Wahlen im Osten: “Woher kommt diese unfassbare Wut?” Mit Wolfgang Thierse (SPD)
Shownotes
Thüringen, Sachsen und jetzt auch Brandenburg - die Landtagswahlen in Ostdeutschland sind vorbei und in allen drei Bundesländern hat die AfD Rekordergebnisse erzielt. Für Wolfgang Thierse ist das mehr als eine politische Enttäuschung – er empfindet es als „persönliche Niederlage“. Der ehemalige Bundestagspräsident und langjährige SPD-Politiker ist in Thüringen aufgewachsen und sah sich im Bundestag stets als “Sprachrohr der Ostdeutschen”. Dass seine “Landsleute” nun zu einem großen Teil entweder eine rechtsextremistische Partei wie die AfD, oder eine, laut Thierse, “linksautoritäre” Partei wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wählen, kann er nicht verstehen. Woher kommt diese “unfassbare Wut” auf „die da oben“, dieser Hass auf demokratische Politiker und Institutionen? Darüber hat der SPD-Politiker schon nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen einen Artikel in der Zeitschrift “Publik-Forum” veröffentlicht. In dieser Folge spricht Anne Will mit ihm darüber.
Im Gespräch erzählt Wolfgang Thierse, welche Ursachen er für den Erfolg populistischer Parteien sieht. Er erklärt, dass viele Menschen in Ostdeutschland aufgrund wiederholter tiefgreifender Veränderungen – etwa nach der Wende – erschöpft sind und deshalb populistischen Versprechungen Glauben schenken.
Für Thierse markiert die Wahl der AfD und des BSW eine gefährliche Entwicklung, die nicht nur Protest, sondern auch eine mangelnde Verantwortung der Wählerinnen und Wähler widerspiegelt. Er warnt davor, dass die Wählerinnen und Wähler durch die Unterstützung von extremistischen Parteien letztlich ihre eigene Zukunft gefährden: “Deutschland lebt davon, dass wir ein weltoffenes Land sind. Unser Wohlstand hängt davon ab, dass wir ein weltoffenes Land sind und bleiben.”
Das Interview wurde am Mittwoch, 25. September 2024, um 13 Uhr aufgezeichnet.
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WICHTIGE QUELLEN:
FAZ: Die vielen Signale in Richtung Berlin, 22.9.2024 Publik-Forum, Wolfgang Thierse: Woher kommt diese unfassbare Wut?, 12.9.2024 https://www.publik-forum.de/politik-gesellschaft/woher-kommt-diese-unfassbare-wut
SPIEGEL: Ricarda Lang und Omid Nouripour treten als Grünenchefs zurück, 25.09.2024
SZ: Der Wahlsieg der SPD polarisiert Brandenburg, 23.9.2024
Tagesschau: Wen wählten Ältere und Jüngere?, 22.09.2024
ZDF: Politbarometer, 06.09.2024
ZEIT: Wolfgang Thierse fordert Prüfung von AfD-Verbot, 16.01.2024
Tagesschau: Landtagswahlen Brandenburg, 22.09.2024
Impressum: Redaktion: Felix Schlagwein, Marie Steffens Executive Producerin: Marie Schiller Audio Producer: Maximilian Frisch, Patrick Zahn Sounddesign: Hannes Husten Vermarktung: Mit Vergnügen GmbH Eine Produktion der Will Media GmbH
Transkript anzeigen
00:00:00: Politik mit Anne Will.
00:00:09: Woher kommt diese unfassbare Wut auf die da oben dieser Hass auf demokratische Politiker und Institutionen?
00:00:28: Wolfgang Thierser ist, wenn man so will, aber auch einer von denen da oben, denn er war Bundestagspräsident,
00:00:43: war stellvertretender Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD und war 23 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestags.
00:00:51: Herzlich willkommen, Herr Thierser.
00:00:53: Gerne.
00:00:54: Ich bin froh, dass Sie da sind.
00:00:56: Das ist wirklich ein guter Artikel, den Sie da für die Zeitschrift "Publikforum" geschrieben haben.
00:01:00: Den verlinkt man übrigens natürlich auch in den Show-Notes.
00:01:03: Sie schreiben ihn, nachdem es zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik einer rechtsextremistischen Partei gelungen ist,
00:01:11: eine Landtagswahl zu gewinnen, nämlich der AfD in Thüringen, wo zudem das Bündnis Sarah Wagenknecht auf fast 16 Prozent kommt.
00:01:20: Das ist also ein Ergebnis, so schreiben Sie, ich zitiere da, dass mich nicht überrascht, aber traurig und wütend macht und dass ich als persönliche Niederlage empfinde.
00:01:31: Was genau werfen Sie sich da persönlich vor?
00:01:35: Ich bin in Thüringen aufgewachsen.
00:01:38: Ich bildete mir ein, dass die Landtags- und Leute einigermaßen gut kennen.
00:01:45: Ich bin in den 90er, 2000er Jahren und bis zuletzt, auch in diesem Sommer, immer wieder auch in Thüringen gewesen und habe in der Politik,
00:01:54: nachdem ich in sie hineingeraten bin, meine Rolle immer so verstanden, dass ich der Sprecher der Ostdeutschen bin in der Bundespolitik.
00:02:02: Es gab ja nicht so viele, die Stimme hatten und denen man zugehört hatte.
00:02:07: Und ich habe versucht, die ostdeutschen Probleme zur Sprache zu bringen, die Hoffnungen und Ängste und habe in Ostdeutschland selber, wo ich ja auch viel unterwegs war,
00:02:17: immer für Demokratie geworben, sie zu erklären versucht.
00:02:21: Und wenn man dann nach 35 Jahren sieht, es war irgendwie vergeblich, die Wellen, meine Landsläufe, Wellen zu einem unruhigenden Teil,
00:02:34: rechts-extremistische Partei, eine Partei eines völkischen Nationalismus und will auf andere Weise eine linksautoritäre Partei,
00:02:43: das Bündnis Sahra Wagenknächt, dann ist das wie eine persönliche Niederlage, weil ich dann merke, haben die nicht begriffen, was Demokratie ist.
00:02:55: Oder es kann sich begriffen und Wellen nur anders als sie es gut finden.
00:03:00: Ja, aber Demokratie ist doch nicht nur einfach, seinen Unmut zu ohne zu bringen,
00:03:08: seine Empörung und Wut und Ärger und Frust, für die es ja Gründe gibt, ich glaube auch ein bisschen zu kennen,
00:03:16: sondern es ist doch vor allem zu begreifen, dass man selber Teil der Sache ist, also selber Verantwortung übernimmt,
00:03:27: sich in die mühseligen Aushandlungsentscheidungsprozesse der Demokratie begibt
00:03:33: und nicht nur seine Wut auf die da oben und gegen die da oben, zu denen trägt, die selber bisher überhaupt keine konstruktive Vorschläge
00:03:45: für die Lösung der wirklichen Probleme formuliert haben, sondern die nur wilde Versprechungen abgeben,
00:03:53: Schuldzuweisung, heftigste Art, Grenzen dichtmachen, Flüchtlinge, das ist das Hauptproblem.
00:04:01: Die sagen, Europa, das ist eine Illusion, das ist eine gefährliche Illusion, die ökologischen Probleme gibt es überhaupt nicht,
00:04:11: das ist eine Erfindung, darauf reinzufallen und nicht zu begreifen, dass sie, indem sie die AfD wählen
00:04:20: und immer stärker machen und ihnen Einfluss auf Politik geben, dass sie damit die eigene Zukunft gefährden,
00:04:26: den eigenen Wohlstand, denn, um das gleich zu sagen, Deutschland ist seit 1990, seit wir die Mauer los geworden sind, ein weltoffenes Land.
00:04:36: Und Deutschland lebt davon, dass wir ein weltoffenes Land sind, wir sind eine der führenden Exportnationen.
00:04:42: Unser Wohlstand hängt davon ab, dass wir ein weltoffenes Land sind und bleiben.
00:04:46: Und das wählen dann, wählen die eine Partei, die die Grenzen dichtmachen will, die die Ausmahnung daraus schmeißen will
00:04:53: und damit gefällden sie den eigenen Wohlstand.
00:04:56: Das ist etwas, was mich furchtbar irritiert und ich finde, das hat mich so tief betroffen, dass ich sage, es kommt mir wie eine persönliche Niederlage vor.
00:05:06: Sie sind in Thüringen aufgewachsen, Sie haben es gesagt, Sie sind in Breslau geboren, Sie haben in dem Land also lange gelebt,
00:05:12: waren immer wieder dort, auch jetzt im Vorfeld der Landtagswahlen, Sie sprechen eben vieles mehr von Ihren Landsleuten.
00:05:20: Was haben Sie aber nun erlebt an Wut gegen die da oben, an Hass auf demokratische Politikerinnen und Institutionen?
00:05:29: Denn das Ausmaß, so schreiben Sie ja überall das, hat Sie erschreckt. Da war also irgendwas neu.
