann noch richtig ist zu sagen,

00:29:09: das machen wir jetzt auch und diesen Schritt gehen wir mit unseren Verbündeten.

00:29:14: In der Pressemitteilung, die der Regierungssprecher veröffentlicht hat,

00:29:17: steht als Erklärung für den Schritt, für den Kurswechsel,

00:29:20: Zitat "Gemeinsam sind wir der Überzeugung, dass die Ukraine das völkerrechtlich verbriefte Recht hat,

00:29:26: sich gegen diese Angriffe zu wehren".

00:29:29: Das wusste man streng genommen, aber schon die ganze Zeit.

00:29:32: Und Völkerrechtler*innen haben immer wieder,

00:29:35: betont, dass die Ukraine dieses Recht selbstverständlich hat, völkerrechtlich verbrieft. Warum hat

00:29:41: Deutschland die Ukraine dann so lange daran gehindert, es auch auszuüben?

00:29:45: Das war ja nicht Deutschland, das war ja insgesamt das westliche Bündnis.

00:29:48: Aber auch Deutschland.

00:29:49: Deutschland gehört zum westlichen Bündnis dazu, aber es war, also ich bin jetzt nicht

00:29:56: involviert in Regierungshandeln, aber das, was man ja auch gelesen hat, war, das ist

00:29:59: sehr klare Absprache und das ist auch schriftliche Abkommen wohl gab, auch vonseiten der Amerikaner,

00:30:05: beispielsweise mit den Ukrainer bei Waffenlieferungen, welchem Gebiet diese Waffen eingesetzt werden

00:30:10: können. Ich habe jetzt irgendwo in die Mathike gelesen, dass der Belgische Premierminister

00:30:17: der vorstehenden Lieferung der F16-Kampfjets auch gesagt hat, die klare Bedingung an die

00:30:21: Ukraine und das halten sie wohl jetzt auch nach diesen Veränderungen auch aufrecht,

00:30:25: dass sie nur über ukrainischem Gebiet eingesetzt werden können. Also diese Verabredung gab

00:30:30: es mit der ukrainischen Führung insgesamt und ein Krieg muss immer wieder neu bewertet

00:30:35: werden, die Dynamiken müssen gesehen werden. Ich glaube, dass es ganz wenige Dinge gibt,

00:30:40: wo man heute, also wo man beim Kriegsausbruch schon gewusst hätte, dass man diese Entscheidung

00:30:45: irgendwann mal trifft, weil die Dynamiken einfach da sind, aber dass alle westlichen

00:30:49: Staaten nochmal in enger Abstimmung dann noch mit Joe Biden gesagt hat, aufgrund dieser

00:30:53: Veränderung der Kriegsführung auch von Russland geht man jetzt den Schritt. Da sollte man sich

00:30:58: nicht ideologisch einmauern, sondern man sollte Entscheidungen treffen auch im Sinne

00:31:02: der Ukraine und das ist hier getan. Aber es hat gedauert, stellt auch der Vizekanzler

00:31:07: Fest Robert Habeck, der der Augsburger Allgemeinen gesagt hat, alles was wir entschieden haben,

00:31:12: hätten wir schneller entscheiden können. Wenn ich auf die Wörter, ich schwinge mir

00:31:15: nicht ins Wortfall, aber wenn ich mir den Verlauf der Woche angucke, dann war es glaube

00:31:18: ich Montag oder Dienstag, als der NATO-Generalsekretär den Vorschlag gemacht hat. Wir gehen jetzt

00:31:23: diesen Schritt. So haben Donnerstag, dass die Entscheidung der Amerikaner getroffen

00:31:28: wurden und am Freitagmorgen haben wir diese Entscheidung auch getroffen. Also ja, es

00:31:33: hat eine Woche gedauert, aber ich sage auch, wenn ich mir angucke, wie lange manche andere

00:31:38: Entscheidungen gedauert haben, dann war das innerhalb von einer Woche im westlichen Bündnis,

00:31:42: weil diese Entscheidung getroffen. Aber länger schon angegriffen auch. Genau, aber den Vorschlag

00:31:47: des NATO-Generalsekretärs, den gab es am Montag diesen Schritt zu gehen. Ich habe das selbstkritisch

00:31:52: gesagt, manche Entscheidungen im Anfang haben zu lange gedauert, aber es ist ja, das will

00:31:55: ich auch nochmal sagen, es sind auch Entscheidungen von historischer Dimension. Das darf man immer

00:32:00: nicht vergessen. Ich bewundere manchmal Menschen, die innerhalb von drei Minuten in der Lage

00:32:05: sind, zu sagen, da geht es lang und da geht es lang. Aber wir wissen nicht, wie dieser

00:32:08: Krieg sich entwickelt. Wir wissen nicht, und das sage ich jetzt ohne Angst oder ohne

00:32:12: Angst machen zu wollen, aber wir wissen auch nicht, ob Putin diesen Krieg noch weiter eskaliert.

