Bonus: Interview mit Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages
Shownotes
Was kann die deutsche Politik aus den Wahlergebnissen der Europawahl lernen? Darüber spricht Anne Will mit der Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Katrin Göring-Eckardt. Alle Regierungsparteien Deutschlands mussten bei dieser Europawahl Verluste hinnehmen. Die AfD legte deutlich zu und wurde im Osten stärkste Kraft. In Reaktion auf die Wahlergebnisse sagte Kanzler Olaf Scholz, es sei Zeit “sich anzustrengen und die Aufgaben zu lösen, vor denen wir stehen”. Aber wie soll das genau aussehen? Und war es nicht eigentlich ein Wahlergebnis mit Ansage?
Die Grünen haben bei der Europawahl mit Abstand die meisten Wählerinnen und Wähler verloren. Sie bekamen 11,9 Prozent der Stimmen - damit liegen sie 8,6 Prozent unter den Ergebnissen der Europawahl 2019. Katrin Göring-Eckardt hält es jetzt für besonders wichtig, genau zu analysieren, warum ihre Partei so große Verluste eingefahren hat. Sie glaubt, dass ein Fehler gemacht wurde: Das Thema Gerechtigkeit wurde zum Beispiel im Hinblick auf Klimaschutz nicht genug adressiert. Sie betont auch: Trotz der Gewinne der AfD hat die Mehrheit in Deutschland demokratisch gewählt.
Das Interview wurde am Mittwoch, den 12.06.2024, aufgezeichnet.
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WICHTIGE QUELLEN:
ZDFonline, AfD im Osten stärkste Kraft, 09.06.2024
Tagesschau, Wer wählte die Grünen - und warum?, 12.06.2024
ZDF, Grünen-Chefin will "emotionales Angebot" gegen AfD | Markus Lanz vom 16. Januar 2024, 17.01.2024 https://www.youtube.com/watch?v=dsri55jQCkw
Phoenix, Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Gabriel Boric (Präsident Chile), 10.06.24
Phoenix, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zum Ergebnis der Europawahl, 10.06.24
Spiegel: Die Wahlpleite und das Kanzler-”Nö”, 09.06.2024
Impressum: Redaktion: Gina Enslin und Olga Patlan Executive Producerin: Marie Schiller Audio Producer: Maximilian Frisch und Patrick Zahn Sounddesign: Hannes Husten Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH Eine Produktion der Will Media GmbH
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00:00:00: Politik mit Annel Will.
00:00:08: Hallo und herzlich willkommen zu unserer Bonus-Folge.
00:00:23: Darin wisst ihr immer das Interview in voller Länge, das ich für jede unserer Folgen führe.
00:00:28: Wir zeichnen dieses am Mittwoch, dem 12. Juni 2024, gegen 12 Uhr mittags auf.
00:00:34: Und ich spreche mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags mit Katrin Göring-Eckardt
00:00:39: von Bündnis 90/Die Grünen.
00:00:40: Ich möchte gerne wissen, was Deutschland, was auch die Grünen aus dem Ergebnis der
00:00:47: Europawahl lernen können.
00:00:49: Hallo Frau Göring-Eckardt.
00:00:50: Ich grüße Sie.
00:00:51: Schön, dass wir bei Ihnen hier im Büro sein können.
00:00:54: Ist übrigens eine fantastische Aussicht.
00:00:56: Wir müssen vielleicht dazu sagen, wir schauen gleich aufs Reichstagsgebäude.
00:00:59: Das ist schon ...
00:01:00: Herzkamerade Demokratie.
00:01:01: Man sieht immer die Besucher oben.
00:01:03: Ist auch gut, dass man weiß, die gucken einen auf den Tisch.
00:01:06: Das tun wir jetzt auf.
00:01:07: Wir gucken auf den Tisch und in Ihren Kopf.
00:01:10: Denn ich weiß nicht, wie viele Wahlabende Sie schon mitgemacht haben.
00:01:15: Welche der Sätze, die da gemeinhin so fallen können, Sie auch echt nicht mehr hören.
00:01:19: Also ich finde immer gut, dass man sich bedankt bei den Wählerinnen und Wählern.
00:01:25: Dann denke ich immer, aber ihr könnt auch noch mal sagen, bei denen, die uns nicht
00:01:29: gewählt haben, sind wir auch sauer oder so.
00:01:30: Ist übrigens einer der Sätze, denen die Journalisten nicht so gerne hören, wenn das erst kommt.
00:01:36: Wenn das ist, verstehe ich auch total.
00:01:39: Trotzdem ist es notwendig.
00:01:40: Ich finde immer alles, was so nach in irgendeiner Weise schön reden klingt und noch schlimmer
00:01:46: finde ich, wenn am Wahlabend die Politikerinnen und Politiker noch mal das Programm aufsagen.
00:01:52: Ich weiß, dass das sehr schwer ist, weil es hat man ja bis Samstagabend gemacht.
00:01:55: Da hat man immer noch mal gesagt, warum man jetzt gewählt werden muss.
00:01:58: Und dann sagt man am Sonntag, aber trotzdem ist das ganz so wichtig.
00:02:01: Das kann ich schwer aushalten.
00:02:02: Ich muss zugeben, was mich am Sonntag gerade als die Ergebnisse der Europawahl nach und
00:02:08: nach so reinkamen und Vertreter*innen von auch ihrer Partei auftraten.
00:02:16: Was mich da total genervt hat, ist zu hören, man müsse jetzt mal die Hausaufgaben machen.
00:02:21: Das wurde ganz oft gesagt, man müsste in Ruhe analysieren, was passiert sei, warum denn
00:02:26: die Grünen so dramatisch an Zustimmung verloren, die AfD aber zum Beispiel so stark hinzugewonnen
00:02:33: hat.
00:02:34: Ganz ehrlich, was von dem, was sich da jetzt offenbart hat, ist ihnen wirklich neu, sodass
00:02:39: sie diese Hausaufgaben zunächst machen müssten.
00:02:42: Hausaufgaben, Bergzeugkasten, das sind alle so ganz beliebte Politikerinnen, Floskeln,
00:02:47: wenn man sich sehr unsicher geworden ist.
00:02:49: Und ich glaube tatsächlich, dass sehr viele nicht gedacht haben, dass es so ausgehen
00:02:56: würde.
00:02:57: Es gab immer noch die Hoffnungen, die grün sind bei 15% und sind vor der AfD und alles
00:03:02: das.
00:03:03: Und manchmal sind das ja nur 2-3%.
00:03:05: Den großen Unterschied machen in der Wahrnehmung.
00:03:07: Das ist ja nicht ein großer Unterschied in der Wähler*innenzahl, aber ein großer Unterschied
00:03:11: in der Wahrnehmung.
00:03:12: Und diese Enttäuschung und die SPD hat das Frust genannt.
00:03:17: Ich finde Frust nicht das richtige Wort dafür.
00:03:20: Aber diese Begegnung mit der Realität, das ist doch sehr viel krasser ist, als man vorher
00:03:27: gedacht hat, hat dazu geführt.
00:03:28: Das alle und das fand ich wiederum sehr vernünftig.
00:03:31: Wir gucken uns das jetzt in Ruhe an.
00:03:32: Wir sagen jetzt nicht heute Abend schon, was wir genau machen müssen und an wen wir genau
00:03:37: denken müssen, sondern wir gucken jetzt einmal in Ruhe an, weil das ist zumindest die Einsicht
00:03:44: und die klare Ansage, wir haben wirklich nicht alles richtig gemacht.
00:03:48: Und es ist nicht nur ein komischer Zufall oder irgendwie ein Moment, der dazu geführt hat,
00:03:53: sondern wir haben wirklich nicht alles richtig gemacht.
00:03:55: Deswegen war ich damit eher zufrieden.
00:03:56: Ja, aber ich finde gut, dass Sie's Floskel nennen, weil das ist das, was mich da anwählt, wo
00:04:01: ich denke, auch kommen.
00:04:02: Das ist jetzt irgendwas wird gesagt, um Zeit zu gewinnen, um irgendwas zu sagen auf die
00:04:07: Fragen, die einem da gestellt werden.
00:04:09: Denn wenn man sich das wirklich anschaut, als das, was es sein will.
00:04:14: Wir machen Hausaufgaben, bevor irgendwas passiert, dann muss man ja sagen, wie sehr die Grünen
00:04:20: wegen ihrer Politik in der Kritik stehen, wie viel Vertrauen die Ampel insgesamt verloren
00:04:25: hat, wie stark auch namentlich die Politik der Grünen verhetzbar geworden ist.