00:05:37: Ja, dass es Kritik an den Regierungen gibt, das ist Teil der Demokratie.
00:05:41: Genau.
00:05:42: Das habe ich nie anders erlebt, das gehört dazu.
00:05:44: Darf auch so sein.
00:05:45: Das ist Teil der Demokratie, dass man streitet und das und das falsch findet, aber dass man sagt, die oben können es überhaupt nicht.
00:05:56: Die müssen nicht nur politisch weg, die müssen erledigt werden, dass wir erleben, dass die Gewalt gegen Politiker zunimmt
00:06:05: und zwar nicht nur Bundespolitiker, die da oben, sondern Kommunalpolitiker, das Bürgermeister aufgeben oder Kommunalpolitiker aufgeben,
00:06:13: weil sie vor der Wut der Leute Angst haben, ja auch Angst haben von der Gewaltdrohung, dass wir aus Umfang auch wissen,
00:06:23: dass die Bereitschaft Gewalt auszuüben oder das Ja zu Gewalt zugenommen hat, das hat sich verändert.
00:06:30: Also eine hasserfüllte Atmosphäre, ich muss sagen, ich habe das auf eigentümliche Weise erlebt, dass die Leute mir gegenüber vor allem auf die Grünen geschimpft haben.
00:06:42: Vielleicht aus Rücksicht auf mich, weil ich ja Sozialdemokrat bin.
00:06:46: Die Grünen sind noch mehr als die Sozialdemokraten.
00:06:49: Die Personifizierung der Veränderungsschmerzen, der Zumutung, die in diesen gegenwärtigen dramatischen Entwicklungen enthalten ist.
00:06:58: Diese Veränderungswürzen kann ich nachvollziehen, aber dass sie sagen, die müssen weg, das ist die schlechteste Regierung aller Zeiten.
00:07:07: Dass man Morddrohungen kriegt.
00:07:12: Ich habe gerade wieder, ich auch, habe gerade wieder eine bekommen, ich kann sie Ihnen zeigen, es wäre gut, wenn da Ziegen fickern und was da alles drinsteht.
00:07:21: Und man, ich denke, ich bin nun jetzt schon weit weg von der aktuellen Politik, aber es eralt mich trotzdem.
00:07:27: Also da ist die Atmosphäre so viel giftiger, so viel hasserfüllter geworden.
00:07:31: Das hat Demokratie gefüllte Züge, weil es eben nicht der Streit ist, sondern hasserfüllte Gegnerschaft.
00:07:40: Sie erklären sich mit dieser Wut, mit dem Has auch die Ergebnisse.
00:07:45: Ich zitiere nochmal aus dem Artikel, das Wahlergebnis ist Ausdruck dieser Wut und der massiven Unzufriedenheit mit den Landesregierung und vor allem der Bundesregierung.
00:07:56: Das haben Sie ja geschrieben, nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ändert das Ergebnis der Landtagswahl in Brandenburg nun was an Ihrem Befund.
00:08:04: Denn jetzt, da wir sitzen, wissen wir, wie die ausgegangen ist.
00:08:08: Wir zeichnen auf am Mittag des 25.09.2024 und wir wissen also, dass Ihre SPD mit dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke die Wahl wieder gewonnen hat und die AfD auf den zweiten Platz verwiesen hat.
00:08:24: Nein, meine Einschätzung hat sich nicht geändert.
00:08:27: Dadurch, ich will darauf hinweisen, dass mich ein Widerspruch beschäftigt.
00:08:34: Die Wahlergebnisse zeigen es. Aus vielen Meinungsumfragen wissen wir es.
00:08:41: Ein beträchtlicher Teil der Ostdeutschen und wahrscheinlich auch ein guter Teil der Westdeutschen bezeichnet die Lage als Finster, so eine apokalyptische Stimmung.
00:08:52: Die Zukunft sieht schwarz aus.
00:08:55: Alles ist falsch, alles geht kaputt.
00:08:59: Und auf der anderen Seite sagen einem Ausweis sich von Meinungsumfragen 70 bis 80 Prozent, mir geht es gut.
00:09:09: Ich kenne das auch aus den eigenen Gesprächen.
00:09:11: Dazu sagen aber die Demoskopen manchmal auch, man möchte auch über seine eigene Situation nicht sagen, dass es einem schlecht geht, obwohl sie eventuell schlecht ist, alles teurer geworden ist, man auch sich weniger leisten kann, wenn man einkaufen geht.
00:09:24: Trotzdem, die Mehrheit sagt, mir geht es ganz gut, ich kenne das auch aus persönlichen Gesprächen.
00:09:30: Wir wissen übrigens auch aus den genauen Untersuchungen, die AfD-Wähler sind, das sind nicht die sogenannten Abgehängten.
00:09:39: Die sind auch dabei, Leuten, denen es wirklich schlecht geht, die es ja gibt in diesem Lande, sondern das ist Mittelstand, Mittelschicht.
00:09:48: Man kann am Beispiel Brandenburgs das ganz gut sehen.
00:09:51: Brandenburg ist ein erfolgreiches Land geworden.
00:09:55: Ein Wirtschaftsdachsdom, das größer ist als das von Bayern.
00:09:59: Die Einkommen und die Löhne sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
00:10:03: Die Landesregierung hat energische Ansteuung unternommen, große Unternehmen anzusiedeln, auch Ersatz zu schaffen für den zu Ende gehenden Braunkohleberg-Bauer.
00:10:14: Das sind natürlich Prozesse, die immer eine gewisse Zeit tauchen.
00:10:18: Aber genau das wird nicht mehr wahrgenommen, weil es eine ganz andere Art von Kommunikationen gibt.
00:10:24: Die eine Wirklichkeit und die andere Wirklichkeit ist die, die auch per Internet Tick-Tock und was es alles gibt,
00:10:32: befleistigt, befördert, befleistigt von der AfD und möglicherweise auch von russischen Einflüssen,
00:10:38: in bestimmter Weise auch von BSH, die sagt, es ist alles ganz schlecht und ganz furchtbar.
00:10:43: Nun will ich gerne unterscheiden.
00:10:45: Und es mir nicht so einfach machen.
00:10:47: Und sage ja, die einfachen Schulzuweisungen sind auch falsch.
00:10:51: Natürlich gibt es viel anders zur Kritik an der Bundesregierung, aber es traf ja auch immer die Landesregierung, die ja durchaus anders zusammengesetzt sind.
00:10:59: Das will ich gar nicht bestreiten.
00:11:01: Ich glaube aber, dass diese einfachen Schulzuweisungen zuoberflüchtig bleiben.
00:11:07: Meine Interpretation ist anders.
00:11:09: Wir sind in der Zeit gleichzeitig eine vielfältige Krise.
00:11:14: Dramatischer Veränderungen und ziemlich schmerzlicher Veränderungsnotwendigkeiten.
00:11:21: Also Migration gehört dazu.
00:11:24: Digitalisierung, künstliche Intelligenz, die unsere Art von zu produzieren, zu kommunizieren, dramatisch verändern werden.
00:11:31: Die Klimakrise.
00:11:32: Die Klimakrise, die so viel Veränderungen verlangt.
00:11:36: Die weitere Pluralisierung unserer Gesellschaft, da wir in einer offenen Welt leben, das macht schmerzliche Veränderungen.
00:11:45: Das Fremde und die Fremden kommen näher und stehen das Vertraute, das Selbstverständliche in Frage.
00:11:49: Also ganz viel gleichzeitig.
00:11:51: Und die Politik ist in einer Situation, wo sie bei der Lösung einer Krise einer anderen verschärft.
00:12:00: Das ist das einste Problem.
00:12:02: Dass das alles Unsicherheit, Ängste, Wut, Verärgerung und Geduld erzeugt, kann ich nachvollziehen.
00:12:09: Und genau diese brutalen Veränderungen und Veränderungsnotwendigkeiten treffen in Deutschland.
00:12:17: Auf Menschen, die in den 90er- und 2000er-Jahren schon ohne Schmerzsicher Veränderungen zu überleben, zu überstehen hatten.
00:12:23: Mit Opfern, nicht alle erfolgreich, aber doch viele haben das bestanden.
00:12:28: Und dass die jetzt sagen, nicht schon wieder die nächsten Veränderungen, jetzt verlangen die schon wieder von mir was.
00:12:34: Das kann ich nachvollziehen und deswegen sind sie bereit, denen zu glauben, denen, die wir Populisten nennen, die ihnen sagen, muss alles gar nicht sein.
00:12:42: Es geht anders.
00:12:44: Das ist eine der tieferen Ursachen für den Erfolg, sowohl von AfD und auf andere Weise auch von BSW.
00:12:50: Das muss man beschreiben, damit beschreibe ich nicht nur ein ostdeutsches Problem,
00:12:54: sondern eines, das ja nicht nur in Deutschland, sondern ringsum erleben wir das Gleiche.