00:32:18: Was machen wir denn in dem Moment, wo eine Rakete vielleicht im Bündnisgebiet einschlägt?

00:32:24: Einfach nur mal als Zeichen von Putin. Das sind alles Dinge, da erwarte ich auch, dass

00:32:29: eine Bundesregierung, dass ein Bundeskanzler auch über diese Fragen nachdenkt und dass

00:32:32: er das mit bewegt und dass er das auch in seine Entscheidung mit einbezieht. Und wissen

00:32:35: Sie, in 15, 20 Jahren stehen nicht wir beide in den Geschichtsbüchern als diejenigen, die

00:32:42: die Entscheidung getroffen haben, auch mit der Bewertung, ob es die richtigen oder falschen

00:32:45: Entscheidungen waren, sondern es ist Olaf Scholz, der da drin steht. Das ist Joe Biden, das

00:32:48: ist Emmanuel Macron. Und deswegen erwarte ich sogar von den Staatschefs, dass sie diese

00:32:53: Dinge dann auch durchdenken und dass sie das gemeinsam entscheiden. Und das ist ja kein

00:32:58: Spiel, in dem wir gerade sind, sondern es ist eine konkrete Kriegsgefahr. Und nochmal,

00:33:02: wenn ich auf den Veranstaltungen im Land unterwegs bin, dann ist die häufigste Frage, die ich

00:33:06: gestellt bekomme, glaubst du, dass ihr verhindern könnt, dass der dritte Weltkrieg ausbricht

00:33:12: und wir da reingezogen werden. Das treibt die Menschen um. Ich kann nicht in die Glaskugel

00:33:17: gucken. Ich glaube, dass wir ganz viel dafür tun können, dass es nicht so kommt. Das ist

00:33:22: die Stärkung der Ukraine, das ist die Diplomatie über die wir gerade geredet haben. Das ist

00:33:27: übrigens auch die Sicherheit in Europa und Deutschland zu stärken. Also ich unterstütze

00:33:33: ausdrücklich Boris Pistorius und ich will sogar ermutigen, dass wir noch mehr machen

00:33:36: als das, was gerade passiert, weil ich glaube, das ist die einzige Sprache, die Putin versteht.

00:33:42: Also der Fehler 2014 nach der Annexion der Krim war ja, dass man irgendwie so gedacht hat,

00:33:46: jetzt ist mit Putin alles geklärt und wir machen weiter. Ich habe das ja auch für die

00:33:50: Sozialdemokratie aufgearbeitet, dass damals in der Sozialdemokratie in der deutschen

00:33:54: Politik insgesamt große Fehler gemacht wurden. Aber wir hätten damals schon anfangen müssen,

00:33:58: die Aufrüstung der Bundeswehr hochzufahren und die militärische Stärke in Deutschland

00:34:02: auszubauen, weil ich ehrlicherweise glaube, ist es die einzige Sprache, die Putin gerade

00:34:06: versteht, die der militärischen Stärke. Und ich verstehe die Sorgen unserer polnischen

00:34:12: Freunde, unserer Freunde im Baltikum, dass die sagen, wenn man Putin hier nicht jetzt

00:34:16: auch die Grenzen aufzeigt, dann sind wir vielleicht die Nächsten.

00:34:19: Lars Klingweil sagt also mehrfach, er versteht und er ist davon überzeugt, dass die einzige

00:34:29: Sprache, die Putin versteht, die der militärischen Stärke ist. Aber stärkt denn der Weg, der

00:34:36: Westen, die Ukraine dann überhaupt ausreichend?

00:34:40: Die Analyse ist richtig, die Handlungen des Westens zeigen das aber nicht oder nur entteilen.

00:34:49: Besonnenheit, so verstehe ich es, in einem Krieg bedeutet auch, dass man besonnen nicht

00:34:57: anfängt, Dinge auszuschließen. Denn Lars Klingweil sagt völlig richtig, der Krieg verändert

00:35:03: sich auch und man muss Anpassungen vornehmen. So wie die russische Armee ja auch Anpassungen

00:35:09: vorgenommen hat nach den massiven Fehlern, die sie gemacht hat in den ersten Wochen und

00:35:14: Monaten dieses Krieges. So hat auch die ukrainische Armee Änderungen vorgenommen. So hat auch

00:35:19: Deutschland in der Unterstützung Änderungen vorgenommen. Und es ist wenig besonnen,

00:35:24: von vornherein Dinge auszuschließen, was der Kanzler ja immer wieder getan hat. Panzer

00:35:28: hat sein, eine rote Linie, andere Dinge sein, rote Linien. Das alles wurde ja korrigiert.