00:04:31: Und daraus auch so was wie ein Mobilisierungserfolg für die AfD zu ziehen ist.
00:04:36: Das wussten Sie ja alles.
00:04:37: Warum müssen Sie dann eigentlich jetzt erst hinschauen, jetzt erst mit der Realität,
00:04:44: wie Sie es nennen, in Berührung kommen und haben nicht längst umgesteuert?
00:04:48: Ich habe den Versuchstatz gegeben, umzusteuern.
00:04:51: Und wir haben ja viel diskutiert darüber, wie ist das mit Stadt und Land beim Heizungsgesetz.
00:04:56: Ich weiß gar nicht, wie oft Robert Halberg gesagt hat, das war ein Fehler.
00:04:58: Wir haben die Fehler korrigiert.
00:05:00: Ich habe selber irgendwie an die 100 Mal bestimmt gesagt in den Wochen danach und dann immer
00:05:04: wieder bei jeder Frage dazu.
00:05:06: Trotzdem ist das ständig im Raum als ein riesengroßes Versagen, sowohl handwerklicher
00:05:12: wie politischer Art.
00:05:14: Weil man nicht verzeihen kann oder warum?
00:05:17: Ich glaube, weil erstens haben viele Menschen gar nicht mehr mitgekriegt, dass es die Korrekturen
00:05:22: gab, sondern die haben irgendwie immer noch Bildzeitung und habe ihr geholt euch die alte
00:05:26: Garteitzung persönlich aus dem Kellergefühl.
00:05:28: Und warum ist das so?
00:05:30: Und wenn man in so manche Telegram oder WhatsApp-Familiengruppen guckt, dann sieht man, dass
00:05:36: es immer noch ein Stand ist, der noch nicht mal in dem ursprünglichen Gesetzentwurf
00:05:40: stand, sondern irgendwie noch was viel dramatischeres.
00:05:42: Es hat schon auch damit zu tun, wir leben auch in einem Umfeld, wo man im Moment sehr
00:05:47: schwer wirklich sachlich über Dinge diskutieren kann.
00:05:50: Das ist das eine und das andere ist, wir haben seit Anfang des Jahres mit den Korrektiv-Recherschen
00:05:59: überall Demonstrationen gehabt.
00:06:01: Ich glaube, dass es in großen Städten große, in großen Städten aber eben auch größere,
00:06:06: in kleineren Städten und mittleren Orten, mit denen ich jedenfalls nicht gerechnet habe
00:06:10: und viele andere auch nicht.
00:06:11: Und die Hoffnung, dass das einen Unterschied macht, die war größer als der Unterschied,
00:06:17: den es gemacht hat.
00:06:18: Natürlich hat die AfD auch...
00:06:19: Sie glauben, die Straße arbeitet praktisch für Sie?
00:06:21: Also ich glaube ja immer nicht, wenn am Brandenburger Tor Leute demonstrieren, dass das ins ganze
00:06:27: Land ausstrahlt.
00:06:28: Und wenn Leute auf die Straße gehen, die ich dann noch nie gesehen habe, wenn irgendwie
00:06:33: so eine 82-Jährige Oma sagt in Erfurt, ich war noch nicht mal 89 auf der Straße, aber
00:06:40: jetzt finde ich es wichtig.
00:06:42: Denn macht das jedenfalls auch was mit mir und ich denke, okay, da passiert jetzt was
00:06:45: in der Gesellschaft.
00:06:46: Muss aber ja nicht den Grünen nützen?
00:06:48: Ne, muss ich den Grünen nützen.
00:06:49: Ich glaube, es hat insgesamt genutzt.
00:06:50: Das kann man schon sagen, weil die AfD ist ja runtergegangen, also mit Krau und allem,
00:06:55: was da dran hängen natürlich zusätzlich.
00:06:56: Und die Leute haben demokratisch gewählt, aber nicht uns.
00:07:00: Ich glaube, das ist so ein Teil davon, dass es auch nicht reicht zu sagen, wir sind gegen
00:07:06: Rechts oder gegen Rechtsextreme.
00:07:08: Das sind viele demokratische Parteien, sondern man muss eben auch sehr viel stärker sagen,
00:07:13: wofür man ist.
00:07:14: Und das ist den Grünen, meiner Partei ist auch mir schwer gefallen, weil so das Gefühl,
00:07:19: dass mit der Klimapolitik ist gerade nicht mehr der heiße Scheiß der Republik und wie
00:07:24: geht man eigentlich damit um, dass es das nicht mehr ist, obwohl das letzte Hochwasser
00:07:29: ganz kurz vor der Wahl stattgefunden hat und eigentlich alle wissen, das hat auch damit
00:07:33: zu tun.
00:07:34: Das ist nicht so einfach, wenn man keine große Selbstverständlichkeitsresonanz erfährt.
00:07:41: Nun stelle ich mir vor, Sie haben ganz, ganz viele Menschen, die alle konzentriert daran
00:07:46: arbeiten und drüber nachdenken, wie man es besser machen könnte, wie Sie sowohl Ihre
00:07:50: Werte hochkriegen als auch zum Beispiel die Werte der AfD runterkriegen.
00:07:54: Müssen Sie dann, wenn ich Ihnen zuhöre und Sie da auch sympathischerweise auch anekdotisch
00:08:01: erzählen, müssen Sie zugeben, dass Sie in Wahrheit kein Rezept mehr haben, dass Sie
00:08:06: nicht wissen, wie Sie zum Beispiel als Partei wieder auf die Füße kämen?
00:08:12: Ich würde sagen, wir haben kein Rezept für so eine fünf Minuten Terrine, wo man einfach
00:08:18: nur heißes Wasser reinmacht und dann wird man irgendwie satt, wird man auch immer nur
00:08:22: kurzfristig satt.
00:08:23: Aber wenn man bei dem Bild kurz bleiben will, wie das Rezept aussehen soll, dass es irgendwie
00:08:28: einigermaßen verträglich ist, aber trotzdem satt macht und auch jetzt nicht alle Ressourcen
00:08:33: verschwendet, die man so hat, das ist schwieriger und ich glaube, dass es wirklich auf den
00:08:39: Hosenboden setzen, ob das jetzt heißt Hausaufgaben machen oder wie auch immer, aber sich jetzt
00:08:43: wirklich mal ernsthaft damit zu befassen, dass man nicht einfach immer nur so weitermachen
00:08:47: kann, weil man ja an dem richtigen arbeitet und weil ja manche Sachen auch ganz gut laufen,
00:08:52: das finde ich aller Ehrenwert und ich würde nicht sagen, wir haben kein Rezept, im Grunde
00:08:55: genommen weiß man was nicht allein die Grünen, sondern was alle machen müssen, was die Frage
00:09:01: der Thema-Rese angeht.
00:09:02: Das ist das, was mich dann ärgert an so einem Wahlang, wo ich da sitze und sage, Mann, ey,
00:09:08: das ist euer Job.
00:09:09: Wie konnte das passieren?
00:09:11: Warum ist da so viel Preis gegeben worden?
00:09:13: Denn auch muss man ja sagen, das ist glaube ich auch eine Erkenntnis dieser Europawahl,
00:09:18: dass die ganzen alten Wahrheiten, die man für gewöhnlich so zur Verfügung hatte, dass
00:09:22: die alle nicht mehr gelten, nehmen wir.
00:09:24: Bei Kommunalwahlen würde anders gewählt als bei Landtags oder Bundestagswahlen, weil
00:09:29: man die Personen vor Ort kennt und sich anschauen kann.
00:09:32: Denkste, die AfD räumt da überall ab in Brandenburg, Mecklenburg, Vorpommern, Sachsen-Anhalt
00:09:38: und Sachsen, um nur die Länder zu nennen, wo am zurückliegenden Wochenende gewählt worden
00:09:43: ist.
00:09:44: Und sie schickt jetzt vermutlich die meisten Vertreter*innen in die Kommunalparlamente oder
00:09:48: andere Wahrheit, an die man bislang noch glaubte.
00:09:52: Wenn nur genug Menschen zur Wahl gingen, dann wählten die gewisse Guten, also die Demokraten.
00:09:57: Die Wahlbeteiligung war aber ausgesprochen hoch, für viele besonders unverwunderlich
00:10:04: hoch.
00:10:05: Und dennoch sahen die AfD ab kurzum.
00:10:07: Die Situation ist ja eigentlich noch schlimmer, als man auf Basis der bleibt dabei alten Wahrheiten
00:10:13: dachte.
00:10:14: Die AfD hat längst eine Stammwählerschaft.