00:12:58: Aber in Ostdeutschland hat es scharfkantigere Züge wegen dieser Vorgeschichte aus den 90er- und 2000er-Jahren.
00:13:06: Steffen Mau, der Soziologe, war auch schon mal bei uns im Podcast in einer der zurückliegenden Folgen
00:13:11: und er spricht ja da immer von dem, wie ich finde, sehr guten Wort der Veränderungserschöpfung.
00:13:16: Dass er vor allem eben auch und nicht zuletzt Menschen, die ostdeutschsozialisiert sind, zuschreibt und sagt, was es die alles an Systemveränderungen schon zu verkraften hat.
00:13:28: Da ist dann irgendwann auch mal Schicht im Schachtel und das nennt er eben die Veränderungserschöpfung.
00:13:34: Sie sagen, daraus sind auch daraus, denn sie haben ja vorher auch die Wut auf die Landesregierung, auch auf die Bundesregierung angesprochen.
00:13:42: Und auch daraus sind die Erfolge von AfD und BSW.
00:13:46: Nun ist aber Jadid Marwoldtke, ich will noch mal zurückkungen mit Ihnen, am Sonntag da war es gelungen.
00:13:51: Er hat dann kurz nach 18 Uhr am Wahlarbenden Satz gesagt, der mir aufgefallen ist,
00:13:57: ich zitiere mal, es scheint so zu sein, dass es wieder einmal Sozialdemokraten waren,
00:14:02: die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben.
00:14:06: Er kann es insofern für sich behaupten, als noch vor einer Weile die Umfragen vermuten ließen,
00:14:12: dass die AfD die Wahl gewinnen könnte und auch da stärkste Kraft werden könnte.
00:14:16: Das hat er durch maximalen Einsatz auch durch die Verknüpfung dieser Wahl mit seinem persönlichen politischen Schicksal abwenden können.
00:14:24: So was sprach hier aus Woitge, wenn er sagt, es scheint so zu sein, dass es wieder einmal Sozialdemokraten waren,
00:14:30: die Extremisten auf ihrem Weg zur Macht gestoppt haben.
00:14:33: Spricht er die erste Erleichterung, auch ein Gürteltmaß, eine Erschöpfung oder sowas, eine erste Euphorie,
00:14:39: oder spricht daraus tatsächlich sowas wie eine zutreffende historische Einordnung,
00:14:45: die auch Sie jetzt entspannt auf die nächsten Wahlen gucken lässt, Anfang März in Hamburg
00:14:50: und dann, wenn es dabei bleibt, im September im Bund.
00:14:54: Für entspannte Erwartungen gibt es noch keinerlei Anlass.
00:14:57: Ich habe das gut verstanden, die Emotion von Woitge, weil er ja mit dem ganzen Einsatz seiner persönlichen Popularität verhindert hat,
00:15:13: dass die AfD auch in Brandenburg stärkster Partei wird und nochmal deutlich zulegt,
00:15:18: dass es wirklich ein Geschenk, dass er der Sozialdemokratie und der Demokratie in Deutschland insgesamt gemacht hat.
00:15:24: Die Kritik daran an dieser Polarisierung und Zuspitzung habe ich nicht verstanden.
00:15:30: Ja, auch nicht.
00:15:31: Auch Herr Kretschmer und auch Herr Haselow haben ihre Autorität eingesetzt als Landesväter.
00:15:37: Kretschmer sogar zum Wohle von Dietmar Woitge, der besucht den der sächsischen Ministerpräsidenten und sagt,
00:15:42: "Weltig!"
00:15:43: Das ist doch was ihre Pflicht, wenn man populär ist und die Leute sagen, der macht gute Arbeit.
00:15:49: Dann muss man doch sagen, wenn ihr weiter wollt, dass sich gute Arbeit macht, müsst ihr auch dafür sorgen.
00:15:55: Und ich kann das nicht, wenn plötzlich eine rechtsextremistische Partei so stark ist, dass sie mich daran hindert.
00:16:01: Also noch sind wir drüber nicht hinweg.
00:16:05: Denn die Grundsituation, die ich beschrieben habe unterhalb der aktuellen parteipolitischen Oberfläche, die bleibt ja.
00:16:12: Wir sind ja weiterhin in einer Phase helftigster Veränderungen.
00:16:16: Die zu Bewältchen, nicht gelegt, ich höre immer und bin ja auch da Meinung, bessere Politikhelfe auch gegen Populisten und Extremisten.
00:16:26: Aber es gibt keine Politik, die so gut ist, dass sie die wundervoll bringt, dass es schmerzlose Veränderungen gibt.
00:16:37: Das wäre aber ein finstere Erkenntnis.
00:16:39: Nein.
00:16:40: Oder dann würde man ja jetzt, oder müssen Sie sagen, man kann aufgeben.
00:16:43: Es gibt keine schmerzlosen Veränderungen.
00:16:46: Jede Veränderung ist, so sind wir Menschen, mit Verunsicherung, Ängsten verbunden und immer auch auf der Strecke mit Verlusten.
00:16:55: Und ich kann zum Beispiel meiner Partei der Sozialdemokratie und Olaf Scholz nicht raten, zu versprechen, dass es keine Schmerzen gibt.
00:17:06: Nicht zu versprechen, dass es keine Veränderungen gibt und keine Verunsicherung.
00:17:11: Ich kann Ihnen nur raten zu sagen, ja, wir Sozialdemokraten sagen ja zum Wandel.
00:17:16: Wir wollen Ihnen gestalten, um Zukunft zu gewinnen.
00:17:19: Wir versprechen nicht Wunder dabei und nicht Schmerzlosigkeit.
00:17:23: Aber wir kämpfen dafür, dass niemand unter die Räder kommt, dass soziale Sicherheit dabei nicht flöten geht.
00:17:30: Dann hat Scholz es aber falsch gemacht.
00:17:32: Das ist das, was ich für wichtig finde, die Dramaturgie, wenn man das so nennen will, die ich Olaf Scholz dringend empfehle.
00:17:41: Nicht so zu tun, als sei das alles leicht zu handeln.
00:17:46: Und man habe alles im Griff, dass die Erwartung an Politiker so ist.
00:17:52: Und dass Angela Merkel viermal mit diesem Grundgestos Wahlen gewonnen hat.
00:17:57: Das sehe ich ja auch.
00:17:59: Und wahlen demokratische Wahlen.
00:18:02: Das sage ich nun, haben die Zeiten sich verändert.
00:18:04: Die Zeiten sind anders als zu Merkels Zeiten.
00:18:07: Manches, was aus Merkels Zeiten rüberkommt, rüber reicht, gehört ja mit zur verschärften Problematik.
00:18:13: Also eine andere Dramaturgie, die nicht Unsicherheit erzeugt,
00:18:18: sondern die nur ernst nimmt, dass die Leute ja auf intelligente oder vielleicht unbewusste Weise doch eine Wahrnehmung haben von der Dramatik der Situation.
00:18:29: Sie erleben sie ja als persönlicher Angst.
00:18:32: Und das ernst zu nehmen und auszusprechen und zu sagen, das ist das, was wir tun, Schritt für Schritt.
00:18:39: Es ist immer zu langsam, es ist immer zu wenig, die Ungeduld und der Ärger wird immer bleiben.
00:18:46: Diesen Versprechen darf man nicht machen.
00:18:48: Aber man kann sagen, dass wir das gestalten wollen.
00:18:50: Und das in einer gegenwärtigen Koalition, die sowas von aussichtslos ist, dass man schon gelegentlich staunt.
00:18:57: Gucken wir mal auf die Koalition.
00:19:00: Kurz bevor wir uns trafen, ist uns beiden bekannt geworden, dass die Grünen, die ersten sind,
00:19:06: die personelle Konsequenzen aus den schweren Wahlen niederlagen,
00:19:09: sowohl bei den drei Landtagswahlen, die wir schon angesprochen haben, als auch bei der Europawahl ziehen wollen.
00:19:16: Der Bundesvorstand, der Partei will komplett zurücktreten.
00:19:20: Die Vorsitzenden Ricarda Lange und Omid Nuri Pur plädieren dafür, dass andere den Job übernehmen.
00:19:27: Ist das aus Ihrer Sicht vorbildlich?
00:19:31: Ich bin auch überrascht über diese Entscheidung, weil sie ja auch eine Verschiebung der Kräfte innerhalb der Grünen bedeuten würde, wahrscheinlich.
00:19:43: Ich weiß nicht, ob es vorbildlich ist, aber dass die Grünen eine Konsequenz gezogen haben,
00:19:51: aus drei bitterbösen Niederlagen, bei allen drei Wahlen, aus zwei Landtagen hinausgeflogen und in den Dritten mit Mühe hineingefangen.
00:19:58: 5,1 Prozent in Sachsen, da haben sie sich gerade überengerechnet.
00:20:02: Das ist so niederschmetternd, wenn man sich nur erinnert, welche Höhenflüge es gab.
00:20:06: Höhenfliege, wo die Grünen schon fast arrogant auf die Sozialdemokraten niedergeschaut haben.