00:35:34: Auch jetzt die Möglichkeit, die Ukraine angreifen zu lassen, das wurde korrigiert.

00:35:39: Gleichzeitig ist es aber wichtig, wir haben ja gerade schon darüber gesprochen, zu betonen

00:35:43: diese Angriffe, diese Qualität des Terrors gegen die Zivilbevölkerung, die ist ja nicht

00:35:47: neu, die ist dann harkiv nicht neu. Es gab Angriffe auf Hotels, auch Hotels, in dem

00:35:52: wir gelebt haben als Journalistinnen und Journalisten. Die ZDF-Kolleginnen und Kollegen waren

00:35:58: dort als dort eine russische Rakete eingeschlagen ist. Dort wurden Menschen verletzt, es wurden

00:36:03: Krankenhäuser getroffen, es wurden Wohnhäuser getroffen, es wurde ein ganzer Stadtteil der

00:36:08: Norden Saltivkas, wo fast eine halbe Million Menschen gelebt hat, wurde kaputt geschossen

00:36:14: seit Monaten. Also man hätte sehr wohl frühzeitig diese Entscheidung treffen können, der Ukraine

00:36:19: die Möglichkeit zu geben, militärische Ziele in der Grenzregion zu treffen. Dass es jetzt

00:36:25: passiert ist, ist für die Ukraine wichtig, weil die Menschen in harkiv große Hoffnung

00:36:30: haben, dass sie dadurch vielleicht etwas ruhiger schlafen können, dass weniger Angriffe kommen,

00:36:35: weil es der Ukraine gelingt, die Orte auszuschalten, von denen aus die Angriffe kommen.

00:36:40: Lass uns noch kurz bei der Wahrnehmung des Kanzlers verbleiben, was du ja aus der Perspektive

00:36:49: der Ukrainerinnen und Ukrainer besonders gut schildern kannst. Wie werden denn Scholz

00:36:57: und speziell seinen Zögern, dass er und Lars Klingbeil und andere in der SPD ausdauern

00:37:02: und unverdrossen immer als Besonnenheit zu framing versuchen und was es übrigens natürlich

00:37:08: im Verständnis von manch einem auch ist. Wie wird es wahrgenommen? Wird verstanden

00:37:15: oder wäre das eine vollständige Überforderung, dass dieser Kanzler, der einen Amtszeit

00:37:24: geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, als einen seiner Grundsätze denkt,

00:37:32: dass Deutschland auf keinen Fall Kriegspartei werden darf? Klingbeil hat es eben so genannt

00:37:38: in dem Ausschnitt, den wir gehört haben aus dem Interview, das wir im Übrigen dann am

00:37:42: Samstag vollständig veröffentlichen. Er sagt, wir stehen da nicht in den Geschichtsbüchern,

00:37:48: aber Olaf Scholz wird daran gemessen werden, ob er einen Fehler gemacht hat, ob er das

00:37:54: Blatt überreizt hat, ob er riskiert hat, was Menschen offensichtlich bewegt, die Lars

00:38:01: Klingbeil bei Wahlkampferanstaltungen ansprechen, ob er riskiert hat, dass es so etwas wie

00:38:06: ein Dritten Weltkrieg gibt. Wird das auch in der Ukraine verstanden oder ist es genau

00:38:12: umgekehrt, dass man sagt, wenn die westlichen Verbündeten jetzt nicht vollständig unterstützen,

00:38:20: dann riskiert man eher den großen, noch größeren Krieg.

00:38:24: Die Menschen in der Ukraine denken in anderen Kategorien, sie denken nicht in Geschichtsbüchern,

00:38:30: sie denken daran, werden wir morgen noch leben, wird es diesen Staat übermorgen noch geben

00:38:36: oder nicht. Und aus ukrainischer Sicht braucht es jetzt besser noch gestern und vorgestern

00:38:44: alles, um sich verteidigen zu können. Alles heißt Waffen, Munition und so viel wie möglich

00:38:52: davon. Natürlich verstehen die Menschen in der Ukraine, dass in westlichen Staaten,

00:38:58: in anderen westlichen Staaten anders gedacht wird, dass der deutsche Bundeskanzler in erster

00:39:04: Linie an die deutsche Gesellschaft denkt. Nur würden die Menschen in der Ukraine zu

00:39:10: einem anderen Ergebnis kommen. Sie würden daran erinnern, dass Deutschland über viele

00:39:16: Jahre dachte, dass Wandel durch Handel passiert und dass man mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit

00:39:24: und indem man Russland ganz viel Geld überweist, dass dadurch eine Veränderung eintritt,

00:39:29: dass man dadurch Einfluss auf Russland hat. Und sie werden daran erinnern, dass Russland,