00:10:17: Ihre Normalisierung ist zumal im Osten viele Orts abgeschlossen.
00:10:23: Ich glaube das auch.
00:10:25: Also die alten Gewissheiten gelten nicht mehr.
00:10:27: Man kann nicht mehr Politik machen wie in den 90er oder Anfang 2000er Jahren.
00:10:30: Das ist so.
00:10:31: Ich glaube wir sind auch eine andere Gesellschaft geworden.
00:10:34: Und das hat mit vielen zu tun, das hat mit der Politik selber zu tun, das hat mit den
00:10:38: Rahmenbedingungen zu tun.
00:10:40: Es verändert sich gerade total viel.
00:10:42: Es gibt äußere Einflüsse und früher hatte man so eine große Sache in einer Legislaturperiode
00:10:47: so gefühlt, einen 9/11 oder was auch immer in einem einfallen kann.
00:10:51: Und jetzt gibt es irgendwie die Einschläge quasi jährlich.
00:10:54: Also erst war die Pandemie und dann mussten wir daraus.
00:10:57: Und dann haben wir gedacht, jetzt können wir richtig gut anfangen.
00:10:59: Dann kamen Putingsangriffskrieg und damit verbunden eine Energiekrise, die wir bewältigt haben.
00:11:07: Aber wir konnten gar nicht sagen, super, das haben wir gemeinsam geschafft, weil es irgendwie
00:11:10: gar keine hören wollte, weil dann schon wieder das nächste um die Ecke kam und man gedacht
00:11:15: hat, oh Gott.
00:11:16: Ich freue mich ein bisschen zu sagen, diese 16 Jahre Merkel mit zum Teil FDP vor allen
00:11:23: Dingen großer Koalitionen haben auch sehr viel Stillstand bedeutet und haben sehr viel
00:11:28: liegen lassen, weil dann sagen wir, es kommt sie wieder mit 16 Jahren.
00:11:31: Die Realität ist aber auch ein bisschen so.
00:11:33: Also ich habe ja viele Wahlkämpfe geführt und noch 2013 war ich Spitzenkandidatin und
00:11:39: konnte sagen, wenn wir jetzt folgende Maßnahmen ergreifen, dann können wir das sehr gut,
00:11:42: auch verträglich für alle machen, dann entstehen neue Jobs, dann haben wir einen guten Übergang.
00:11:47: Das kann man halt im Jahr 2021, 2022, 2023, 2024 nicht mehr einfach so machen, weil ...
00:11:53: Also doch kein Rezept mehr.
00:11:54: Weil die Situation so zugespitzt ist.
00:11:57: Doch, ne klar, wir haben inzwischen unsere Energieproduktion mehrheitlich aber neuer
00:12:01: Wareung gestellt.
00:12:02: Das ist nicht nur ein Rezept.
00:12:03: Das ist als Partei haben kein Rezept mehr mit all dem umzugehen.
00:12:07: Was gewiss, besonders ist Polykrisen, Überforderungssituationen, Mitschleppen, was die anderen versaut
00:12:15: haben und so.
00:12:16: Doch, ich glaube es gibt ein Rezept und das, was wir nicht ausreichend bedacht haben und
00:12:21: gemacht haben und adressiert haben, auch wenn man das in der Koalition, in der wir jetzt
00:12:26: gerade sind, nicht gut umsetzen kann, ist, dass die Veränderung, die man braucht, um
00:12:30: die ökologische Krise einerseits einzudämmen, andererseits Anpassungsmaßnahmen zu machen,
00:12:35: dezidiert verbunden sein müssen, damit das dabei gerecht zugeht.
00:12:39: Ich habe wirklich den Eindruck, dass viele Leute das Gefühl haben, wer sich das leisten
00:12:43: kann, kann das vielleicht machen.
00:12:44: Ich aber nicht.
00:12:45: Und bleiben wir kurz bei diesem Heizungsgesetz, mein Nachbar auf dem Dorf, der hat gedacht,
00:12:52: das bricht jetzt für ihn alles zusammen, weil der hat irgendwie das Haus von der Mutter
00:12:56: geerbt, der kann auch gar nicht dort ausziehen, will dort gar nicht ausziehen und hat so ein
00:12:59: Einkommen von 1000 Euro ungefähr.
00:13:02: Und dann sagt mir jemand, dann kann er doch aufstocken oder er kann Wohngeld beantragen.
00:13:07: Das wird er aber gar nicht machen, sondern der hat irgendwie seine Ehre und versucht,
00:13:10: klarzukommen und dem hätte man gut sagen müssen, okay, du sollst dabei sein, ich brauche
00:13:15: ein bisschen mehr, du bist übrigens auch noch handwerklich total begabt.
00:13:18: Wir bezahlen dir diese Wärmepumpe, damit du Teil vom Ganzen bist.
00:13:22: Und bei anderen hätte man sagen können, na klar, ihr habt genug Geld, ihr bezahlt das
00:13:25: selber und dann erzeugt man eine Dynamik.
00:13:27: Ich glaube, dass dieser Teil, man nennt es dann irgendwie, wir geben die Einnahmen weiter
00:13:33: und sagen Klimageld dazu, dass dieser Teil so unterbelichtet war die ganze Zeit und man
00:13:38: dachte, das ist doch eine Wertsteigerung für manche.
00:13:40: Ja, für andere ist es einfach existenziell bedrohend.
00:13:43: Und das trifft, glaube ich, auch viele Maßnahmen zu.
00:13:46: 49 Euro Ticket ist auch so was, wenn ich das einmal noch als Beispiel super gut für alle
00:13:51: Leute in der Stadt und die Leute auf dem Land sagen, prima, unsere Kinder finden das toll,
00:13:57: die kommen auch deswegen öfter irgendwie nach Hause, weil sie damit schon mal billig
00:14:02: unterwegs sind oder günstig unterwegs sind.
00:14:03: Aber die Leute auf dem Land fragen sich, habt ihr irgendwas auch für uns?
00:14:06: Wir produzieren hier den Strom, wir produzieren das Essen, was ist eigentlich mit uns?
00:14:10: Habt ihr daran gedacht?
00:14:11: Ich glaube, dass wir auch eine Frage von Gerechtigkeit jetzt nicht individuell, sondern dieses Stadtlandthema
00:14:14: spielt haben wollen.
00:14:15: Aber auch das, Frau Göring-Eckard, wissen Sie seit ewig.
00:14:18: Seit wann wird über die Wärmepumpe gesprochen?
00:14:20: Ich glaube, ich habe das im zurückliegenden Jahr permanent und so oft gesagt, wie ich mir
00:14:24: nie hätte vorstellen kann, ein Wort zu sagen, wie diese Wärmepumpe und die damit einhergehende
00:14:31: Erkenntnis, dass dieser Ampelregierung handwerklich und das ist dann vor allen Dingen dem grünen
00:14:38: Wirtschafts- und Klimaschutzminister angelastet worden handwerklich fehler macht.
00:14:42: Aber da sind wir bei dem, was wir vorhin hatten, das ist ja geändert.
00:14:46: Es ist jetzt klar, dass es wirklich gut gemacht ist, dass es gefördert wird, etc., dass
00:14:51: die allermeisten Leute da gut mitmachen können.
00:14:53: Und das wird in so einer aufgeheizten Situation, die auch bewusst aufgeheizt wird, von ganz
00:14:59: rechts außen.
00:15:00: Aber manchmal höre ich mir Reden von Herrn Süder an und denke, das trägt auch mit dazu
00:15:04: bei, nicht mehr wahrgenommen werden kann.
00:15:06: Und diese Art von normaler Sachlichkeit in der Politik, auch wenn man streitet, ist etwas,
00:15:13: was verloren gegangen ist.
00:15:14: Und da kann man auch nicht einfach sagen, habt ihr jetzt noch ein Rezept dagegen?
00:15:17: Doch, ich glaube, man darf es von Ihnen verlangen, von den Politikerinnen und Politikern, auch
00:15:21: von einer Bundesregierung, dass sie damit umgeht.
00:15:24: Dass sie damit umgeht, ja.
00:15:25: Wer sonst sollte das machen?
00:15:27: Und wenn man jetzt hinschaut auf die Wahlergebnisse, dann muss man sagen, oh, hey, in Zahlen ausgedrückt,
00:15:33: die Grünen kommen bei der Europawahl auf nur noch 11,9 Prozent verlieren gegenüber der
00:15:38: Wahl 2.19, die außerordentlich erfolgreich zu Ende gegangen war, für die grünen 8,6
00:15:45: Prozentpunkte.