00:20:11: Also dass das personellen Konsequenzen mit sich bringt, das kann ich ganz gut nachvollziehen.
00:20:17: Wie wir sehen, macht es die FDP ja ganz anders. Die FDP ist noch fisch.
00:20:23: Man kann sich das gar nicht mehr vorstellen. 0,8 Prozent in Brandenburg und unter 1 Prozent, glaube ich, auch in Thüringen und so weiter.
00:20:30: Und was macht die FDP? Sie schiebt es auf die Dynamik in der Koalition.
00:20:36: Sie schiebt es auf die Ampel. Sie beklagt die Performance in der Ampel.
00:20:41: Und denke nicht einen Moment daran, dass sie Teil dieser Performance ist, ja vielleicht sogar die Hauptverursacher des ganzen Streiters.
00:20:47: Man muss sich nur erinnern, die Koalition einigt sich, die drei Herren, schwierige Gespräche, das sind ja auch schwierige Sachverhalte.
00:20:56: Man einigt sich und zwei, drei, vier Tage später sagt die FDP das Gegenteil.
00:21:02: Die FDP handelt, ich nehme nur als ein Beispiel, man kann über die Schuldenbremse denken, was man will
00:21:12: und wie ich weiß, die Mehrheit der Ökonomen hält sie in dieser jetzigen Form für nicht zukunftsfähig.
00:21:19: Aber die FDP ist, wissen wir mal, von einem Dokmatismus, der nicht nur schon inzwischen für Suizidal halt.
00:21:28: Ja, selbst macht das Angst vor dem Tod.
00:21:31: Nein, sie betreibt ein Stil in der Koalition, der ja schlimmer ist als Opposition,
00:21:39: wird dabei regelmäßig von den Wählern abgestraft und umso schlimmer macht sie es.
00:21:46: Jetzt hat sie im Grunde schon angedroht aus der Koalition auszuscheiden.
00:21:51: Da kann ich nur gehört Baum den alten Weisen liberalen ziehen, der sagt, das ist selbstmörderisch, aber wir werden sehen.
00:21:58: Und dann die SPD dazwischen und Scholz in der miesen Situation, die er sich ausgesucht oder nicht ausgesucht,
00:22:06: er ist immer der Moderator, er muss zusammenhalten, mäßigen, moderieren und verkomnt fast bis zu Unkenntlichkeit,
00:22:12: weil er immer verdämpfen muss und die Sozialdemokraten rufen, ja wo ist denn unser Profil auch?
00:22:18: Das ist eine ganz missliche Situation, ich weiß nicht genau, wie man herauskommt, ich kann mir nur wünschen,
00:22:23: dass alle drei Parteien, die ja wissen, dass niemandem gedient ist mit einer Explosion,
00:22:31: mit einem Scheitern oder einem Sprengen der Koalition, niemandem weder in den Parteien,
00:22:35: noch diesem Land wird, ist gedient damit, dass sie begreifen, der Koalitionsvertrag gilt,
00:22:42: man muss die Vereinbarten vorhaben, von denen viele schon realisiert worden sind, also diese Ampel hat ja einiges zustande gebracht,
00:22:50: dass man sich daran hält und den anderen auch zu billig, jeweils auch einen jeweiligen Erfolg bei den Vorschlägen
00:22:58: und den Projekten, die sie in den Koalitionsvertrag haben eingemessen, aber siehe da, ein ganz harmloses Beispiel,
00:23:05: das selbstverständlichste der Welt, dass der öffentliche Auftraggeber darauf besteht, dass die Unternehmen Tariftreue sind.
00:23:15: Also nach Tarif bezahlen. - Nach Tarif bezahlen. Also das soll jetzt noch einmal in einem Tariftreue Gesetz bestärkt werden
00:23:23: und wer ist dagegen, wenn verzögert die FDP eigentlich etwas so selbstverständliches, dass der Staat als Auftraggeber sich an Tarifvereinbarungen hält,
00:23:33: oder etwas, was auch im Koalitionsvertrag steht, dass man die Rente langfristiger sichert, das ist ja eine große Herausforderung.
00:23:44: Wiederum ist die FDP dagegen. Ich weiß nicht, diese Art von immer vor dagegen sein, das ist schon suizidales Verhalten,
00:23:52: denn sie alle Wahlergebnisse sind niederschmettert, aber die FDP betreibt es weiter. Ich verstehe es intellektuell nicht und ich verstehe es menschlich nicht.
00:24:01: Noch mal hingeguckt, was Sie gerade gesagt haben. Ich habe es richtig verstanden, ja Sie sagen bei den Grünen,
00:24:06: Sie erkennen an, dass es personelle Konsequenzen dann wahrscheinlich braucht.
00:24:12: Bei der FDP sagen Sie, die verhält sich wie Opposition in der Bundesregierung. Sie sagen, der Kanzler, unser aller Kanzler, aber ihr Genosse,
00:24:23: wird zerrieben in dieser Rolle des Mannes, der da moderieren muss und sagen gleichzeitig, trotzdem stünde das Land nicht besser da,
00:24:33: wenn es diese Regierung nicht mehr gäbe, verstehe ich gar nicht.
00:24:37: Erstens sehe ich nicht, dass durch einen Wahlkampf vorgezogenen Wahlkampf, monatelange Auseinandersetzung,
00:24:47: irgendetwas von den Entscheidungen, die jetzt zu treffen sind, befördert werden würde. Das würde dem Land nicht dienen.
00:24:53: Ja, okay, werden auch.
00:24:55: Zweitens können wir angesichts der aufgeregten, hasserfüllten, aggressiven Stimmung doch nicht damit rechnen.
00:25:05: Wie soll ich mich vornehm ausdrücken, dass demokratische Weisheit bei den Wählern obseht, sondern eher gut ärgere Sentiment.
00:25:16: Das ist eine atmosphärisch, emotional gefährliche Situation. Das fände ich ganz passend.
00:25:23: Es wäre schon ganz gut, wenn wir wahlen auch in nicht absolut sedierten Zeiten, die gibt es nicht mehr,
00:25:30: aber doch in Zeiten, wo Menschen Zeit haben nachzudenken, das sind die Alternativen, darüber muss ich sagen.
00:25:36: Jetzt ist wuterfüllte Atmosphäre, aggressive Stimmung.
00:25:40: Und die nächste Bemerkung, wie wir wissen, das Vertrauen in den Kanzlerkandidaten der CDU ist ja gegenseitig,
00:25:49: weil ich auch nicht so gigantisch, ich sage das ohne Häme, die umfragen, die ich sehe.
00:25:53: Obwohl März und sie nie Freunde waren, ne?
00:25:55: Noch ein Jahr drum ging es ja gar nicht. Wir kennen uns so gut nicht. Ich leide nicht unter persönlichen Antipartien gegenüber anderen.
00:26:02: Also da mit über 80 ist man ganz heiter an der Stelle.
00:26:07: Nein, ich sehe das nur, das gehört ja mit zu der Gegenwelt der Atmosphäre, die mich beunruhigt,
00:26:14: dass viele Menschen keiner der demokratischen Parteien, die dieses Land tragen, die diese Erfolgsgeschichte ausgemacht haben,
00:26:22: der Bundesrepublik Deutschland, dass keiner der großes Vertrauen nießt.
00:26:27: Und das meine ich, da würde eine Sprüngung der Ampelkoalition kein Beitrag dazu sein, solche Vertrauen zu vermehren im Gegenteil.
00:26:38: Wir haben diese Folge überschrieben mit der Überschrift auch Ihres Artikels, den Sie veröffentlicht haben,
00:26:44: in Publikforum, dass Sie selber mit herausgehen im Übrigen.
00:26:48: Wir haben die Folge überschrieben mit der Frage, woher kommt die unfassbare Wut?
00:26:53: Wenn aber doch ein Auslöser dieser Wut, so hatten Sie es ja da auch geschrieben, die massive Unzufriedenheit mit den Landesregierung
00:27:01: und vor allem der Bundesregierung ist, dann darf man trotzdem noch die Frage stellen.
00:27:06: Und ich fasse da nochmal nach, ob es helfen würde, wenn diese Bundesregierung sich, keine Ahnung,
00:27:14: einer Vertrauensfrage stellte, sich nochmal anders überprüfte, die die Regierung auflöste.
00:27:23: Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass Sie 2005, Bundestagspräsident und stellvertretender Vorsitzender der SPD war,
00:27:32: als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den Schritt ja mal gegangen ist.
00:27:40: Er hat versucht, eine sogenannte "unechte Vertrauensfrage" zu stellen.
00:27:45: Er sah sich nicht mehr ausgestattet mit dem Vertrauen der Rot-Grünen Bundesregierung, um aber anzuknüpfen
00:27:52: und eine nächste Rot-Grüne Bundesregierung zu bilden. Das war schon so ein bisschen crazy, aber er hat es versucht und fast geschafft.