00:39:34: Deutschland und andere westliche Staaten zwar sehr gut versteht, die Ängste sehr, sehr

00:39:39: gut kennt und genau mit diesen Ängsten spielt, umgekehrt, dass Verständnis in Deutschland

00:39:44: für Russland aber gleich null ist. Es wird in Deutschland viel zu wenig darauf gehört,

00:39:49: was in Russland gesprochen wird, was Putin wörtlich sagt, was im russischen Staatsfernsehen

00:39:54: gesprochen wird, die Drohungen, die da passieren. Und die Menschen der Ukraine sagen auch, guckt

00:39:59: euch doch einfach an, was Russland tut und entscheidet dann, wie ihr handelt. Und wenn

00:40:05: Russland eskalieren will, wenn Russland morgen Berlin angreifen will, dann wird es das tun.

00:40:10: Da braucht sich niemand irgendwelche Gedanken machen. Und deswegen sagen die Ukraine gibt

00:40:15: uns jetzt die Waffen, die wir brauchen, um die Grenzen nicht weiter zu verschieben in Richtung

00:40:21: Westen, sondern um hier die Friedens- und Sicherheitsordnung zu verteidigen. Und um die Frage konkret

00:40:27: zu beantworten, was Olaf Scholz angeht, ich sehe eine Entwicklung. Und die Menschen der

00:40:32: Ukraine sehen diese Entwicklung. Sie sagen, am Anfang war Deutschland viel zu zögerlich,

00:40:37: hat viel zu lange gebraucht. Und wir würden uns auch jetzt wünschen, dass Deutschland noch

00:40:41: mehr tut und vielleicht Taurus liefert. Aber es wird sehr deutlich gesehen, wie viel Geld

00:40:46: Deutschland investiert, wie verlässlich Deutschland ist, auch in einer Zeit, in der die USA zum

00:40:52: Beispiel nichts geliefert haben. Und deswegen bezeichnet Präsident Zelenski Olaf Scholz

00:40:58: ja als großen europäischen Lieder. Und viele Menschen in der Ukraine würden das teilen.

00:41:03: Andere sehen es natürlich schon so, dass es nicht schnell genug gehen kann und dass

00:41:09: gerade Taurus natürlich hier ein Thema bleibt. Aber insgesamt gibt es hier ein sehr positives

00:41:16: Bild von Deutschland, ein Bild eines Staates, der die Ukraine unterstützt.

00:41:20: Du hast richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Ukrainerinnen und Ukrainer echt

00:41:26: andere Probleme haben, als sich unsere Bundesregierung anzuschauen, darauf, wie die ticken, was

00:41:31: die denken, was die sagen und so weiter. Dennoch interessiert mich noch. Boris Pistorius war

00:41:36: gerade ja in der Ukraine. Und das ist in meinem Verständnis eventuell auch Zuständigkeitsheiber,

00:41:45: der Mann, der am klarsten benennt, wie groß die Gefahr ist, die von Russland ausgeht.

00:41:53: Er hat bei der Regierungsbefragung gerade heute gesagt, er möchte, dass Deutschland

00:41:58: und zwar das Land und die Gesellschaft 2029 kriegstüchtig sind. Viele reiben sich ja

00:42:04: schon an dem Wort. Ich finde es aber genau gelungen. Man erschrickt gleich dabei. Das

00:42:09: war nie der deutsche Sprachgebau. Wir wollten wehrhaft sein, aber wir wollten sie nicht

00:42:13: kriegstüchtig sein. Neue Zeiten, andere Herausforderungen, bessere Bezeichnungen in meinem Verständnis.

00:42:20: Also er sieht uns auf dem dringenden Weg dahin, so schnell es geht, kriegstüchtig zu werden

00:42:26: und sieht ja etwa auch die Gefahr, dass aus Kalinien grad ganz schnell eine Rakete auf

00:42:33: Deutschland geschossen werden könnten. Eventuell auch um damit, so hat es eben ja Lars Klingbeil

00:42:39: gesagt, auszuprobieren, was passiert denn dann eigentlich? Also ich mach mir keine Illusionen,

00:42:45: Pistorius auch nicht. Wird da unterschieden, wo es Pistorius in der Ukraine ist, ich glaube

00:42:52: das wird sowieso immer gerne gesehen, dass Staatsbesuch oder Gäste aus dem Ausland kommen.

00:42:59: Der Bundeskanzler war, wenn ich mich richtig erinnere, erst einmal da, hätte auch häufiger

00:43:04: kommen können. Hätte das, wäre das erwartet worden, gewünscht worden?