00:15:46: Die Grünen lernen damit, wie wohl sie es genau andersrum vor hatten, sie haben sie eben gesagt,
00:15:50: lernen hinter der SPD, die auf 13,9 Prozent kommt, der SPD, die Kanzlerpartei und hinter
00:15:57: der AfD.
00:15:58: 15,9 Prozent bekommen die.
00:16:01: Außerdem ist bitter für Sie in der Bilanz.
00:16:03: Junge Menschen haben bei der Europawahl wenigstens lieber andere Parteien wie Wollt und so weiter
00:16:09: gewählt und die Union und die AfD.
00:16:12: War es das jetzt perspektive Stand mit der Bundestagswahl und einer Fortsetzung der Ampel?
00:16:17: Ob die Ampel das ist, was man fortsetzen wollen soll oder will, ist eine ganz andere Frage.
00:16:25: Aber die Frage ist ja, wie kommen Sie?
00:16:26: Wollen Sie nicht, höre ich daraus.
00:16:27: Wir kommen, ich finde es jetzt nicht so attraktiv, dass man in einer Konstellation ist, von der
00:16:32: man am Anfang gedacht hat, wenn so unterschiedliche Kräfte zusammenkommen, bringt man Gesellschaft
00:16:36: zusammen und dann ist man erfolgreich.
00:16:38: Aber das ist ja nicht die Wirklichkeit.
00:16:40: Die Wirklichkeit ist ja, dass es nicht nur Streit gibt, sondern es auch diametrale Interessen
00:16:44: gibt.
00:16:45: Und wenn man auf diesen Wahlabend guckt und sieht, dass die FDP sich wie irre freut, dass
00:16:49: sie 5 Prozent erreicht hat und sagt, wir sind jetzt die Gewinner dieses Wahlabends und die
00:16:55: jenigen, die mehr als das Doppel haben, sagen zu Recht, sagen, wir sind übrigens die Verlierer.
00:16:59: Das ist schon sehr bemerkenswert.
00:17:00: Also ich halte fest, Sie wollen die Ampel nicht fortsetzen.
00:17:04: Ich finde, das ist auch so ein bisschen, also ich würde für mich sagen, altes Politiker
00:17:10: denken, dass man vor einer Wahl sagt, am liebsten hätten wir diese Koalition und wenn die nicht
00:17:14: ist, dann vielleicht noch eine andere.
00:17:16: Und jetzt kämpfen wir erst mal für uns selber.
00:17:18: Aber so sind die Zeiten auch nicht mehr.
00:17:19: Also ich kann gar nicht sagen, ich will die Ampel nicht.
00:17:22: Ich sage, sie ist nicht besonders attraktiv, wenn ich mir das heute anschaue.
00:17:25: Aber was weiß ich, was im nächsten Jahr für ein Wahlergebnis passiert?
00:17:28: Von heute aus betrachtet würde man sagen, alle Konstellationen, die mit zwei Parteien
00:17:33: sind, wären besser.
00:17:34: Und ich fürchte mich persönlich, ich sage mal auch als Bürgerin, ein bisschen davor,
00:17:38: dass wir wieder eine große Koalition kriegen, wo dann irgendwie wieder alles nur klein gehäckstelt
00:17:43: wird und am besten liegen gelassen.
00:17:44: Ich glaube, es ist so.
00:17:46: Wollen Sie sagen, ein Wahlergebnis passiert?
00:17:49: Naja, weil...
00:17:50: Ich frage ja die ganze Zeit danach, wo ist Ihre Gestaltungsmöglichkeit?
00:17:54: Was haben Sie gesehen?
00:17:55: Ich komme dazu.
00:17:56: Ja.
00:17:57: Was haben Sie auch an Problem erkannt?
00:17:58: Was negativ auf die Zahlen der Grünen namentlich einzahlen könnte und haben dann ganz bewusst
00:18:05: und total füffig und ganz schnell clever umgesteuert?
00:18:08: Da noch such ich ja die ganze Zeit.
00:18:10: Deshalb hake ich ein, wenn Sie sagen, ein Wahlergebnis passiert.
00:18:13: Auch richtig.
00:18:14: Ich wollte nur einmal noch sagen, wollen Sie die Ampel ja oder nein?
00:18:17: Ich glaube, auf Koalitionen arbeiten wir heute nicht mehr, weil Wahlergebnisse nicht mehr
00:18:23: auch nur an Ihren Bruch nutzizierbar sind, weil es diese Lager nicht mehr gibt, die wir
00:18:26: früher hatten, die dann irgendwie mal abgewechselt haben.
00:18:29: Natürlich ist das klarer, wenn man sagen kann, die progressiven Parteien tun sich zusammen,
00:18:33: dann können die anderen nicht-progressiven Parteien sagen, wir sehen das anders und dann
00:18:38: gibt es zwei Lager und dann funktioniert es irgendwie.
00:18:41: So ist es nicht gerade.
00:18:42: Und deswegen kann ich nicht sagen, ich wünsche mir das oder ich wünsche mir das nicht.
00:18:45: Wie können die Grünen da rauskommen?
00:18:47: Ich glaube tatsächlich, dass wenn man sich diese Nachbarbefragung anschaut, sieht man
00:18:52: das erste Thema, was die Menschen umtreibt, Sicherheit.
00:18:55: Verstehe ich sehr gut, geht mir auch persönlich so.
00:18:58: Das Zweite ist nach wie vor die folgende Klimakrise.
00:19:01: Und dann sage ich, das müssen wir jetzt decidiert zusammendenken.
00:19:05: Also bei Sicherheit geht es um innere Sicherheit, körperliche Unversehrtheit, aber es geht
00:19:09: natürlich auch um die soziale Sicherheit.
00:19:11: Ich habe mich zitat von Riccardo Lang gefunden aus dem Januar, wo sie in der Fernsehsendung
00:19:16: sagt, wir müssen uns mehr um Sicherheit kümmern und denke dann, ja, sehr gute Idee.
00:19:21: Das wäre es doch wahrscheinlich gewesen dann.
00:19:23: Haben wir auch gemacht, aber natürlich werden wir von keinem Journalisten als Erstes gefragt.
00:19:29: Wenn es um Sicherheit geht, da fragt man die Innenministerin, da fragt man den Bundeskanzler,
00:19:32: da fragt man alle möglichen anderen, vielleicht noch die Union.
00:19:35: Aber man kommt nicht darauf, dass die gründende Partei sind, die ich weiß nicht, wie oft
00:19:39: ich schon gesagt habe, wir brauchen mehr Polizei, die müssen besser ausgestattet werden.
00:19:43: Witzigerweise habe ich damit meistens eine Schlagzeile produziert.
00:19:46: Ich konnte das ausrechnen.
00:19:48: Ich sage das mal in zwölf Monaten wieder und dann wird es wieder eine Schlagzeile geben.
00:19:52: Ah, die Grünen jetzt für mehr Polizei.
00:19:54: Ja, aber dann verstehe ich nicht.
00:19:55: Sie haben gesagt, Sicherheit müssen wir uns mehr als Thema nehmen.
00:19:58: Ich glaube das schon, aber es wird uns nicht zugetraut.
00:20:00: Es wird nicht zugeschrieben, also zugetraut vielleicht schon, aber nicht zugeschrieben.
00:20:04: Ich glaube, die Verbindung ist auch wichtig.
00:20:07: Wir sehen jetzt, woran es alles mangelt bei solchen Ereignissen wie den Hochwassern.
00:20:13: Das THW arbeitet irgendwie Tag und Nacht und das werden die nicht andauernd machen können
00:20:18: in Zukunft.
00:20:19: Das ist Sicherheit.
00:20:20: Sicherheit ist, dass man spürt, die Grünharm verstanden, wenn so große Veränderungen anstehen,
00:20:27: dass das für alle irgendwie machbar sein muss.
00:20:29: Und dass man zuerst am besten an die, die das wenigste haben, die aber am meisten drunter
00:20:34: leiden.
00:20:35: Und auf dem Dorf, auf dem kleinen Dorf, wo die Leute irgendwie auch keine großen Reisen
00:20:39: machen und zwei kleine Autos vielleicht haben, weil sie sich fortbewegen müssen.
00:20:42: Aber so viel weniger an Ressourcen verbrauchen als alle Stadtbewohner individuell muss man
00:20:48: nicht sagen, du musst jetzt dein Leben total ändern, sondern danke, dass ihr das Essen
00:20:53: produziert, dass ihr da diese Masten mit den Windrädern stehen habt und dafür sorgen wir
00:20:58: erstens dafür, dass der Bus tatsächlich fährt und sich die Lebensbedingungen dort ein bisschen
00:21:02: verbessern wird.