00:27:59: Wäre das jetzt auch der richtige Weg? Sie haben gerade gesagt, okay, nein, das ist so eine große Unruhe,
00:28:04: Aber die Unruhe rechnet sicher auch gegen ...
00:28:07: die dann vielleicht so zeigen könnte, wer verstehen,
00:28:11: was uns durch diese Wahlergebnisse gesagt wird?
00:28:14: Ja, also ich war damals nicht der selben Meinung,
00:28:18: wie ich er schulde.
00:28:19: Ich habe das damals nicht für notwendig gehalten,
00:28:22: sondern war der eher bescheidene Meinung,
00:28:25: wir müssten Nerven behalten.
00:28:27: Und dieses letzte Jahr noch durchstehen,
00:28:30: die Stimmung, die Atmosphäre, kann sich wieder gut ändern.
00:28:35: Dann gab es den Wahlkampf, und da hat Gerhard Schröder
00:28:40: natürlich einen gigantischen Wahlkampf geführt.
00:28:43: Ich bin auch in erinnerung voller Respekt.
00:28:46: Die physische und psychische Leistung, die er erbracht hat,
00:28:49: und fast hätte die SPD noch gewonnen.
00:28:51: Nein, ich glaube, dass die Situation ja jetzt anders ist.
00:28:54: Damals konnte Gerhard Schröder meinen,
00:28:57: dass er mit einem solchen wagemutigen Schritt
00:29:01: tatsächlich noch einmal die Stimmung ändern könnte
00:29:05: in einer Konstellation, wo es um drei Parteien ging,
00:29:09: auf der einen Seite, oder um vier Parteien,
00:29:12: auf klare Teilung der einen Seite Rot-Grün,
00:29:15: auf der anderen Seite Schwarz-Gelb.
00:29:17: Wir sind in jetzt eine viel unübersichtlichen Situation.
00:29:21: Wir haben über die Wahlergebnisse in den Ländern gesprochen.
00:29:24: Es gibt eben die AfD, die Profit ziehen würde daraus.
00:29:30: Die das auch ausbeuten würde, die ja ohnehin damit beschäftigt ist,
00:29:34: dieses Land auf dramatische Weise schlecht zu reden,
00:29:37: die apokalyptische Stimmung zu verstärken.
00:29:41: Und auf der anderen Seite BSH mit dem Heilsversprechen
00:29:44: Sarah Wagenknecht sozusagen, die Personifizierung des Heils,
00:29:47: der Erwartung.
00:29:49: Das ist eine vollkommen andere Situation,
00:29:51: wo, glaube ich, die Art von Vertrauensfrage gar nicht dazu passt.
00:29:55: Also deswegen sage ich,
00:29:58: es wäre das Einzelvernünftige wäre,
00:30:01: dass diese gegenwärtige Regierung noch drei, vier
00:30:04: wirklich kräftige Entscheidungen zustande bringt,
00:30:07: wo die Leute sagen, ja, diese Entscheidungen betreffen uns.
00:30:10: Das ist das Rententhema, ein ganz gewichtes Thema,
00:30:14: weil nun mal 30 Prozent der Deutschen im Rentenalter sind.
00:30:17: Und auch die Jüngeren sich interessanterweise
00:30:19: für die Zukunft der Rente interessieren.
00:30:21: Trauen Sie Olaf Scholz denn zu,
00:30:23: dass er da noch mal die Kurve kriegt,
00:30:25: dass er das schafft, diese Regierung zu solchen Entscheidungen zu,
00:30:31: hinzumoderieren, zu beräden, zu zwingen.
00:30:35: Ich wünsche es mir.
00:30:37: Ist Scholz denn tatsächlich der Richtige?
00:30:40: Das frage ich auch deshalb, weil ich zugehört habe,
00:30:43: wie Riccarda Lang begründet hat.
00:30:46: Warum sie für sich sagt, sie ist nicht mehr die Richtige.
00:30:49: Sie sagt, was jetzt ansteht in einer Zeit,
00:30:52: ich fasse das mal aus dem Kopf zusammen,
00:30:55: in der es eigentlich nicht mehr darum gehen kann,
00:30:57: am eigenen Stuhl zu kleben.
00:30:59: Es muss darum gehen, eine strategische Neuaufstellung zu finden,
00:31:03: die dem Wohlstand des Landes dient und dem Zusammenhalt.
00:31:07: Daher kamen wir ja eben,
00:31:09: als wir über die Ergebnisse der Landtagswahlen gesprochen haben,
00:31:12: auch über die bedrückende, beängstigende, gefährliche Stimmung,
00:31:16: die sie da jeweils wahrgenommen haben.
00:31:19: Ist Scholz dann nochmal gefragt, tatsächlich der Richtige,
00:31:22: der, um es jetzt mal ganz groß zu machen,
00:31:25: unter Zusammenhaltskriterien nachgedacht,
00:31:28: der es schaffen kann, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden,
00:31:35: oder aber auch nur, das ist aber auch groß, von der Demokratie?
00:31:41: Also, Riccarda Lang hat edle Worte gefunden,
00:31:45: aber es ging darum, Schaden von der Partei der Grünen abzuwenden.
00:31:49: Das ist in Ordnung so, aber das hat sie dann überhöht.
00:31:54: Denn das muss man wissen, der Rücktritt des Vorsitzes,
00:31:58: des Vorstands der Grünen,
00:32:00: erschwert die Regierungsarbeiterampe,
00:32:03: erschwert das, was ich mir wünsche,
00:32:06: dass jetzt noch, wir haben im Grunde nur noch ein Dreivillierzeit,
00:32:10: noch ein paar kraftvolle, konstruktive Entscheidungen getroffen werden.
00:32:15: Das wird jetzt erschwert, durch die innere Unruhe unter den Grünen,
00:32:19: die Kämpfe in einer Partei, die dann ausbrechen.
00:32:22: Und wer wird die starke Figur, die starke Figuren an der Spitzzahl?
00:32:26: Also, da wollen wir nichts beschönigen.
00:32:28: Und etwas Ähnliches würde doch eintreten,
00:32:31: wenn die SPD plötzlich anfinge,
00:32:33: nach wem haben wir denn da noch im Köcher
00:32:36: und nun auch ihrerseits eine Personaldebatte begennen,
00:32:39: sondern die SPD, das gehört dazu,
00:32:44: ist immer eine höchst kritische und unzufriedene Partei gewesen.
00:32:48: Aber sie hat sich nun in den vergangenen Jahren fast überraschend,
00:32:53: wirklich zusammengerauft,
00:32:55: wirklich überraschend, weil damit nicht zu rechnen war.
00:32:58: Und zwar hinter Olaf Scholz.
00:33:00: Und jetzt muss sie auch versuchen, diese Geschlossenheit durchzuhalten.
00:33:05: Komme, was wolle?
00:33:06: Man guckt nicht nach links, nach rechts.
00:33:08: Nein, und inhaltlich zu füllen.
00:33:10: Man muss schon eine Wendung bekommen und sagen,
00:33:13: die SPD muss zeigen das, was ich gesagt habe.
00:33:16: Wir sagen ja zum Wandel, wir drücken uns nicht davor.
00:33:19: Wir versprechen euch nicht das Falsche.
00:33:21: Aber das und das tun wir damit.
00:33:24: Und wir sorgen dafür, dass niemand unter die Räder kommt.
00:33:27: Diese Botschaft inhaltlich füllen mit den entsprechenden Themen.
00:33:30: Da geht es schon um die Zukunftsinnovistation
00:33:33: in unsere Wirtschaft, in Technologie, in Bildung, in Wissenschaft.
00:33:37: Das Kraftvolle nach vorne zu bringen.
00:33:40: Und zugleich auch, und zu zeigen,
00:33:42: dass Olaf Scholz vielleicht auch angesichts eines Krieges,
00:33:46: den wir erleben, oder von Kriegen,
00:33:49: vielleicht der bessere Kanzler ist.
00:33:51: Er wird beschimpft dafür, dass er bedächtig zögern sei.
00:33:55: Und da sage ich immer, wen wollt ihr?
00:33:58: Wenn ihr das hier ein, der eskaliert,
00:34:01: der offensive Politik betreibt gegenüber.
00:34:06: Ich fand das immer durchaus vernünftig.
00:34:09: Putin ist derjenige, der eskaliert.
00:34:11: Und Olaf Scholz sagt, wir halten dagegen.
00:34:14: Wir erlauben nicht, dass Russland siegt.
00:34:17: Aber wir eskalieren nicht den Krieg,
00:34:19: dass er über die Ukraine noch hinausgeht.
00:34:22: Da nimmt er verständliche Befürchtungen von Menschen auf,
00:34:25: ohne die Illusion zu verbreiten,
00:34:27: dass von heute auf morgen Deutschland für Frieden sorgen könnte.
00:34:30: Eine Illusion, die Sarah Wagenklecht verbreitet.
00:34:33: Boris Pistorius, fänden Sie nicht besser?
00:34:35: Denn der schafft ja was, was beachtlich ist.