00:43:08: Der Bundeskanzler war seit Beginn des Angriffskriegs in der Tat im Juni 2022 da, war auch in Irbinen

00:43:15: und seitdem nicht mehr, er hat Zelensky bei verschiedenen Anlässen getroffen, aber er

00:43:19: war nicht mehr im Land. Die Menschen in der Ukraine würden jetzt wahrscheinlich sagen,

00:43:24: wir brauchen keine Touristen hier, wir brauchen schon Menschen, die hierher kommen und was

00:43:28: konkretes mitbringen. Das hat Boris Pistorius getan, stellvertretend für die Bundesregierung,

00:43:32: er handelt ja nicht alleine, sondern das ist ja ein gemeinschaftliches Handeln. Annalena

00:43:36: Baerbock war siebenmal da seit Beginn des Angriffskriegs, hat vor allem Solidarität,

00:43:43: die sie mitbringt und hat vor allem eine Öffentlichkeit, die sie mitbringt, um auch die deutsche

00:43:49: Gesellschaft dafür zu sensibilisieren, was es bedeutet, wenn Energiekraftwerke zerstört

00:43:54: werden, was es bedeutet, wenn Menschen in Kharkiv, wo sie ja auch war vor einem Jahr,

00:43:59: angegriffen werden. Insofern würde ich sagen, dass die breite Gesellschaft in der Ukraine

00:44:04: jetzt nicht groß unterscheidet zwischen einzelnen Minister*innen und dem Bundeskanzler. Diejenigen,

00:44:10: die sich mit der Thematik und mit der deutschen Innenpolitik aktiver beschäftigen, sehen

00:44:15: aber natürlich schon, dass ein Boris Pistorius klarer ist und die sehen schon, dass er durchaus

00:44:22: anders als Olaf Scholz vielleicht eher darüber nachdenken würde, Taurus-Marschflug-Körper

00:44:27: zu liefern. Und dass er vielleicht auch anders als Olaf Scholz ein klareres Verständnis für

00:44:33: diesen Krieg hat und auch für die Folgen, wenn dieser Krieg nicht hier gestoppt wird,

00:44:39: wenn das vorrückend Russlands nicht auf ukrainischem Staatsgebiet gestoppt wird.

00:44:43: Diese Woche jährt sich der sogenannte "D-Day" zum 80. Mal, also die Landung der Alliierten

00:44:50: in der Normandie, wird gemeinhin ja verstanden als der entscheidende Wendepunkt im Kampf

00:44:55: gegen Hitler Deutschland. Es gibt große Feierlichkeiten dort. Der ukrainische Präsident

00:45:01: Zelenski fährt hin, Joe Biden, der französische Präsident Macron, Olaf Scholz, alle werden

00:45:08: dabei sein. Ich frage mich, wiederholt sich Geschichte eventuell doch, träumt die Ukraine

00:45:15: noch davon, dass die westlichen Alliierten wie 1944 alles in ihrer Macht stehende tun

00:45:22: würden, um den Krieg diesmal dann gegen Russland zu gewinnen? Oder hast du das eben längst

00:45:28: beantwortet, weil du gesagt hast, bitte, das ist ja nicht das strategische Ziel des Westens.

00:45:34: Es geht nicht darum, die Ukraine in die Lage zu versetzen, diesen Krieg wirklich gewinnen

00:45:40: zu können. Es ist auf jeden Fall das Ziel der Ukraine,

00:45:46: den westlichen Partnern, aber auch allen anderen Partnern klarzumachen, dass dieses Russland,

00:45:51: wie es sich verhält und wie es agiert, eine Gefahr für die gesamte Welt ist. Und wir

00:45:56: beobachten ja auch, dass Präsident Zelenski und sein Team gerade in einer diplomatischen

00:46:01: Offensive sind. Wir haben die Reisen nach Spanien gesehen, Belgien, dann Singapur,

00:46:06: Philippinen, jetzt gerade in Qatar und von Qatar dann eben nach Frankreich. Das Team

00:46:14: um den Präsidenten führt wahnsinnig viele Gespräche und die Hoffnung ist natürlich,

00:46:18: dass es auch Gespräche, direkte persönliche Gespräche wieder zwischen Zelenski und Biden

00:46:23: geben wird. Donald Trump ist ja auch da, auch da werden schon möglicherweise Gespräche

00:46:32: geführt mit Blick auf einen möglichen Wahlausgang zugunsten Trumps. Das kann ja auch passieren.