00:21:03: Das ist schon eine Erkenntnis aus dem vergangenen Frühjahr.
00:21:05: Da habe ich Vertreter, zum Beispiel die Fraktionsvorsitzenden gehört, die genau das so gesagt haben,
00:21:10: wir müssen es alles rumdenken, wir müssen sofort mit einem Vorschlag kommen, wir lassen
00:21:15: sich Entscheidungen, Sozialabfäder und so.
00:21:18: Hat aber ja nicht geklappt.
00:21:20: Also ausweislich des Ergebnisses bei der Europawahl und auch bei den Kommunalwahlen jedenfalls
00:21:25: nicht.
00:21:26: Da traut man den Grünen nichts zu oder nicht mehr so viel, wie man das bei der zurückliegenden
00:21:31: Wahl 2019 ja noch getan hat.
00:21:33: Ich will anknüpfen an das, was Sie sagen, guter Gedanke, die Ansichten über die Grünen
00:21:39: sich anzuschauen.
00:21:40: Infratestima hat das ausgewertet und die finden dann zum Beispiel raus, das geht in das, was
00:21:46: Sie gerade angesprochen haben, 63 Prozent der Befragten sagen, die Grünen kümmern sich
00:21:53: zu wenig um Wirtschaft und Arbeitsplätze.
00:21:56: Das ist wahrscheinlich der Bereich auch der sozialen Sicherheit, der da angespielt wird.
00:22:01: 63 Prozent sind 6 Prozentpunkte mehr als 2019 und ein anderer Wert.
00:22:08: Eine der Ansichten über die Grünen, sie setzen sich als einzige Partei konsequent für Klima
00:22:13: und Umweltschutz ein, das sagen 33 Prozent und das sind dann minus 21 Prozentpunkte im
00:22:21: Vergleich zu 2019.
00:22:23: Kurzum, da gibt es sowas wie eine fehlende Konsequenz im Klima und Umweltschutz, die
00:22:29: man den Grünen anlasst.
00:22:31: Ist das zusammengefasst ihr größter Fehler, das Vertrauen verspielt zu haben?
00:22:36: Sie, die Grünen, würden es wirklich schaffen, mal sowas wie eine nachhaltige Klimaschutzpolitik
00:22:42: hinzubekommen und zweifellos sind sie dafür auch in diese Regierung.
00:22:46: Ich glaube, das ist das, was so eine klassische, mittelgroße Partei, früher sagte man dazu,
00:22:52: glaube ich, Volkspartei erlebt. Es geht nämlich in beide Richtungen. Den einen ist es zu viel und
00:22:58: den anderen ist es zu wenig. Also die einen sagen, ihr macht zu schnell und die anderen sagen,
00:23:01: es geht nicht schnell genug. Und das ist die Aufgabe, das wirklich zusammenzubringen. Und
00:23:06: deswegen rede ich so viel über dieses Stadtland-Denken, weil ich glaube, das kann man gut machen.
00:23:10: Und deshalb hacke ich da immer wieder ein und denke, das wissen Sie doch schon. Ja,
00:23:13: und deswegen haben wir auch was gemacht. Und gleichzeitig spüre natürlich nicht alle ganz
00:23:19: schnell, was passiert. Also geht es jetzt so, dass man, wenn man diese Windräder stehen hat,
00:23:25: was in die Gemeindekasse des Dorfes bekommt. Dass das so ist, wissen noch gar nicht alle,
00:23:31: weil das Feuerwehrhaus noch nicht saniert ist oder der Kindergarten noch nicht neu gebaut ist oder
00:23:36: das Geld auch noch nicht da ist, weil das Windrad noch gar nicht da steht. Also man kann auch manchmal
00:23:40: nicht einfach nur den Schalter umlegen und sagen, haben wir jetzt verscheinen, machen wir jetzt ab
00:23:43: morgen so und ab morgen merkst du das, ich weiß nicht, weil der Bus jetzt täglich fährt, 15
00:23:48: Mal oder so. So ist ja auch die Wirklichkeit nicht und auch die Politik nicht. Und deswegen haben wir
00:23:53: das spätestens im letzten Jahr erkannt, haben umgesteuert. Ist jetzt auch so ein politiker
00:23:59: Wort, dass man umgesteuert. Aber es ist so, also wir haben es anders gemacht, so dass es,
00:24:03: dass es hoffentlich gut funktioniert. Und trotzdem zahlt sich das jetzt noch nicht aus. Also auch
00:24:08: das ist ja so ein bisschen Langfristigkeit. Also nur irgend ein großes Versprechen zu machen,
00:24:11: was man nicht einhalten kann, hilft ja auch nicht, sondern was ganz praktisch zu tun. Und ich glaube,
00:24:17: die Frage ist auch ein bisschen, ob das wirklich alle auch so sehen und verstehen wollen, die für
00:24:25: Bündnis 90/Die Grünen reden. Viele leben ja in der Stadt und leben auch ganz bewusst in der Stadt,
00:24:30: sind vielleicht auf dem Dorf aufgewachsen, da bewusst weggegangen, weil sie so wie sie leben
00:24:34: wollen, damit irgendwie nicht gut klargekommen sind. Und tun wir das gemeinsam? Ja oder nein. Ich
00:24:40: glaube, da gibt es eine Ambivalenz, mit der können wir, das können wir ändern auf jeden Fall,
00:24:44: weil wir sind ja eine Partei, die nichts mehr will, als dass das Land zusammen bleibt, dass der
00:24:48: Laden zusammen bleibt, dass man irgendwas wirklich gemeinsam schaffen kann, was jetzt
00:24:52: pathetisch klingt. Aber in solchen krassen Zeiten, in denen wir leben, muss man genau das wollen.
00:24:57: Und früher waren ja die Grünen so eine staatskritische Partei. Also ich würde mal sagen,
00:25:02: vor der friedlichen Revolution vor allen Dingen und dann noch so ein bisschen mit Nachwirkungen,
00:25:06: heute sind sie eine staatstragende Partei und empfinden sich auch so. Und das heißt halt,
00:25:10: dann muss man auch Politik für alle machen wollen und nicht für sechs oder elf oder
00:25:15: 15 Prozent. Apropos staatstragend, muss man eventuell dann auch staatstragende Konsequenzen
00:25:21: ziehen. Emmanuel Macron hat ja noch am Wahlabend gesagt, er will jetzt Neuwahlen zur Nationalversammlung
00:25:28: haben und hat selber ausgerufen. Ist das übertrieben oder vorbildlich für die Ampelregierung?
00:25:34: Ich glaube, in Frankreich gibt es ein anderes System und da funktioniert das vielleicht auch.
00:25:38: Also das Macron, die Leute fragt, habt ihr eigentlich noch vertrauen? Wollt ihr das hier
00:25:42: bin oder wollte das eben nicht? In Deutschland hat es auch mal so eine Situation gegeben.
00:25:46: Ich war auch damals Fraktionsvorsitzende und kann mich da dann erinnern.
00:25:50: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schroeder hat die Vertrauensfrage gestellt, weil er nicht
00:25:54: sicher war, ob er noch das Vertrauen der Rot-Grün-Bundesregierung hat, um dann aber im selben
00:25:59: Atemzug zu sagen, das war so ein bisschen schwierig zu verstehen. Er will aber mit Rot-Grün
00:26:03: weitermachen und dachte so, hä, wie jetzt? Genau. Und das war so ähnlich, wollt ihr mich oder
00:26:11: wollt ihr mich nicht? Und ich glaube, dass das in der Lage, in der wir jetzt gerade sind,
00:26:15: nicht sehr hilfreich wäre. Also vielleicht würde das viele Leute beeindrucken, dass man das macht,
00:26:20: dass ein Bundeskanzler das macht und will sagen, aha, interessant verstanden. Ich glaube nur nicht,
00:26:25: dass das Wahlergebnisse verändern würde. Und ich finde, wir haben eine Aufgabe übernommen.
00:26:29: Warum denken Sie das nicht, dass das was verändern würde?