00:34:39: In einem Umfeld, in zum Beispiel den ostdeutschen Bundesländern,
00:34:44: die jetzt gewählt haben, wo es einen großen Anteil an Menschen gibt,
00:34:48: die sagen, bitte, wir möchten nicht,
00:34:50: dass Weiterwaffen an die Ukraine geliefert werden.
00:34:53: Wir möchten auch keine Stationierung von Mittelstrecken,
00:34:56: Raketen in Deutschland und und und und.
00:34:59: Das ist alles das, wofür Boris Pistorius eintritt.
00:35:02: Wofür er, wie kein anderer, glaube ich, sehr präzise steht,
00:35:06: hat dieses Wort der Kriegstüchtigkeit geprägt,
00:35:09: hat zuletzt hier bei mir im Interview gesagt,
00:35:12: er benutzt es nicht mehr, weil er verstandert oder weniger auf,
00:35:15: weil er verstandert, wie viel Ängste es auslöst.
00:35:18: Dieser Mann ist klar profiliert in der Frage.
00:35:21: Und die doch ist auch er sehr viel beliebter als Olaf Scholz,
00:35:26: sogar richtig beliebt, in ganz Deutschland und auch in Ostdeutschland.
00:35:30: Ich bin nun lange genug bei der Politik dabei,
00:35:33: um zu wissen, was passieren würde, wenn er jetzt an die Spitze träte,
00:35:37: innerhalb weniger Wochen oder Monate,
00:35:40: während die Popularitätswerte verbraucht.
00:35:44: Da würden schon die Medien und Journalisten dafür sorgen,
00:35:47: dass das nicht so bleibt.
00:35:49: Ich glaube nicht daran, dass es so zu sagen wie eine Erlösung ist,
00:35:52: wenn man einen personellen Wechsel als Erlösung.
00:35:55: Da bin ich eher skeptisch.
00:35:57: Das wäre so wie der Martin Schulzeffekt, der da verpuffte?
00:36:00: Ja, ein bisschen so, gut, ich habe es mir gar nicht gerade eingefallen,
00:36:03: aber es ist ein bisschen so, was kann auch schnell verpuffen,
00:36:05: da bin ich etwas vorsichtiger.
00:36:07: Und halte mich daran, dass er selber ausdrücklich gesagt hat,
00:36:10: dass er nicht gegen Olaf Scholz zur Verfügung steht.
00:36:13: Und das sollte man dann auch dabei belassen.
00:36:16: Man sollte also nicht einen personellen Konflikt von außen inszenieren wollen,
00:36:20: den es so nicht gibt.
00:36:22: Wird ja zum Teil auch von innen befördert. Franz Müntefering hat gesagt,
00:36:25: solange die Kanzlerkandidatur nicht entschieden ist, ist sie nicht entschieden.
00:36:29: Ja, das ist ja auch eine, da hat sich also formal korrekt geäußert.
00:36:33: Über die formelle Kanzlerkandidatur wird dann und dann entschieden.
00:36:37: Im Juni nächsten Jahr, das dauert noch?
00:36:39: Ja, aber jeder weiß, dass natürlich der Welt ist,
00:36:43: dass einer amtierender Kanzler der natürliche Kandidat ist.
00:36:46: Und es muss dann etwas geradezu dramatisches noch passieren,
00:36:49: dass das nicht mehr geht.
00:36:51: Aber wie gesagt, ich habe gar keine Lust,
00:36:55: wirklich an personellen Spekulationen mich zu bezahlen,
00:36:58: weil ich das auch nicht so furchtbar produktiv finde.
00:37:01: Verstehe ich total, aber ich möchte mit Ihnen weiterhin darauf gucken,
00:37:04: was es an dramatischen Veränderungen ja schon gibt.
00:37:07: Damit haben wir ja losgelegt, das haben wir uns jetzt angeschaut,
00:37:10: nochmal hingeguckt, was wir nach den drei Landtagswahlen jetzt tatsächlich haben.
00:37:15: Rekordergebnis von um die 30 Prozent für die AfD
00:37:19: und überall zweistellige Ergebnisse für das Bündnis Arau Wagenknecht.
00:37:23: Die CDU hält sich in Sachsen und Thüringen noch ganz gut,
00:37:26: verliert in Brandenburg aber erheblich die Ampelparteien.
00:37:31: Wir haben es angesprochen, werden überall abgestraft.
00:37:34: Die FDP ist in keinem Parlament mehr drin.
00:37:36: Die Grünen sind mit 5,1 Prozent allein im sächsischen Landtag nachvertreten.
00:37:41: In Thüringen und Brandenburg rausgeflogen,
00:37:44: Brandenburg gerade von 10,8 Prozent auf 4,1 Prozent abgestürzt.
00:37:49: Und ihre SPD kommt in Sachsen bei 7,3 Prozent ins Ziel.
00:37:55: In Thüringen bei 6,1 Prozent.
00:37:58: In Brandenburg grandios, dank Dietmar Woidke bei 30,9 Prozent.
00:38:03: So, das alles angeguckt.
00:38:05: Was bricht sich denn jetzt hier Bahn
00:38:08: und was ist im Falle Brandenburgs für die SPD dann eigentlich gewonnen,
00:38:13: wenn sie jetzt eigentlich nur mit dem BSW eine Regierung bilden kann?
00:38:18: Was damit gewonnen ist, weiß ich noch nicht.
00:38:20: Das ist Folge von einer Wahle Entscheidung,
00:38:23: die man ja nicht sich zurecht zimmern kann.
00:38:26: Ich will nur noch als Sagen zu den Wahlergebnissen der SPD aus Deutschland,
00:38:30: weil mich das immer ein bisschen geärgert hat,
00:38:33: würde er erinnert, die Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen sind so niederschmetternd.
00:38:37: Das sind doch die Stammlande der SPD.
00:38:40: Da wird immer vergessen, dass da 70 Jahre,
00:38:43: zwei verschiedene Diktaturen jede politische Tradition zerstört haben.
00:38:47: Und die SPD war in Thüringen und Sachsen nachts in 1990 immer ganz schwach.
00:38:53: Das soll nichts beschönigen.
00:38:55: Also sie hat immer nur von schlechten Ergebnissen immer noch ein bisschen weniger verloren.
00:38:58: Und in Brandenburg ist die berühmte Ausnahme.
00:39:01: Und in Wecklenburg-Voghren und Sachsen-Halz sind wir immer sozusagen in der Mitte gewesen.
00:39:05: Das ist schon ein...
00:39:06: Das muss man immer nur zu sagen, damit das nicht zu sehr gewichtet wird.
00:39:09: Das stimmt.
00:39:10: Voll.
00:39:11: Aber was da passiert, erstens, es klingt dann immer wie eine Ausrede,
00:39:15: was wir in Deutschland erleben, erleben wir ringsum auch.
00:39:19: Alle Regierungen, allen demokratischen Regierungen geht es schlecht.
00:39:22: Überall, selbst in den wunderbaren Demokratien-Skandinaviens,
00:39:27: nehmen die rechtsextremen die rechtspopulistischen Parteien zu.
00:39:30: Und die Landschaft...
00:39:32: Da gelingt es aber da und dort auch sie zurück zu drängen, wen die hinmachen.
00:39:35: Ja, aber zunächst mal selbst in Schweden und überall erleben wir dasselbe.
00:39:39: Also, wie gesagt, die Konstellation ist vergleichbar, ist nichts ganz Besonderes Deutsch.
00:39:44: Und das sollen nun ein bisschen die allzu flotten, einfachen Schuldzuweisungen vermindern.
00:39:50: Ich habe ja beschrieben, dass es etwas damit zu tun hat,
00:39:53: dass durch die Dramatik der Veränderung die Unsicherheit, die Ängste, die Ungeduld für größer sind.
00:39:57: Und man wählt dann die Parteien, die nicht in der Regierung sind
00:40:01: und die nicht mit demokratischer Verantwortung belastet und beschmutzt sind.
00:40:05: Deswegen kommt die CDU auch nicht so gut weg.
00:40:08: Ja, sondern man wählt Parteien, die überhaupt bisher nichts mit wirklicher Politik zu tun hatten.
00:40:14: So wie eine Verheißung oder das andere.
00:40:18: Und bei dem einen sozusagen, der Aussenutzung "Böses, Daraus, Santimons" bei der AfD
00:40:24: und bei der BSW sozusagen, die Verheißungsfigur Wagenknecht.
00:40:30: Das hat doch etwas Eigentümliches, dass die überall plakatiert wird, obwohl sie nie gewählt werden kann.
00:40:36: Das heißt doch, dass die Botschaft ist, ich bin die Lösung, ich bin die Verheißung.
00:40:42: Und das trifft auf Menschen, die eben viele Anlässe, prinzipielle Anlässe zu wut haben und zu ärgere,
00:40:49: aber natürlich auch konkrete. Und darüber muss man ja auch sprechen.
00:40:52: Das übersehe ich doch nicht, dass es wirklich Probleme gibt.