00:46:39: Die Ukraine ist ja in einer realpolitisch sehr klaren Situation. Sie braucht so viele

00:46:43: Staaten wie möglich, die sie unterstützen und zwar nicht nur militärisch, nicht nur

00:46:48: wirtschaftlich, sondern vor allem auch politisch-diplomatisch. Und deswegen gibt es ja diesen Friedensgipfel

00:46:54: in der Schweiz, bei dem China nicht dabei sein wird, bei dem die USA nur in Vertretung

00:47:01: von Carla Harris, der Vizepräsidentin, dabei sind. Das ist natürlich etwas, was sich die

00:47:06: Ukraine anders gewünscht hätte. Aber die große Hoffnung ist, die Welt dazu zu bringen, so

00:47:12: viele Staaten wie möglich, Wege zu finden, diesen Krieg zu beenden und nicht irgendwie

00:47:19: zu beenden, sondern gerecht zu beenden, nachhaltig zu beenden, also ein gerechter und nachhaltiger

00:47:25: Frieden. Das klingt irgendwie, glaube ich, total abstrakt, wenn man diese Begriffe hört,

00:47:31: aber einfach die Vorstellung, wenn du abends ins Bett gehst, dann musst du dir keine Gedanken

00:47:36: machen, glücklicherweise, dass nachts eine Drohne oder Rakete in Berlin einschlagen wird.

00:47:42: Die Menschen in der Ukraine haben sich inzwischen daran gewöhnt, dass wenn sie ins Bett gehen,

00:47:48: irgendwann Luftalarm sein kann und irgendwann Drohnen, Raketen oder Gleitbomben einschlagen.

00:47:53: Und das Ziel dieses Staates ist es, das zu verhindern, dafür zu sorgen, dass das nie

00:48:00: wieder passiert.

00:48:01: Du hast die Friedenkonferenz angesprochen, die wird am 15.16. Juni von der Schweiz ausgerichtet

00:48:09: in der Nähe von Luzern stattfinden. Wir sind damit unmerklich zu dem konstruktiven

00:48:17: Teil unseres Podcasts gekommen. War es daran, stimmt denn noch dich auch, die Ukrainerinnen

00:48:24: und Ukrainer noch hoffnungsvoll? Denn es gab nun ja auch tatsächlich ein paar Absagen.

00:48:32: Man hätte gehofft, dass Joe Biden dort hinfällt. Er schickt die Vizepräsidentin Harris. Er

00:48:38: selber kommt nicht, weil er parallel dazu einen Wahlkampfauftritt hat, was man auch

00:48:44: irgendwie als vergleichsweise unwichtig begreifen könnte. Andererseits, wenn das hilft, dass

00:48:51: nicht Donald Trump ins Amt käme, dann ist das ganze jährliche auch ein wichtiger Termin.

00:48:56: Ohnehin haben wir es nicht zu entscheiden. Aber Biden hat es so entschieden. China wird,

00:49:03: soweit ich weiß, Lars Klingball hat im Interview noch so getan, als würde da noch dran gearbeitet,

00:49:09: dass China wenigstens einen Vertreter schickt oder eine Vertreterin. Im Moment ist China

00:49:14: nicht dabei. Brasilien, Saudi-Arabien haben jedenfalls nicht zugesagt, ob sie kommen werden,

00:49:21: ist damit unklar. Welche Hoffnung kann also dann von dieser Friedenskonferenz ausgehen,

00:49:29: wo die entscheidenden Player vielleicht doch nicht dabei sind?

00:49:32: Präsident Zelenski hat ja angekündigt, dass mehr als 100 Staaten dabei sein werden. Je

00:49:37: mehr es sind, desto besser. Und der andere Punkt ist, was erwarten wir von Diplomatie?

00:49:44: Also wir haben ja vor Beginn des Angriffskriegs gesehen, dass diplomatisch alles versucht wurde

00:49:50: um Russland daran zu hindern, die Ukraine vollumfänglich zu überfallen. Das ist nicht gelungen.

00:49:56: Das heißt, Russland hat damit gezeigt, es ist gar nicht an Diplomatie interessiert. Wenn Russland

00:50:01: diesen Krieg beenden wollen würde und dieser Satz bleibt genauso bestehen, dann kann es jeder

00:50:07: Zeit die Waffen niederlegen, den Beschuss beenden und die Truppen abziehen. Dann wäre dieser Krieg

00:50:12: sofort beendet. Dann müsste man zwar über Reparation und andere Dinge sprechen und über eine

00:50:19: mögliche Reintegration Russlands in die Weltgemeinschaft, aber dann wäre das Sterben, das Leid,

00:50:26: das jeden Tag passiert, weil Russland diesen Krieg führen will, beendet. Russland will aber nicht.

00:50:31: Russland hat gerade aus eigener Sicht keine Nachteile diesen Krieg zu führen,

00:50:36: sondern nur Vorteile. Es kommen weiterhin westliche Teile in das Land, die dann in Raketen landen,

00:50:42: die in der Ukraine landen. Und das, was diplomatisch gerade da ist, das Greifbarste ist diese Friedenskonferenz.