00:26:32: Na, weil die äußeren Rahmenbedingungen die gleichen sind. Also der Haushalt ist dergleiche
00:26:36: oder das Geld, was wir zur Verfügung haben. Man könnte fragen, gibt es dann doch eine Mehrheit
00:26:41: dafür, mit der Schuldenbremse anders umzugehen? Ich würde sagen, den künftigen Generationen
00:26:46: gerecht umzugehen, ja oder nein? Wahrscheinlich nicht. Und deswegen ist das etwas, wo ich sage,
00:26:52: die Rahmenbedingungen, auch der Krieg gegen die Ukraine geht weiter. Die fossile Lobby macht
00:26:59: weiter und und und. Also ich sehe jetzt nicht, dass man sagen kann, ah, dann klappt das. Das war
00:27:04: vielleicht damals ein bisschen anders, weil es da letztlich um eine Frage ging, nämlich, wie geht
00:27:09: man mit den Sozialreformen um? Stimmt. Und ich kann mich gut erinnern, dass ich manchmal dann irgendwie
00:27:13: alleine da saß, alle Sozialdemokraten verschwunden waren von den Podien und ich erklärten musste,
00:27:17: warum das jetzt irgendwie so gemacht worden ist und vielleicht so verändert werden könnte. Aber
00:27:22: es ist jetzt sehr, sehr viel mehr und deswegen glaube ich, ist es gut, diese Aufgabe, die wir
00:27:27: übernommen haben, zu Ende zu führen und dann regulär im nächsten Jahr eine Wahl zu haben. Nehmen wir
00:27:32: den Bundeskanzler. Ich war gespannt, wie er das Wahlergebnis analysieren würde und las am Wahlabend.
00:27:38: Er ist im Willi Brandhaus gewesen, kommt daraus, wird von einer Kollegin gefragt, ob er was sagen
00:27:42: will zum Wahlergebnis und sagt, nö. Damit hat er es in Streiflicht der Süddeutschen noch mal
00:27:47: geschafft, aber das war eventuell auch gar nicht die Absicht. Dann am Montag in der Pressekonferenz
00:27:53: kam er nicht dran vorbei. Er wird gefragt, wie er denn dieses desaströse Ergebnis für die SPD
00:27:59: seine Partei erklärt, die hatte schon 2.19, das schlechteste ihrer Geschichte und ist nochmal
00:28:06: drunter geblieben und muss man ja sagen, dieser Bundeskanzler hätte 3, 4, 6, 8 Minuten auch
00:28:12: ganz in ganzen Tagzeit gehabt, sich mal einen Kopf darum zu machen, was er jetzt dazu sagt. Und dann
00:28:19: sagte also, das Wahlergebnis war für alle drei Regierungsparteien schlecht. Keiner ist gut
00:28:26: beratet, der jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen will. Gleichzeitig geht es aber auch darum,
00:28:31: dass wir unsere Arbeit machen, dafür zu sorgen, dass unser Land modern wird, dass es vorankommt
00:28:37: und im Übrigen sich darauf vorzubereiten, dass die Zustimmung immer größer werden wird,
00:28:43: sodass man auch bei der nächsten Bundestagswahl die Ergebnisse dieser Arbeit zur Wahl stellen
00:28:48: kann und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger für die Arbeit hat. Das muss jetzt für
00:28:53: alle der Maßstab sein, sich anzustrengen und die Aufgaben zu lösen, vor denen wir stehen.
00:28:57: Ernsthaft habe ich gedacht, ermahnt an sich, Zitat im Übrigen, darauf vorzubereiten, dass die
00:29:04: Zustimmung immer größer werden wird, nach einer krachenden Niederlage, sagt er das. Ist das dem
00:29:10: Ernst der Lage Ihrer Meinung nach in irgendeiner Weise angemessen? Er hat ja auch gesagt, man muss
00:29:17: sich sehr anstrengen. Man kann ja sehr aus diesem Quot auch lesen. Ich rede anders, ich würde anders
00:29:24: reden, ich würde sagen, ja, es ist wirklich eine Niederlage und das heißt nicht nur anstrengen,
00:29:29: sondern das heißt jetzt auch, die Leute nicht einfach zutexten mit dem, was man gemacht hat,
00:29:36: machen will, sondern ernsthaft zuhören. Auch das gehört ja dazu. Der Bundeskanzler ist ja auch
00:29:40: viel unterwegs mit Soforen, wo er Bürger und Bürgerinnenfragen beantwortet. Ich finde es gut,
00:29:48: dass er das macht und dass die Minister das alle machen und viele andere von uns ja auch. Ich glaube
00:29:53: es geht nicht mehr einfach nur um Fragen beantworten, es geht wirklich um Diskurs und was treibt die
00:29:58: Leute um, damit man irgendwie miteinander ernsthaft im Gespräch ist. Und das ist das add-on.
00:30:03: Es geht auch um sowas wie Selbstkritik. Man muss ja auch mal zeigen, okay ich habe verstanden,
00:30:07: das kommt bei mir an. Sowas würde ich gerne als Bürgerin dieses Landes von dem Bundeskanzler
00:30:12: dieses Landes auch hören. Ich glaube, wenn er sagt, ich will jetzt nicht den Bundeskanzler, also
00:30:16: exigisse das Bundeskanzler, das ist auch nicht die meine Aufgabe, aber wenn er sagt, das Wahlergebnis war
00:30:20: sehr schlecht, dann meint er das auch selbstkritisch. Aber nochmal, ich würde anders reden und ich glaube
00:30:28: andererseits auch der Bundeskanzler weiß sehr gut, dass das eine politische Krise ist und dass man
00:30:35: sich nicht darauf verlassen kann, dass das schon so gehen wird wie bei der letzten Wahl, dass dann
00:30:38: auf den letzten Metern die SPD vorne liegt und die SPD den Bundeskanzler stellt und alles irgendwie
00:30:44: gut wird. Die Erfahrung war natürlich auch krass, damit hat ja keiner gerechnet. Also wenn man sich
00:30:48: jetzt mal vor vier Jahren vorstellt, dann hat keiner damit gerechnet und es gab immer Leute, die im
00:30:54: Hintergrund, das wissen sie besser als ich, sitzt ja nicht im Hintergrund, gespillt haben. Das wird
00:30:58: so werden, also bei Journalistinnen meine ich jetzt und Journalisten und dann haben alle gesagt,
00:31:03: Schulter gezogen wird nicht so werden, dann wurde es aber doch so und ich glaube,
00:31:06: dieses Erfahrungen ist auch natürlich für jemanden wie Olaf Scholz sehr prägend, aber es ist notwendig,
00:31:11: sehr ernsthaft zu schauen. Ich finde, es ist mir wichtig, weil weder in Ostdeutschland noch
00:31:18: in Westdeutschland, wenn wir mal bei diesen Grenzen bleiben, die sich ja bei Wahlergebnissen jetzt
00:31:22: auch doch leider zeigen und bei vielen anderen auch, gibt es eine Mehrheit für rechtsradikale
00:31:28: Parteien. Es gibt eine demokratische Mehrheit und das ist die, auf die wir auch setzen müssen und
00:31:33: können und mit denen gemeinsam zu entwickeln, welches Land wir eigentlich jetzt sein wollen in
00:31:38: diesen Zeiten, die wir alle so noch nicht erlebt haben. Ich finde übrigens auch nicht schlimm,
00:31:42: dass Politikerinnen auch mal sagen, ich bin mir jetzt irgendwie nicht ganz sicher, wie das geht.
00:31:45: Das gehört zu diesen Zeiten dazu, dass man sich auch nicht jeden Tag total sicher sein muss und
00:31:50: ich bin ja protestant, denn ich finde Zweifeln auch notwendig. Da raus muss was folgen,
00:31:55: daraus muss auch wieder gemeinsame Sicherheit folgen, wo man hin will, aber ich finde es nicht
00:31:59: das Allerschlimmste auch zuzugeben. Im Moment bin ich nicht 100 Prozent sicher, wie es weitergeht.
00:32:04: Ich habe mit Ihnen auf dem Bundeskanzler geschaut, damit auf die SPD. Will da nochmal hingucken,
00:32:12: denn gleichzeitig erfindet der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, ein neues Wort und spricht
00:32:19: von der Kontaktschande, unter der die SPD zu leiden habe, weil sie die Grünen und die FDP bei einem
00:32:26: Teil der Bevölkerung, so sagt er, sehr stark abgelehnt werden und das auf die SPD-Zitat abfärbt. Wie
00:32:34: kann man auf der Grundlage noch gut zusammenarbeiten, wenn einer der Partner da eine Kontaktschande fühlt?