00:40:55: Es gibt einen Unterschied zwischen den großen Städten und dem flachen Land in Deutschland.
00:40:59: Also die Angst davor oder die Erfahrung, dass der öffentliche Verkehr schlechter geworden ist,
00:41:05: die Gesundheitsversorgung schlechter geworden ist, Kindergärten und so weiter,
00:41:09: oder dass es keine Geschäfte mehr gibt.
00:41:12: Und dann in Ostdeutschland hinzu, dass es immer auch noch Ost-West-Unterschiede gibt bei Vermögen, Eigentum, Einkommen etc.
00:41:18: Das ist doch alles unübersehbar, nicht zu bestreiten.
00:41:22: Nur erlaube ich mir dann, nachdem ich die Kritik ernst nehme zu sagen,
00:41:28: sind wir Ostdeutschen selber daran beteiligt gewesen.
00:41:32: Und dann gucke ich auch nach Brandenburg und sehe, wir fahren ja alle durch Brandenburg
00:41:38: und sehen, wie sich die Dörfer verändert haben, wie sie wirklich schöner geworden sind.
00:41:43: Ich bin alt genug, um noch im Hinterkopf zu haben, wie die Städte und Dörfer zu der Zeit ausgesehen haben.
00:41:51: Ich sehe mit welchen Autos die Dorfbewohner fahren.
00:41:55: Und dass sie in die Stadt fahren, um einzukaufen.
00:41:58: Und nicht im Dorf.
00:42:00: Aber sie beschweren sich dann, dass es im Dorf nichts mehr gibt.
00:42:03: Also ich will keine Schuld zu verweisen.
00:42:05: Ich will nur sagen, dass es in einer demokratischen Gesellschaft immer so ist,
00:42:10: dass das eigene Verhalten dazu beiträgt, was am Schluss passiert.
00:42:16: Aber allzu viele denken, es sind immer die anderen und die da oben und die im Westen schuld.
00:42:21: Und da sind wir bei einem anderen sehr beunruhenden Punkt.
00:42:24: In Ostdeutschland ist aus unterschiedlichen Gründen eine Demokratievorstellung stark.
00:42:30: Die doch immer so meint, direkte Demokratie, ich äußere meinen Willen, meinen Wunsch, das muss jetzt auch gemacht werden.
00:42:38: Also die einfachen verschiedenen Demokratie sei Volkswille, sei Volkserschaft.
00:42:42: Und nicht wahrzunehmen, dass Demokratie ein Institutionengefüge ist,
00:42:48: Entscheidungsstrukturen enthält, Machtbalanzen, Gewaltenteilung und so weiter,
00:42:56: dass das alles dazugehört, Minderhaltenschutz, also nicht nur Volkswille und Volkserschaft.
00:43:02: Aber diese Vorstellung, die einerseits sozusagen eine schlechte Tradition aus der Deutschen unter DDR-Geschichte hat
00:43:08: und zweitens, wie soll ich das nennen, ein eintümlich verqueres Weiterleben
00:43:15: unseres wunderbaren Aufbruchs von 1989 ist.
00:43:19: Die Erinnerung daran, dass wir plötzlich etwas bewirkt haben, als wir zu ganz vielen auf der Straße waren.
00:43:28: Und das ist ja eine schöne Erinnerung.
00:43:31: Und jetzt das aber zu übersetzen, dass da ein moralisch und ökonomisch Morschesystem ja zugleich zusammengebrochen ist.
00:43:39: Es war ja nicht nur eine Revolution, es war ja auch ein Zusammenbruch, beides gehört zusammen.
00:43:43: Also diesen wunderbaren Aufbruch, Volkswillen, den wir ...
00:43:47: Wir sind das Volk, jetzt zu übersetzen in die Mühseligkeiten alltäglicher Demokratie, Institutionen, Abläufe und so weiter.
00:43:58: Das ist mühselig und das erscholt wieder Geduld.
00:44:01: Und die Geduld ist angesichts sozusagen dieser Veränderungsschmerzen und Dramatik wiederum etwas, was eher selten ist.
00:44:09: Und das ist etwas, was mich beschäftigt.
00:44:11: Das ist auch wiederum nicht nur aus Deutsch, aber in Ostdeutsch etwas stärker wahrnehmbar.
00:44:16: Und das Ergebnis ist jetzt, das schreiben Sie übrigens auch in Ihrem Artikel, Sie schreiben da, das ist eine furchtbare Niederlage für die bisher regierenden Parteien.
00:44:26: Wir haben die Ergebnisse ja gerade nochmal angeguckt.
00:44:29: Und das Fatale, so geht das weiter, ich zitiere, diese Wahlergebnisse werden die Schwierigkeiten der Regierungsbildung und der demokratischen Entscheidungsprozesse noch vergrößern.
00:44:39: Und damit unersweichlich neue Ungeduld, Enttäuschung und Wut produzieren, was die Wähler vermutlich nicht wollten, haben sie selbst herbeigeführt.
00:44:48: Das ist jetzt die Situation, mit der zum Beispiel die SPD in Brandenburg befasst ist.
00:44:52: Sie muss irgendwie klar kommen mit dem BSW.
00:44:54: Die CDU in Sachsen und Thüringen hat dasselbe Problem.
00:44:58: Keiner weiß irgendwas.
00:45:00: Großes Gerede jetzt immer von der Black Box.
00:45:03: Man weiß nicht womit man es da zu tun habe, obwohl ein paar derjenigen, die da antreten, ja auch veritable politische Karrieren hinter sich haben.
00:45:12: Und man vielleicht eine Art von Kenntlichkeit hat.
00:45:15: Aber was ist das jetzt?
00:45:17: Was soll das jetzt bringen?
00:45:18: Ist das die Vorstufe der nächsten Frustwelle oder was ist es?
00:45:24: Das kann sein, ich weiß es nicht.
00:45:26: Es wäre ja gut, wenn Politiker der BSW in Thüringen, also in Erfurt, Resten oder Potsdam selbstständig selbstverantwortlich handeln könnten.
00:45:38: Und damit also sich auf Kompromisse mit den anderen Parteien einlassen könnten.
00:45:44: Also gemeinsame Projekte vereinbaren.
00:45:46: Und wenn sie nicht gewissermaßen wie Marionetten von einer Figur aus Berlin oder aus dem Saarland geführt werden, dann wäre ja schon viel.
00:45:54: Es würde viel leichter gehen.
00:45:56: Ich bin ja nicht sicher, was Sarah Wagenknecht will, eigentlich will.
00:46:02: Es gibt ja Leute, die vermuten, sie ist gar nicht interessiert daran, was wirklich passiert in Dresden und Erfurt und Potsdam.
00:46:10: Sonst zielt sie auf die Bundestagswahlen.
00:46:12: Und auf das Scheitern der Grünen und der Sozialdemokratie, die Linkspartei aus der sie kommt, hat sie ja schon quasi vernichtet.
00:46:21: Michael Kretschmann, der Ministerpräsident aus Sachsen, hat das ja gesagt, er sieht einen zerstörerischen Ansatz.
00:46:28: Ja, und hören Sie mal Bodo Ramel dazu.
00:46:30: Habe ich.
00:46:31: Der ja, was man immer will, pragmatische, vernünftige, mühselige Politik gemacht hat unter widien Verhältnissen mit einer Minderheitsregierung.
00:46:42: Und dessen Partei hat sie dort in Thüringen halbiert.
00:46:47: Und ich weiß nicht, was sie will. Es wäre gut, wenn es gelänge, eigentlich das selbstverständlichste Welt, dass die Politiker vor Ort entscheiden und Vereinbarungen treffen.
00:47:00: Aber wir haben ja gehört, alle haben anzutreten bei ihrer Majestät Frau Wagenknecht.
00:47:05: Das hat schon etwas Befremdliches.
00:47:08: Was Sie von der Halten ist jetzt klar geworden, warum gehen Sie dann trotzdem mit Sarah Wagenknecht, ich mache einen kleinen Side-Step auf die Friedensdemo, die am 3. Oktober stattfinden wird.
00:47:21: Wo ist da, das habe ich nicht verstanden, Ihr Spezialansatz, den Sie auf dieser Demo nur als Sie selbst gemeinsam mit Norbert Walter Boeijans, der auch mal SPD-Vorsitzender war, und Ralf Stegner vertreten sehen wollen.
00:47:37: Und wie vermeiden Sie, dass Sie da nicht alle immer in diesen einen Topf gerührt werden, gemeinsam auf der Demo gewesen, zusammen mit Sarah Wagenknecht?
00:47:46: Das ist ein schönes Beispiel, ganz harmlos bei Ihnen, dass Sarah Wagenknecht eben auch ein mediales Produkt ist.
00:47:53: Sie fragen, wieso ich mit Sarah Wagenknecht? Sie fragen mich nicht, welches Motiv ich habe, zu sagen, es ist sinnvoll in der Gegenwertsituation auch nochmal an einer Friedensdemonstration.