00:50:51: Dass da jetzt irgendwie der Frieden beschlossen wird, das wird nicht passieren. Aber das ist

00:50:56: ein erster Schritt, wo viele Staaten sich auf ein Papier einigen können, in dem zum Beispiel drin

00:51:01: steht, wir wollen, dass andere Staaten damit aufhören, mit nuklearen Schlägen zu drohen,

00:51:07: was Russland immer wieder tut, womit Russland immer wieder Ängste auslöst und die ganze Welt

00:51:14: damit belastet in Angst und Strecken versetzt. Der zweite Punkt ist, dass Kinder, die deportiert

00:51:21: worden sind, dass Kriegsgefangene, die Russland genommen hat, aber auch die Ukraine, dass die

00:51:28: ausgetauscht werden. Die Ukraine ist dafür, das eins zu eins zu tun, alle gegen alle. Russland

00:51:34: zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Lebensmittelsicherheit, dass kein Schiff, das Getreide transportiert

00:51:42: daran gehindert wird, über das Schwarze Meer zu fahren, um andere Staaten zu versorgen. Das sind

00:51:46: ja Dinge, die in der UN-Karte drin stehen. Das sollte ja nichts sein, was irgendjemanden überrascht.

00:51:52: Aber es braucht, glaube ich, ist zumindest meine Wahrnehmung, ein starkes Zeichen der Weltgemeinschaft,

00:52:00: die Russland daran erinnert, was es selbst mal unterschrieben hat. Und dieses Zeichen könnte

00:52:05: von diesem Friedensgipfel in der Schweiz ausgehen und könnte dann zu einem anderen Format führen,

00:52:10: bei dem dann auch Russland beteiligt ist. Glaubst du wirklich? Gerade als du es sagt,

00:52:16: es dachte ich, Papier ist ja sehr geduldig. Was bringt es, wenn diese Staaten, die von mir

00:52:25: aus jetzt in der Schweiz zusammenkommen werden? Allerdings ohne Russland, haben wir vergessen

00:52:29: zu sagen, die sind also nicht dabei. Was bringt es, wenn die nochmal sich versichern? Was anderen

00:52:36: Orts in der UN-Karte, was vor dem Internationalen Strafgerichtshof schon klargemacht wurde,

00:52:45: dass Kriegsverbrechen verübt werden von Russland in der Ukraine, da ging es genau auch um die Kinder

00:52:54: beispielsweise. Was würde es also noch bringen, wenn du dann so ein geduldiges Papier hättest,

00:52:59: bei dem man sagt, jäh, da haben wir uns jetzt alle drauf versammelt und dann laufen wir da alle

00:53:05: auseinander und machen weiter ihrs? Diplomatie bedeutet dafür zu sorgen, dass nicht alle auseinander

00:53:10: laufen. Diplomatie bedeutet genau dafür zu kämpfen, noch mehr Staaten zu überzeugen. Diplomatie

00:53:16: ist etwas, bei dem am Anfang vielleicht viele sagen, wie naiv ist das denn? Wieso macht ihr das denn

00:53:24: überhaupt? Das wird ja sowieso nichts und erfolgreiche Diplomaten und Diplomaten glauben

00:53:29: trotzdem daran. Sie glauben an das Ziel und sie kämpfen dafür. Und genau das tun wir gerade.

00:53:34: Ja, aber es ist ja schon viel gesprochen worden. Weißt du, Präsident Zylenski ist ja Nimmermüde,

00:53:39: unterwegs zu allen großen Veranstaltungen gefahren, hat genau diese Dinge eingeklagt,

00:53:48: hat sie versichert bekommen. Von unterschiedlichen Kreisen dann jeweils immer, aber auf diplomatischem

00:53:54: Paket. Was wäre also neu? Neu ist, dass viele Staaten zusammenkommen zu einer Konferenz,

00:54:01: die sich Friedenskonferenz nennt. Dass viele Staaten sich an einen Tisch setzen und gemeinsam

00:54:06: an einem Papier arbeiten, das vielleicht auch gar nicht zustande kommt. Aber dass viele Staaten

00:54:11: gemeinsam da sind, um an dieser Idee des Friedens zu arbeiten, um dadurch vielleicht Inspiration zu

00:54:19: sein für andere Staaten, die sich anschließen, um gemeinsam als Weltgemeinschaft, als zivilisierte

00:54:25: Weltgemeinschaft zu überlegen, wie kriegen wir es wieder hin, dass wir Frieden in der Welt haben?

00:54:29: Wie kriegen wir es vielleicht am Beispiel dieses russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hin,

00:54:34: dass wir eine Lösung finden, die vielleicht dann auch auf andere schreckliche Kriege angewendet

00:54:40: werden kann? Das klingt, ich sehe, dass du lächelst. Es klingt jetzt gerade, wenn ich das ausspreche,

00:54:47: nach einer Utopie. Ich bin mir persönlich auch nicht sicher, ob dieser Gipfel ein Erfolg wird.