00:32:41: Also vielleicht fühlte das wirklich, ich finde, das auszusprechen ist nicht nur sehr hart für die
00:32:51: Beteiligten, sondern auch für die Zusammenarbeit. Finde ich auch. Ich glaube, dass Kevin Kühnert,
00:32:56: das im Nachgang hoffentlich auch verstanden hat, weil es erstens soll es ja irgendwie ablenken. Hat
00:33:01: er sich entschuldigt? Also der Bundeskanzler hat bei einer Veranstaltung gesagt, ich bin ja jetzt
00:33:06: hier und ich fühle mich auch gut im Kontakt, so oder so ähnlich und hat das vor dem grünen,
00:33:11: unter anderem grünen Publikum gesagt, ich glaube, das war schon klar. Ich weiß nicht, ob Kevin
00:33:17: Kühnert das korrigiert hat oder wie auch immer, das kann ich jetzt nicht sagen, aber mich hat das
00:33:22: getroffen und zwar aus folgendem Grund, weil viele Grüne erleben jetzt gerade etwas, die Leute
00:33:30: vor allem in der Kommunalpolitik und so, was weit über alles hinausgeht, was man an Fehlern
00:33:35: gemacht haben kann. Das ist Bedrohung, das ist irgendwie Anschreien, das sind tätliche
00:33:42: Übergriffe erleben auch. Die Sie hier auch erfahren haben. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten,
00:33:46: aber bei den Grünnissen häufig inzwischen so, dass man denkt, gegen die kann man jetzt alles machen
00:33:50: und das ist sozusagen schon gesellschaftlich, selbstverständlich und dann so ein Wort wie
00:33:54: Kontaktschande zu verwenden. In einem politischen, anständigen Umgang, das ist einfach wirklich
00:34:00: nicht gut und deswegen sage ich auch, es hat mich getroffen, so sollten wir nicht miteinander reden,
00:34:05: und Kevin Kühnert ist jetzt keiner, der aus versehenen Worte sagt. Der ist auch, ist auch
00:34:10: ja ein sehr reflektierter Mensch und ich hoffe sehr, nicht für das Verhältnis zwischen SPD und
00:34:16: Grünen, sondern für das Verhältnis in der Politik insgesamt, dass er versteht und das andere
00:34:21: verstehen, dass es keine gute Idee ist, so miteinander umzugehen. Olaf Scholz, der Bundeskanzler,
00:34:27: konzentriert sich in seine Analyse, aus der ich eben diesen einen Teil, aber das war es dann auch
00:34:32: schon, glaube ich, vorgelesen haben auf die Bundestagswahl und erwähnt die anstehenden
00:34:37: Landtagswahlen aus irgendeinem Grund nicht mal und das, obwohl ja die AfD bei der Europawahl in
00:34:43: allen ostdeutschen Bundesländern stärkste Kraft geworden ist. Wir haben jetzt alle diese Grafik vor
00:34:48: Augen, wo Westdeutschland schwarz, nämlich unionsschwarz ist und Ostdeutschland blau geworden
00:34:57: ist, ein Wahnsinn. Für Sie sicherlich auch, die Sie aus Thüringen kommen. Im Schnitt hat die AfD
00:35:04: im Osten knapp 30 Prozent der Stimmen geholt, die Grünen nur 6 Prozent, die SPD 9,5 Prozent. Haben
00:35:12: Sie den Osten auf eine Art aufgegeben und verabschieden sich da aus der Verantwortung, weil
00:35:18: Sie das Mittel nicht finden, es irgendwie besser zu machen? Nee, also ganz ehrlich als Partei gar nicht,
00:35:25: das ist finde ich auch ganz berührend, wie viele Leute aus westdeutschen Landesverbänden in Ostdeutschland
00:35:32: schon Wahlkampf gemacht haben, schon jetzt in der Kommunal-Europa-Wahl, aber erst recht bereits
00:35:38: vor der Europawahl gesagt haben und wir kommen auf jeden Fall zu den Landtagswahlen und man hat so ein
00:35:43: bisschen das Gefühl, es werden mehr Wahlkämpfe von woanders kommen, als Mitglieder da sind, so wird
00:35:47: es nicht sein, realistisch nicht, aber die Partei hat zwei Dinge verstanden. Erstens, wir glauben,
00:35:54: dass die Grünen in den ostdeutschen Landesparlamenten elementar wichtig sind, ich sage gleich noch was
00:35:59: zu töringen, weil da gibt es noch einen besonderen Fall und zweitens, wir wollen diese Verantwortung
00:36:03: als Gesamtpartei übernehmen und ich mache es schon eine Weile, das habe ich noch nie erlebt,
00:36:06: es gab immer so Versprechungen und dann kommen die VIPs, die Prominenten und die, so kommen alle
00:36:12: hin und machen Veranstaltungen, das wird sicher auch passieren, aber darum geht es jetzt gar nicht mehr,
00:36:17: sondern sind Leute, die sagen, wir klingeln bei euch an den Haustüren und reden mit den Leuten darüber,
00:36:22: dass es gut wäre, Bündnis 90/Die Grünen zu wählen, das ist neu und von daher so. In Türing gibt es eine
00:36:27: besondere Situation, da kann es passieren, wenn die kleineren Parteien nicht in den Landtag kommen,
00:36:33: dass Herr Höcke eine Mehrheit hat von Mandaten, weil dann irgendwie die, was weiß ich, 4,
00:36:40: irgendwas Prozent, die die Grünen eingefahren haben, quasi wegfallen und dann kann es passieren,
00:36:45: dass sie die absolute Mehrheit haben und das ist eine besondere Situation und deswegen ist es dort
00:36:49: auch als quasi Funktionsargument, da geht es noch gar nicht um die Ökologie oder die Demokratie oder
00:36:55: was auch immer als Funktionsargument extrem wichtig, dass die Grünen tatsächlich in den
00:36:59: Landtag kommen, was auch andere demokratische Parteien inzwischen so sehen und glaube ich verstanden haben.
00:37:03: Aber was können dann namentlich die Grünen ausrichten, die ja wie keine andere Partei angefeindet
00:37:10: werden, sie haben es eben angesprochen, die das häufigste Ziel von Übergriffen sind, auch sie
00:37:15: selbst haben das ja bei einem Termin in Südbranenburg unter anderem erfahren, als sie ewig daran
00:37:21: gehindert werden von dort überhaupt wegfahren zu können und sitzen in diesem Auto und hoffen auf
00:37:27: Hilfe. Wie können sie als Grüne da überhaupt noch frei agieren, wenn sie wissen, wie sehr sie ganz
00:37:33: offensichtlich provozieren? Ich glaube mit dem Gespräch auf wirklich in die Augen schauen und
00:37:42: miteinander reden und manchmal auch eins zu eins und nicht indem man irgendwie auf Bühnen steht
00:37:46: und Leute zuquatscht. Also Zuhören statt Zutexten habe ich gesagt auch nach diesem Vorfall in
00:37:52: Brandenburg, da war das so, eigentlich war das eine Diskussion, die 80 Leute miteinander geführt
00:37:56: haben in einem tausend Seelenort, was ganz selten stattfindet, dass so viele Leute dann sagen,
00:38:01: okay wir reden jetzt hier über Demokratie und was uns umtreibt und die hatten auch wirklich Fragen,
00:38:05: da war eine Frau. Aber wie frustrierend, was dann danach passiert, dann müssen sie doch für
00:38:09: sich auch denken, okay ich komme nicht weiter mit meinem Ansatz. Doch, weil also die Frau sagt,
00:38:14: ich komme hier irgendwie nicht mehr klar, mein Einkommen, meine Rente und dann passiert das und
00:38:20: das nicht und das war ein super Gespräch, weil ich dann sagen konnte, jetzt gucken wir es uns
00:38:23: mal gemeinsam an, wie ist es und diese 80 Leute, die waren dabei, die wollten das und dann waren 40,
00:38:30: die es nicht wollten zum Teil welche, die von außerhalb kamen und zum Teil welche, die aus dem
00:38:33: Dorf kamen und sich besoffen haben und das hat in dem Ort hinterher was ausgelöst, weil es haben
00:38:38: treffend sich regelmäßig jetzt sollte uns sagen, hey welches Dorf wollen wir sein, es hat ausgelöst,
00:38:42: dass mir wildfremde Menschen geschrieben haben und gesagt haben, wenn sie da wieder hingehen,
00:38:46: dann kommen wir mit, wir wollen nicht mehr, dass sie das alleine machen. Es hat ausgelöst
00:38:50: bei Haustür-Wahlkämpfen, dass Leute geklingelt haben und jemand die Tür aufgemacht hat und gesagt,
00:38:57: oh ist ja toll, dass sie da sind, jemand von der demokratischen Partei. Es gibt eben diese 70
00:39:03: Prozent von Menschen, die das wollen und natürlich ist es für die Grünen jetzt nicht besonders
00:39:08: einfach, aber wir sind auch nicht aus dem Holz, dass wir sagen, dann ziehen wir uns halt zurück.