00:48:06: Bei der unter anderem auch Sarah Wagenknecht auftritt.
00:48:11: Ich frage das aber auch deshalb, weil ich Ihren Aufruf dazu gelesen habe und da grenzen Sie sich ja auch ab.
00:48:17: Sie sehen das Problem natürlich. Sie sagen, der Frieden darf nicht den überlassen werden.
00:48:23: Ja, ich sage das ausdrücklich. Ich bin dafür, dass auch die Sozialdemokratie zeigt, wir sind eine Friedenspartei.
00:48:32: Wir machen aber andere Vorschläge, wie der brutale Konflikt, der Krieg, der Überfall auf die Ukraine geändert werden müssen.
00:48:43: Wir unterscheiden uns von denjenigen, die allzu leichtfertig oder absichtsvoll im Grunde Parteiename für Putin begreifen.
00:48:54: Wer von der Ukraine Wehrlosigkeit verlangt, keine Waffendieferung.
00:49:05: Wer von den Ukrainen Kompromisse verlangt, aber von Putin Russland keine.
00:49:10: Denn im Partei für Putin und will keinen Frieden.
00:49:14: Das muss man auf einer Friedensdemonstration sagen, ausdrücklich.
00:49:19: Damit diese Friedensdemonstration nicht in die falsche Richtung ist.
00:49:25: Die Gefahr ist groß, dass sie parteipolitisch von AfD und BSW instrumentalisiert wird.
00:49:30: Und den muss man widersprechen.
00:49:33: Und deswegen finde ich sinnvoll, dass Sozialdemokraten sagen, wir treten dort auf und tragen unsere Position vor, die sich deutlich unterscheidet von Frau Wagenknecht und von der AfD.
00:49:44: Haben Sie mit sich gerangelt und gehadert, ob das gelingen wird?
00:49:50: Man muss sagen, Demonstrationen sind jetzt nicht die Orte, an denen Differenzierung besonders gut gelingt.
00:49:56: Nein, aber weil ich der Meinung bin, es ist schade um die Friedensbewegung, dass sie in solche Fänge gerät.
00:50:03: Es ist schade. Ich habe gezögert, und wenn ich es gestehen darf, ich habe an dem eigenen Text, den sozialdemokraten Text noch geahnt.
00:50:11: Und ich habe ihn verändert, als ich ihn vorbekommen habe.
00:50:13: Also so was in unserer Schreiblinie. Es muss auch klar sein, dass die auch militärische Solidarität mit der Ukraine nicht infrage stehen darf.
00:50:22: Ich sage es noch einmal, dieser Pazifismus.
00:50:26: Wehrlosigkeit kann man mit gutem moralischen Recht von sich selber verlangen, niemals von anderen.
00:50:33: Und was Frau Wagenknecht betreibt, ist, Wehrlosigkeit von der Ukraine zu verlangen, um das eigene Ruhe und Friedensbedürfnis befriedig zu sehen.
00:50:42: Und damit bedient er viele Menschen, die verständlicherweise das Bedürfnis nach Frieden haben und unter den Leiden der Ukraine leiden.
00:50:51: Aber dabei übersehen wir Schuld daran, wer die Ursache ist.
00:50:55: Will zurückkommen zu unserem Thema. Woher kommt diese unfassbare Wurdenwillen bleiben bei AfD und BSW und bei den Zahlen, die einen ja auch zusammenzucken lassen?
00:51:06: Denn die AfD gewinnt ja vor allem bei jungen Menschen an Zustimmung. 31 Prozent der 16 bis 24-Jährigen haben in Brandenburg die AfD gewählt.
00:51:17: Da durften auch schon 16-jährige Wählen. In Thüringen waren es 38 Prozent der 18 bis 24-Jährigen, in Sachsen 31 Prozent der Erste und Jungwählenden, also der 18 bis 24-Jährigen.
00:51:31: Keine andere Partei, muss man sagen, holt bei den Jungen mehr. Daraus machen die natürlich uns gehört die Zukunft.
00:51:39: Und dazu passt, wie das BSW plakatiert, bei uns bekommt die Zukunft eine Heimat.
00:51:45: Haben die jetzt da einen Punkt, AfD und BSW, dass denen die Zukunft gehört?
00:51:51: Ja, das ist ein besonderes Betroffenmachen der Teil des Wahlergebnisses.
00:51:57: Und das muss man ernst nehmen und es ist eine riesige Herausforderung, nicht nur für die demokratischen Parteien, sondern für die Bürgergesellschaft insgesamt.
00:52:06: Denn demokratische Parteien haben doch so gut wie keinen Einfluss auf 16, 18, 22-Jährige. Wer hat Einfluss auf sie?
00:52:17: Und deswegen frage ich danach, was ist die Rolle von Eltern und Familien?
00:52:23: Die Schulen, Demokratiebildung, politische Bildung, auch der Medien, also Internet, TikTok und so weiter, darüber müssen wir reden und aufhören immer zur Zeit.
00:52:35: Die demokratischen Parteien sind Schuld daran, dass die AfD wählen.
00:52:40: Aber die Parteien können natürlich im Bei TikTok anders aufziehen?
00:52:45: Ja, aber dann sage ich wiederum noch mal. In Ostdeutschland haben die demokratischen Parteien seit 1990 beklagend, es werden wenige Mitglieder.
00:52:52: Jetzt verlangen wir von denen alles. Die kommen ja kaum vor auf dem flachen Land.
00:52:56: Wenn ich sehe, wie wenig Sozialdemokraten oder Grüne oder Winister gibt, von denen dann als alles zu verlangen, also wären die politischen Genies, die alles können, dann wären.
00:53:06: Nein, reden wir ernsthaft darüber, was passiert in den Familien.
00:53:11: Und es hat mich gerade jemand daran erinnert und daran erinnere ich mich auch. Diejenigen, die in den Anfang der 90er Jahren die rechtsextremen, fremdenfeindlichen Schläge und Glatzköpfe waren, die sind jetzt Eltern.
00:53:27: Es ist 30 Jahre später, die haben jetzt Kinder. Das ist, muss uns beunruhigen.
00:53:33: Deswegen sage ich, ich will nicht die Parteien aus der Verantwortung nehmen. Das ist überhaupt nicht der Punkt.
00:53:41: Sie können gar nicht das alles schaffen, sondern reden wir darüber über Eltern, über Erziehung, über politische Bildung und über das auch, was medial alles passiert in den asozialen Medien, aber natürlich auch in den seriösen Medien.
00:53:58: Sie tragen ja auch bei zu der Stimmung, ob die Stimmung apokalyptisch wird. Winste, sodass dann alles gerechtfertigt ist, auch Gewalt, weil es ja alles ganz schlimm ist oder ob man sagt, wir debattieren, wir debattieren um konstruktive Lösungen.
00:54:14: Und das wäre, um einen positiven Schluss zu versuchen. Das wäre die Chance, dass man heller malt, was uns an Zukunft erwartet.
00:54:28: Ich wünsche mir viele Kräfte, die gegen die Verfinsterung der Stimmung im Lande auch agieren, nicht durch Lügen, nicht durch schön Rednerrei, aber dadurch, dass sie zeigen, was wirklich gelungen ist.
00:54:46: Und in Ostdeutschland sage ich immer, dass ich bei vielen Ostdeutschen feststelle, die Unfähigkeit, die eigenen Leistungen wahrzunehmen.
00:54:55: Was haben die Ostdeutschen viele in den vergangenen 35 Jahren zustande gebracht? Ein dramatischer Veränderung. Alles hat sich geändert.
00:55:04: Und das haben viele mit Schmerzen und Opfern bestanden, überstanden, sind sogar erfolgreich geworden. Andere sind leider unter die Rede gekommen.
00:55:12: Darauf stolz zu sein und daraus Selbstbewusstsein zu gewinnen und nicht zu sagen, die da oben und die im Westen sind, Schuld.
00:55:19: Der Ostdeutschland ist eine Erfindung des Westens, wie ein Besteller heißt. Das befördert nicht Ostdeutsche Selbstverantwortung und Selbstbewusstsein,
00:55:26: sondern darauf zu schauen, was wir zustande gebracht haben. Das finde ich ganz gut.
00:55:31: Wolfgang Thiese, herzlichen Dank. Toll, dass Sie bei uns waren.
00:55:34: Wir haben dieses Gespräch, will ich noch mal sagen, am Mittwoch, den 25. September um 13 Uhr aufgezeichnet.
00:55:41: Mitgemacht in der Redaktion haben Felix Schlagwein und Marie Steffens, Executive Producerin ist Marie Schiller, Audio Producer Maximilian Frisch,
00:55:49: Sounddesign Hannes Husten, die Vermarktung macht für uns die Mitvergnügen GmbH und das Ganze ist eine Produktion der Will-Media-GmbH.
00:55:57: Dankeschön.
00:55:58: [Musik]
00:56:11: Copyright WDR 2021
00:56:13: [MUSIK]