00:54:51: Aber ich halte es für notwendig, dass Diplomatie passiert, dass zivilisierte Staaten an diplomatischen

00:54:59: Lösungen arbeiten und dann Wege finden, Druck auf Russland auszuüben. Denn das ist am Ende der Punkt.

00:55:06: Es wird nicht ausreichend politischer, wirtschaftlicher und militärischer Druck auf Russland

00:55:11: ausgeübt. Erst wenn diese drei Komponenten da sind und die Diplomatie zählt in den politischen

00:55:16: Bereich rein, erst dann ist eine Veränderung möglich. Ich habe deshalb gelächelt, weil ich mich

00:55:23: gefreut habe, dass du ja auch gerade unter der Frage, die wir uns für die Folge gegeben haben,

00:55:31: so viel Optimismus und so viel Zuversicht immerhin noch in ihr trägst, dass Diplomatie die entscheidende,

00:55:39: die Verändernde, die gute Rolle spielen könnte. Darüber freue ich mich tatsächlich ganz ausdrücklich.

00:55:44: Deshalb habe ich gelächelt, zugewandt gelächelt, weil ich es mir selber auch genauso wünsche.

00:55:51: Was gibt denn der Ukraine Hoffnung, war unsere Titelfrage und ich möchte mal gerne dahin gucken,

00:56:00: wo siehst du uns in dieser Frage in einem Jahr? Das ist eine schwere Frage. Das ist,

00:56:10: glaube ich, faktisch nicht möglich zu beantworten. Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Aber ich

00:56:18: hoffe, dass wir in einem Jahr an einem Punkt stehen, an dem die Menschen in der Ukraine ruhiger

00:56:29: schlafen können, an dem die Menschen in der Ukraine an der Zukunft ihres Landes bauen können,

00:56:36: was sie auch jetzt tun, an der europäischen Zukunft, dass Menschen in der Ukraine, die nicht mehr zu

00:56:44: Hause leben können, weil ihre Häuser und Wohnungen besetzt sind, dass sie wieder zu Hause leben können,

00:56:51: dass sie das, was Russland zerstört hat, wieder aufbauen können. Und vor allem hoffe ich sehr,

00:56:56: dass es einen Wandel in Russland gibt, eine Einsicht dessen, wie brutal diese Verbrechen waren,

00:57:06: was für eine große Belastung das für die gesamte Welt war. Ich glaube nicht daran. Ich sehe das

00:57:13: nicht, wenn ich mir die russische Gesellschaft angucke. Aber ich hoffe es. Deine Mutter ist Russin,

00:57:18: du sprichst die Sprache natürlich perfekt und du hörst da genau zu. Und ich habe auch Kontakt

00:57:24: zu Menschen, die dort sind und meine große Hoffnung ist aber, dass die Welt das hinbekommt. Und ich

00:57:30: habe auch einen festen Glauben an europäische Staaten und ich habe auch den festen Glauben daran,

00:57:36: dass die europäischen Staaten eine Lösung finden werden, den Kontinent wieder sicherer zu machen.

00:57:43: Und den Menschen in der Ukraine zu helfen. Aber das ist wirklich eher eine Hoffnung als ein Blick

00:57:48: nach vorne. Es ist nicht möglich, so weit nach vorne zu gucken, weil einfach immer wieder schlimme

00:57:55: Dinge passiert sind und immer noch passieren. Ich habe aber auch eine Hoffnung, dass wir uns

00:58:01: bald möglichst wieder hören und wiedersehen, Vasilis. Das hat wirklich große Freude mit dir gemacht

00:58:07: und hat mir ganz, ganz viel erklärt. Ich hoffe unseren Hörern und Hörer ging es da ganz genauso.

00:58:14: Deshalb habe ich vielen, vielen Dank und lasst uns bald wiedersehen. Ich will sagen,

00:58:19: die Redaktionsschluss für diese Folge war am 5. Juni 2024 gegen 17 Uhr. Die Redaktion hatten

00:58:28: Freie Reis und Marie Steffens. Executive Producerin ist Marie Schiller. Producer ist Maximilian

00:58:35: Frisch und Lukas Hambach. Sounddesign, Hannes Husten. Die Vermarktung macht die mit Vergnügen

00:58:40: GmbH. Und das Ganze ist eine Produktion der Wilmedia GmbH. Und wenn euch der Podcast gefällt,

00:58:45: dann abonniert uns doch gerne. Wir würden uns sehr darüber freuen. Danke, Vasilis.

00:58:50: Dankeschön und schöne Grüße aus Kiel. Ja, bis bald. Ciao.

00:58:53: [Musik]

00:59:08: [Beifall]