00:39:13: Sehr viele Mitglieder, die wir haben in den ostdeutschen Bundesländern, haben die friedliche
00:39:17: Revolution hinter sich, genau wie ich. Wir haben ehrlicherweise schon anderes riskiert, als nur
00:39:24: angeschrieben zu werden auf der Straße und natürlich ist es furchtbar und die Waldkreisbüro
00:39:28: werden angegriffen und alles das so. Aber wir werden da gerade stehen und werden für das Eintreten,
00:39:34: worum es geht und nicht nur die Rechtsextremen zurückzudrängen, sondern in einem vernünftigen
00:39:40: Maß der Realität entsprechend die ökologische Frage so zu thematisieren, dass man weiß,
00:39:46: da geht es um unsere Heimat. Weil das ist es ja, ich meine, der Thüringer Wald oder der Haarz
00:39:49: oder man sieht es irgendwie alles nicht mehr so, wie wir das als Kinder noch selbstverständlich
00:39:55: gekannt haben, da haben wir gespielt, da sind wir zum oft ungeliebten Sonntagsausflug gewesen
00:40:00: und jetzt gibt es diese Bäume nicht mehr, weil sie irgendwie weggabeln oder weil der Borkenkäfer
00:40:04: da ist und das sind ja Sachen, die verstehen die Leute, die da leben und da eine gemeinsame
00:40:09: Sprache zu finden, das wird der Job sein. Das ist, dafür ist auch Wahlkampf ganz gut,
00:40:12: weil dann ist man wirklich da, da habe ich nämlich auch keine Sitzungswochen hier und beschäftige
00:40:17: mich unter der Reichstagsgruppe mit total wichtigen Dingen, sondern da ist man wirklich da über
00:40:21: viele Wochen und ich, deswegen liebe ich auch Wahlkämpfe so sehr. Haben Sie aber jetzt auch
00:40:26: gemacht und ich hatte Ihnen schon die ganze Zeit Fies vorgehalten, wie dann das Ergebnis war.
00:40:30: Den Thüringer Wald kennt auch Sarah Wagenknecht sehr gut, können Sie sich bei dem Bündnis Sarah
00:40:36: Wagenknecht irgendwas abschauen? Immerhin ja eine Partei, die frisch gegründet aus dem Stand
00:40:41: bundesweit 6,2 Prozent holt und 13,8 Prozent im Osten? Also ich kann, nein, ich persönlich
00:40:51: nicht. Ich kann nichts mit einer Partei anfangen, die sich um eine einzelne Person sammelt und wo es
00:40:56: um eine Person geht, wo ganz wenige Leute überhaupt entscheiden, was gesagt wird, wer Kandidat,
00:41:01: wenn wer Kandidatinnen und Kandidaten sind. Ich kenne die Spitzenkandidaten in Thüringen ganz
00:41:07: gut, das ist eine sehr ehrenwerte Person, die Oberbürgermeisterin in Eisenach war und das ist
00:41:13: alles in Ordnung, ich verstehe, dass da Leute sind, die hoffen, dass sie damit die AfD kleiner
00:41:19: machen verhindern können. Das Ergebnis dieser Wahlen hat das nicht gezeigt, sondern da ist er von der
00:41:25: Linken und der SPD, sind Wähler und Wählerinnen dahin gegangen. Auch ein paar von den Grünen,
00:41:29: nicht jeder, aber ganz wenige genau. Mich nervt 150.000 immerhin nach Infratest EMAP. Mich nervt
00:41:37: diese Art von Personenkult, damit kann ich nichts anfangen. Eine Neugründung von der Partei muss
00:41:44: irgendwie auch sehen, wie ist die Programmatik, aber die Art und Weise, im Grunde noch nicht eine
00:41:50: eigene Programmatik zu entwickeln, sondern danach zu gucken, wofür man, für welche Triggerpunkte
00:41:55: man vielleicht Zustimmung bekommen könnte. Für mich hat das nichts mit dem zu tun, was ich so
00:42:02: für ehrliche Politik halte und deswegen kann ich damit wenig anfangen, aber das war ja Ihre
00:42:07: erste Frage. Ja, ich hatte gefragt, ob Sie sich da was abschauen können, Sie haben gesagt,
00:42:12: nee, von diesem Kult-Getur kann ich mir gar nichts abschauen. Friedrich Merz hat im Brennpunkt am
00:42:17: Montagabend gesagt, absichtlich oder weil es ein bisschen mit ihm durchgegangen ist, das weiß ich
00:42:24: noch nicht, da rätselt man, glaube ich, auch innerhalb der Union drüber. Er hat gesagt, er hat
00:42:30: im Prinzip die nächste Brandmauer hochgezogen, und zwar gegen das Bündnis Sarah Wagenknecht,
00:42:35: denn so sagte er da, Sarah Wagenknecht sei in einigen Themen links extrem, in anderen
00:42:41: rechtsextremen. Sehen Sie es auch so? Nein, in jedem Fall ist ihn viel populistisch und wenn man mit
00:42:49: ihr über die Ukraine redet, dann stellt man fest, dass sie immer ganz fest an der Seite von Putin
00:42:55: steht, aber auch nicht hinfährt und mit ihm redet, wie man jetzt zu Friedensverhandlungen kommen könnte
00:42:58: oder Ähnliches. Und ich glaube, es ist, man kann gar nicht sagen, die sind links oder rechtsextremen,
00:43:05: sondern wir versuchen sich, viele Rosinen rauszupacken, aus dem sie denken, da gibt es eine
00:43:10: bestimmte Art der Bevölkerung, die darauf jetzt ganz gut in Anführungszeichen abfahren. Brandmauern
00:43:18: sind wichtig bei den rechtsextremen und bei dem Bündnis Sarah Wagenknecht wird man schauen
00:43:25: müssen, was haben die überhaupt für ein Programm, was sind die Personen dann vor Ort, kann man mit
00:43:30: denen was zusammen machen, ja oder nein? Und würden Sie es machen? Also könnten Sie sich Koalitionen,
00:43:34: der Grünen mit dem Bündnis Sarah Wagenknecht vorstellen? Zum Beispiel in Thüringen, wo Mario
00:43:40: Vogt, der Kandidat der CDU, ja anders geredet hat als Friedrich Merz und sagt, er will die
00:43:46: Tür jedenfalls nicht zuschlagen, man will dann mal gucken, wie man irgendwie zusammenarbeiten könnte.
00:43:51: Und ich glaube, dass Mario Vogt da ehrlich gesagt einen Punkt hat. Es kann sein, dass wir in Thüringen
00:43:57: in der Situation kommen, wo sich die demokratischen Parteien und dann würde der,
00:44:02: der, die das BDSW auch dazugehören, zusammentun müssen und eine Form finden müssen, dieses
00:44:08: Land stabil zu regieren. Und darum geht es. Es geht darum, dass das Land stabil regiert werden kann,
00:44:12: ohne dass Höcke und seine rechtsextremen in die Vorhand geraten. Und das ist wirklich gefährlich.
00:44:19: Es gibt Leute, die sich in meinem Bundesland überlegen, ob sie da noch wohnen wollen in Zukunft,
00:44:25: weil sie diese Gefahr sehen. Und ich möchte gerne, dass alle da wohnen bleiben können,
00:44:30: die das für ihre Heimat halten, dass Leute da hinkommen, dass wir erfolgreich sind und alles
00:44:34: das. Und schon allein deswegen kann es sein, dass man sich mit sehr, sehr unterschiedlichen
00:44:40: Kräften zusammenraufen muss. Auch die Grünen. Ja klar. Kathrin Göring-Eckardt, vielen Dank für
00:44:46: das Gespräch. Ich danke auch. Danke, dass wir hier sein durften. Ich will noch sagen, dass wir das
00:44:50: Interview am Mittag des 12. Juni aufgezeichnet haben. Redaktion hatten Gina Inslin und Olga
00:44:56: Patlan, Executive Producerin, Ismarie Schiller, Audio Producer, Max Frisch, Sounddesign,
00:45:02: Hannes Husten, die Vermarktung macht für uns die Mitvergnügen und das Ganze ist eine
00:45:06: Produktion der Webmedia. Und empfehlen uns gerne weiter, wenn euch gefällt, was wir so machen,
00:45:11: würden wir uns darüber freuen. Danke, bis dann. Ich danke auch.
00:45:14: [Musik]
00:45:29: [Musik]
00:45:31: [ soundeffektiv ]